Beschlussvorschlag:
Der
Sozialausschuss empfiehlt dem Kreistag zu beschließen:
1. Für alle
Schülerinnen und Schüler einer Tagesbildungsstätte, die vom Landkreis
Cloppenburg ein Kostenanerkenntnis für Eingliederungshilfeleistungen erhalten
oder erhalten haben, wird im Sinne einer weiteren gesicherten Finanzierung der
Beschulung bis zum Ende des Schuljahres 2024/2025, somit bis zum 31.07.2025
auch der darin enthaltene Anteil in Höhe von 42 % für den Kernbereich der
schulischen Bildung als freiwillige Leistung finanziert.
2. Die
Kreisverwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit dem Caritas-Verein Altenoythe
e.V. die Umwandlung der Tagesbildungsstätte Sophie-Scholl-Schule in eine
Förderschule GE voranzutreiben und dafür weiterhin gemeinsam mit der
Arbeitsgruppe der Sozialdezernenten im ehemaligen Weser-Ems-Gebiet und dem NLT
beim Land an die Sicherstellung der dafür erforderlichen rechtlichen und
finanziellen Rahmenbedingung zu arbeiten.
Sachverhalt:
Gemäß § 162 des Niedersächsischen
Schulgesetzes (NSchG) können Kinder und Jugendliche, die auf sonderpädagogische
Unterstützung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung angewiesen sind, ihre
Schulpflicht auch durch den Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte
erfüllen. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines Feststellungsbescheides
mit dem ausgewiesenen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im
Förderschwerpunkt geistige Entwicklung durch das Regionale Landesamt für Schule
und Bildung (RLSB).
Für Schülerinnen und Schüler aus dem
Landkreis Cloppenburg stehen den Erziehungsberechtigten in diesem Fall folgende
Beschulungsmöglichkeiten zur Verfügung:
·
Alle
Regelschulen (Grundschule, Schulen im Sekundarbereich I und II)
·
Förderschulen
mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung (GE)
- Elisabethschule Friesoythe
- Maximilian-Kolbe-Schule Löningen
·
Förderschule
in freier Trägerschaft
-Schule St. Vincenzhaus in Cloppenburg
·
Tagesbildungsstätte
- Sophie-Scholl-Schule in Altenoythe und Lastrup
Tagesbildungsstätten gibt es ausschließlich
in Niedersachsen, im übrigen Bundesgebiet ist diese Form der Beschulung nicht
möglich. Ca. 3000 Kinder und Jugendliche werden derzeit in niedersächsischen
Tagesbildungsstätten beschult, davon im lfd. Schuljahr 2024/2025 ca. 84 in der
Tagesbildungsstätte in Altenoythe und Lastrup, 74 davon derzeit in der
Kostenträgerschaft des Landkreises Cloppenburg. Außerdem besuchen ca. 16
Schülerinnen und Schüler in Kostenträgerschaft des Landkreises Cloppenburg
auswärtige Tagesbildungsstätten.
Der Caritas-Verein Altenoythe e.V. hat
bereits mit Schreiben vom 08.02.2022 beim Regionalen Landesamt für Schule und
Bildung in Osnabrück (RLSB) einen Antrag auf Genehmigung einer
Ersatzschule/Förderschule GE im Primarbereich nach § 143 NSchG zum 01.08.2022
gestellt. Geplant war, zum Schuljahresbeginn 2022/2023 beginnend mit einer
ersten Klasse die Umwandlung der Sophie-Scholl-Schule Altenoythe in eine
Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung für den Primarbereich
umzuwandeln und diese dann als Waldschule fortzuführen. Parallel dazu sollte
die Anzahl der Klassen der Tagesbildungsstätte reduziert werden, so dass ein
sukzessiver Wechsel stattfinden sollte.
Der Kreistag stimmte der geplanten Umwandlung
zum 01.08.2022 einstimmig bei 7 Stimmenthaltungen in seiner Sitzung am
12.07.2022 zu (vgl. Vorlagen-Nr. V-SCHUL/22/214).
Dem Schulgründungsantrag wurde vom RLSB nach
Prüfung zwar inhaltlich, fachlich und personell grundsätzlich zugestimmt,
konnte jedoch bisher aufgrund des im Antrag enthaltenen Finanzierungsplanes von
dort noch nicht genehmigt werden. Der Antrag des Caritas-Vereins Altenoythe
e.V. enthält keine 3-jährige Vorfinanzierung, sondern fordert eine direkte
Refinanzierung entweder durch das MK oder durch den LK Cloppenburg über die
Weiterfinanzierung aus Kosten der Eingliederungshilfe. Eine Weiterfinanzierung
über die Eingliederungshilfe ist rechtlich ausgeschlossen, eine direkte
Finanzierung durch das MK wird bisher vom Land abgelehnt.
Die Schülerinnen und
Schüler der Tagesbildungsstätte beziehen Leistungen zur Teilhabe an Bildung im
Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 112 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
IX) und erhalten so eine Beschulung, die bisher grundsätzlich vollumfänglich
aus Mitteln der Eingliederungshilfe finanziert wurde. Die sachliche
Zuständigkeit lag bis zum 31.12.2019 beim Land Niedersachsen als überörtlicher
Träger der Sozialhilfe. Im Rahmen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes
(BTHG) wechselte die sachliche Zuständigkeit für alle Leistungen der Eingliederungshilfe
für Kinder und Jugendliche bis zu Vollendung des 18. Lebensjahres bzw. darüber
hinaus bis zum Ende der Regelbeschulung am 01.01.2020 zu den örtlichen Trägern
der Eingliederungshilfe und wird somit seitdem für das Gebiet des Landkreises
Cloppenburg als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises im Sozialamt wahrgenommen.
Der Landkreis Cloppenburg als örtlicher Träger der Eingliederungshilfe hat mit
dem Caritas-Verein Altenoythe e.V. gemäß § 123 ff SGB IX eine Leistungs- und
Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen, über die die Finanzierung des gesamten
Leistungsspektrums der Tagesbildungsstätten sichergestellt wird.
Aufgrund des
Vorliegens dreier höchstrichterlicher Urteile besteht für alle Kommunen in
Niedersachsen mit Tagesbildungsstätten Handlungsbedarf im Hinblick auf die
Erfüllung der Schulpflicht für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen
Behinderung sowie die diesbezügliche Finanzierung des Besuchs von
Tagesbildungsstätten:
·
Im Jahr 2017 urteilte das
Bundessozialgericht (21.09.2017 – B 8 SO 24/15 R), dass es sich bei
Tagesbildungsstätten um sogenannte „Mischeinrichtungen“ handelt, die eine
Abgrenzung des Kernbereichs der schulischen Bildung von der Eingliederungshilfe
nach dem heutigen SGB IX erfordern.
·
Im Jahr 2021 urteilte das Landessozialgericht
NRW (01.02.2021 – L 20 SO 115/18 ZVW), dass der Anteil für den Kernbereich der
schulischen Bildung bei 42 % liegt. Für den örtlichen Träger der
Eingliederungshilfe liegt damit der zu gewährende Kostenanteil nach dem SGB IX
nur noch bei 58 %.
·
Im Juli 2022 urteilte das
Landessozialgericht Niedersachsen –Bremen (L8 SO83/18 S46 SO 92/15), dass
Kostenanerkenntnisse in Höhe von 100 % durch den örtlichen Träger der
Eingliederungshilfe für den Besuch von Schülerinnen und Schülern mit
vorliegender geistiger Behinderung an einer Tagesbildungsstätte rechtswidrig
sind, da die Eingliederungshilfeträger für den Kernbereich der schulischen
Bildung nicht zuständig seien.
·
·
Seit Bekanntwerden des Urteils des
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen haben die
·
Kommunen und der Niedersächsische
Landkreistag (NLT) gegenüber der Landesregierung auf den rechtswidrigen Status
quo hingewiesen und auf Lösungen in Richtung einer rechtskonformen Finanzierung
der Tagesbildungsstätten hingewirkt. Der Landkreis Osnabrück hat bereits für
das laufende Schuljahr für neu aufgenommene Schülerinnen und Schüler in
Tagesbildungsstätten lediglich die Kosten der Eingliederungshilfe (58 %) an die
Träger gezahlt.
·
·
In einem gemeinsamen Schreiben der Nds.
Kultusministerin Julia Willie Hamburg und des Nds. Ministers für Soziales,
Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung Dr. Andreas Philippi vom 24.09.2023 an
den NLT (vgl. NLT-Rundschreiben Nr. 1090/2023) haben die Minister versichert,
dass weiterhin großes Interesse an der Weiterentwicklung von
Tagesbildungsstätten bestehe und dass es landesseitig einer
ressortübergreifenden Abstimmung im Hinblick auf eine weitere verlässliche
Kostenbeteiligung bedürfe. Bis dahin baten die Minister die örtlichen Träger
der Eingliederungshilfe darum, „weiterhin in der bewährten Weise zu verfahren“.
Heißt, die gesamten Kosten der Tagesbildungsstätten sollen weiter aus Mitteln
der Eingliederungshilfe gezahlte werden.
·
·
Mit Rundschreiben Nr. 252/2024 vom
05.03.2024 teilte der NLT mit, dass sich das Präsidium des NLT erneut mit dem
Sachverhalt befasst und seine Forderung gegenüber dem MK bekräftigt habe,
unverzüglich die notwendigen Voraussetzungen für Träger von
Tagesbildungsstätten zu schaffen, sich in eine Förderschule GE in freier
Trägerschaft umzuwandeln. Zur Unterstützung des Umwandlungsprozesses habe sich
das Präsidium bereit erklärt, dass die betroffenen Landkreise und die Region
Hannover übergangsweise für einen Zeitraum von maximal drei Jahre den auf den
schulischen Anteil der Tagesbildungsstätten entfallenen Teil der Vergütung nach
dem Rahmenvertrag über die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche als freiwillige
kommunale Leistung an die Einrichtungsträger auszahlen. Spätestens nach
Ablauf dieser Frist müsse die Finanzhilfezahlung des Landes nach § 149 NSchG
einsetzen. Voraussetzung für die Kommunen hierfür sei, dass auch dieser Teil
der (freiwilligen schulischen) Vergütung in die Abrechnung der
Aufwendungen mit dem Land nach
·
§ 22 Abs. 2 des Nds. Gesetzes zur
Ausführung des Neunten und des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (Nds. AG
SGB IX/XII) eingestellt wird und die entsprechenden Leistungen der betroffenen
örtlichen Träger für die Tagesbildungsstätten im Soziallastenansatz im
kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt werden.
Unabhängig davon haben
die Fraktion der SPD, der CDU und Grünen einen gemeinsamen Entschließungsantrag
„Stärkung der Inklusion – Entwicklung der Tagesbildungsstätten unterstützen“
(Landtagsdrucksache 19/4579) in den Landtag eingebracht und am 18.06.2024
erstmal im Plenum beraten (vgl. NLT-Rundschreiben Nr. 661/2024).
Außerdem liegt
zwischenzeitlich ein Umlaufbeschluss des Gemeinsamen Ausschusses nach § 16 Nds.
Gesetz zur Ausführung des SGB IX/SGB VII mit Datum vom 16.08.2024 vor, wonach
auch der evtl. freiwillige kommunale Anteil der Kosten für eine anerkannte
Tagesbildungsstätte wie bisher in die Abrechnung mit dem Land eingebracht
werden kann. Das entspricht dem Kompromissvorschlag für die Übergangszeit, bis
die Tagesbildungsstätten sich in Förderschulen umgewandelt haben. Voraussetzung
ist jedoch noch eine entsprechende Bestimmung des MS in Abstimmung mit dem MF.
Da der Beschluss aber bereits vom Nds. Landesamt für Soziales, Jugend und
Familie an die Kommunen weitergeleitet wurde, kann von einer entsprechenden
Umsetzung ausgegangen werden.
Auf
der Ebene der Sozialdezernentinnen und Sozialdezernenten Weser-Ems wurde die
unhaltbare Situation um die Beschulung an den Tagesbildungsstätten in den
vergangenen Wochen und Monaten mehrfach und intensiv erörtert. Da es nach wie
vor keine konkreten Lösungen zur vollen Erstattung des Bildungskostenanteils
(42 %) bzw. zur Finanzierung von Förderschulen GE in freier Trägerschaft
(Wegfall der 3-jährigen Wartezeit) aus Hannover gibt, wurde aus der
Arbeitsgruppe eine Resolution erarbeitet (siehe Anlage), die von den HVBs im
ehemaligen Bezirk Weser-Ems an die Landesregierung versandt wurde.
Im Bereich Weser-Ems
wurden vielfach Gremienbeschlüsse gefasst bzw. sollen kurzfristig gefasst
werden, damit die Vergütungen der Tagesbildungsstätten zunächst bis zum
Schuljahresende am 31.07.2025 (LK Osnabrück bis Ende 2024) entsprechend der
Empfehlung des GA hinsichtlich des schulischen Anteils als freiwillige
kommunale Leistung weitergezahlt werden sollen. Damit soll die weitere
Finanzierung der Beschulung von Kindern und Jugendlichen in den
Tagesbildungsstätten zunächst einmal bis zum Ende des lfd. Schuljahres
gesichert werden.
Finanzierung:
P1.314310.101
Anlagenverzeichnis: