Betreff
Finanzierung der Tagesbildungsstätten des Caritas-Vereins Altenoythe e.V.
Vorlage
V-SOZ/24/184
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

Der Sozialausschuss empfiehlt dem Kreistag zu beschließen:

1.       Für alle Schülerinnen und Schüler einer Tagesbildungsstätte, die vom Landkreis Cloppenburg ein Kostenanerkenntnis für Eingliederungshilfeleistungen erhalten oder erhalten haben, wird im Sinne einer weiteren gesicherten Finanzierung der Beschulung bis zum Ende des Schuljahres 2024/2025, somit bis zum 31.07.2025 auch der darin enthaltene Anteil in Höhe von 42 % für den Kernbereich der schulischen Bildung als freiwillige Leistung finanziert.

2.       Die Kreisverwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit dem Caritas-Verein Altenoythe e.V. die Umwandlung der Tagesbildungsstätte Sophie-Scholl-Schule in eine Förderschule GE voranzutreiben und dafür weiterhin gemeinsam mit der Arbeitsgruppe der Sozialdezernenten im ehemaligen Weser-Ems-Gebiet und dem NLT beim Land an die Sicherstellung der dafür erforderlichen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingung zu arbeiten.


Sachverhalt:

Gemäß § 162 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) können Kinder und Jugendliche, die auf sonderpädagogische Unterstützung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung angewiesen sind, ihre Schulpflicht auch durch den Besuch einer anerkannten Tagesbildungsstätte erfüllen. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines Feststellungsbescheides mit dem ausgewiesenen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung durch das Regionale Landesamt für Schule und Bildung (RLSB).

Für Schülerinnen und Schüler aus dem Landkreis Cloppenburg stehen den Erziehungsberechtigten in diesem Fall folgende Beschulungsmöglichkeiten zur Verfügung:

·         Alle Regelschulen (Grundschule, Schulen im Sekundarbereich I und II)

·         Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung (GE)
- Elisabethschule Friesoythe
- Maximilian-Kolbe-Schule Löningen

·         Förderschule in freier Trägerschaft
-Schule St. Vincenzhaus in Cloppenburg

·         Tagesbildungsstätte
- Sophie-Scholl-Schule in Altenoythe und Lastrup

Tagesbildungsstätten gibt es ausschließlich in Niedersachsen, im übrigen Bundesgebiet ist diese Form der Beschulung nicht möglich. Ca. 3000 Kinder und Jugendliche werden derzeit in niedersächsischen Tagesbildungsstätten beschult, davon im lfd. Schuljahr 2024/2025 ca. 84 in der Tagesbildungsstätte in Altenoythe und Lastrup, 74 davon derzeit in der Kostenträgerschaft des Landkreises Cloppenburg. Außerdem besuchen ca. 16 Schülerinnen und Schüler in Kostenträgerschaft des Landkreises Cloppenburg auswärtige Tagesbildungsstätten.

Der Caritas-Verein Altenoythe e.V. hat bereits mit Schreiben vom 08.02.2022 beim Regionalen Landesamt für Schule und Bildung in Osnabrück (RLSB) einen Antrag auf Genehmigung einer Ersatzschule/Förderschule GE im Primarbereich nach § 143 NSchG zum 01.08.2022 gestellt. Geplant war, zum Schuljahresbeginn 2022/2023 beginnend mit einer ersten Klasse die Umwandlung der Sophie-Scholl-Schule Altenoythe in eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung für den Primarbereich umzuwandeln und diese dann als Waldschule fortzuführen. Parallel dazu sollte die Anzahl der Klassen der Tagesbildungsstätte reduziert werden, so dass ein sukzessiver Wechsel stattfinden sollte.

Der Kreistag stimmte der geplanten Umwandlung zum 01.08.2022 einstimmig bei 7 Stimmenthaltungen in seiner Sitzung am 12.07.2022 zu (vgl. Vorlagen-Nr. V-SCHUL/22/214).

Dem Schulgründungsantrag wurde vom RLSB nach Prüfung zwar inhaltlich, fachlich und personell grundsätzlich zugestimmt, konnte jedoch bisher aufgrund des im Antrag enthaltenen Finanzierungsplanes von dort noch nicht genehmigt werden. Der Antrag des Caritas-Vereins Altenoythe e.V. enthält keine 3-jährige Vorfinanzierung, sondern fordert eine direkte Refinanzierung entweder durch das MK oder durch den LK Cloppenburg über die Weiterfinanzierung aus Kosten der Eingliederungshilfe. Eine Weiterfinanzierung über die Eingliederungshilfe ist rechtlich ausgeschlossen, eine direkte Finanzierung durch das MK wird bisher vom Land abgelehnt.

Die Schülerinnen und Schüler der Tagesbildungsstätte beziehen Leistungen zur Teilhabe an Bildung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 112 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und erhalten so eine Beschulung, die bisher grundsätzlich vollumfänglich aus Mitteln der Eingliederungshilfe finanziert wurde. Die sachliche Zuständigkeit lag bis zum 31.12.2019 beim Land Niedersachsen als überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Im Rahmen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wechselte die sachliche Zuständigkeit für alle Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche bis zu Vollendung des 18. Lebensjahres bzw. darüber hinaus bis zum Ende der Regelbeschulung am 01.01.2020 zu den örtlichen Trägern der Eingliederungshilfe und wird somit seitdem für das Gebiet des Landkreises Cloppenburg als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises im Sozialamt wahrgenommen. Der Landkreis Cloppenburg als örtlicher Träger der Eingliederungshilfe hat mit dem Caritas-Verein Altenoythe e.V. gemäß § 123 ff SGB IX eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen, über die die Finanzierung des gesamten Leistungsspektrums der Tagesbildungsstätten sichergestellt wird.

Aufgrund des Vorliegens dreier höchstrichterlicher Urteile besteht für alle Kommunen in Niedersachsen mit Tagesbildungsstätten Handlungsbedarf im Hinblick auf die Erfüllung der Schulpflicht für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung sowie die diesbezügliche Finanzierung des Besuchs von Tagesbildungsstätten:

·         Im Jahr 2017 urteilte das Bundessozialgericht (21.09.2017 – B 8 SO 24/15 R), dass es sich bei Tagesbildungsstätten um sogenannte „Mischeinrichtungen“ handelt, die eine Abgrenzung des Kernbereichs der schulischen Bildung von der Eingliederungshilfe nach dem heutigen SGB IX erfordern.

·         Im Jahr 2021 urteilte das Landessozialgericht NRW (01.02.2021 – L 20 SO 115/18 ZVW), dass der Anteil für den Kernbereich der schulischen Bildung bei 42 % liegt. Für den örtlichen Träger der Eingliederungshilfe liegt damit der zu gewährende Kostenanteil nach dem SGB IX nur noch bei 58 %.

·         Im Juli 2022 urteilte das Landessozialgericht Niedersachsen –Bremen (L8 SO83/18 S46 SO 92/15), dass Kostenanerkenntnisse in Höhe von 100 % durch den örtlichen Träger der Eingliederungshilfe für den Besuch von Schülerinnen und Schülern mit vorliegender geistiger Behinderung an einer Tagesbildungsstätte rechtswidrig sind, da die Eingliederungshilfeträger für den Kernbereich der schulischen Bildung nicht zuständig seien.

·        

·         Seit Bekanntwerden des Urteils des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen haben die

·                    Kommunen und der Niedersächsische Landkreistag (NLT) gegenüber der Landesregierung auf den rechtswidrigen Status quo hingewiesen und auf Lösungen in Richtung einer rechtskonformen Finanzierung der Tagesbildungsstätten hingewirkt. Der Landkreis Osnabrück hat bereits für das laufende Schuljahr für neu aufgenommene Schülerinnen und Schüler in Tagesbildungsstätten lediglich die Kosten der Eingliederungshilfe (58 %) an die Träger gezahlt.

·                   

·                    In einem gemeinsamen Schreiben der Nds. Kultusministerin Julia Willie Hamburg und des Nds. Ministers für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung Dr. Andreas Philippi vom 24.09.2023 an den NLT (vgl. NLT-Rundschreiben Nr. 1090/2023) haben die Minister versichert, dass weiterhin großes Interesse an der Weiterentwicklung von Tagesbildungsstätten bestehe und dass es landesseitig einer ressortübergreifenden Abstimmung im Hinblick auf eine weitere verlässliche Kostenbeteiligung bedürfe. Bis dahin baten die Minister die örtlichen Träger der Eingliederungshilfe darum, „weiterhin in der bewährten Weise zu verfahren“. Heißt, die gesamten Kosten der Tagesbildungsstätten sollen weiter aus Mitteln der Eingliederungshilfe gezahlte werden.

·                   

·                    Mit Rundschreiben Nr. 252/2024 vom 05.03.2024 teilte der NLT mit, dass sich das Präsidium des NLT erneut mit dem Sachverhalt befasst und seine Forderung gegenüber dem MK bekräftigt habe, unverzüglich die notwendigen Voraussetzungen für Träger von Tagesbildungsstätten zu schaffen, sich in eine Förderschule GE in freier Trägerschaft umzuwandeln. Zur Unterstützung des Umwandlungsprozesses habe sich das Präsidium bereit erklärt, dass die betroffenen Landkreise und die Region Hannover übergangsweise für einen Zeitraum von maximal drei Jahre den auf den schulischen Anteil der Tagesbildungsstätten entfallenen Teil der Vergütung nach dem Rahmenvertrag über die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche als freiwillige kommunale Leistung an die Einrichtungsträger auszahlen. Spätestens nach Ablauf dieser Frist müsse die Finanzhilfezahlung des Landes nach § 149 NSchG einsetzen. Voraussetzung für die Kommunen hierfür sei, dass auch dieser Teil der (freiwilligen schulischen) Vergütung in die Abrechnung der Aufwendungen mit dem Land nach

·                    § 22 Abs. 2 des Nds. Gesetzes zur Ausführung des Neunten und des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (Nds. AG SGB IX/XII) eingestellt wird und die entsprechenden Leistungen der betroffenen örtlichen Träger für die Tagesbildungsstätten im Soziallastenansatz im kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt werden.

Unabhängig davon haben die Fraktion der SPD, der CDU und Grünen einen gemeinsamen Entschließungsantrag „Stärkung der Inklusion – Entwicklung der Tagesbildungsstätten unterstützen“ (Landtagsdrucksache 19/4579) in den Landtag eingebracht und am 18.06.2024 erstmal im Plenum beraten (vgl. NLT-Rundschreiben Nr. 661/2024).

Außerdem liegt zwischenzeitlich ein Umlaufbeschluss des Gemeinsamen Ausschusses nach § 16 Nds. Gesetz zur Ausführung des SGB IX/SGB VII mit Datum vom 16.08.2024 vor, wonach auch der evtl. freiwillige kommunale Anteil der Kosten für eine anerkannte Tagesbildungsstätte wie bisher in die Abrechnung mit dem Land eingebracht werden kann. Das entspricht dem Kompromissvorschlag für die Übergangszeit, bis die Tagesbildungsstätten sich in Förderschulen umgewandelt haben. Voraussetzung ist jedoch noch eine entsprechende Bestimmung des MS in Abstimmung mit dem MF. Da der Beschluss aber bereits vom Nds. Landesamt für Soziales, Jugend und Familie an die Kommunen weitergeleitet wurde, kann von einer entsprechenden Umsetzung ausgegangen werden.

Auf der Ebene der Sozialdezernentinnen und Sozialdezernenten Weser-Ems wurde die unhaltbare Situation um die Beschulung an den Tagesbildungsstätten in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach und intensiv erörtert. Da es nach wie vor keine konkreten Lösungen zur vollen Erstattung des Bildungskostenanteils (42 %) bzw. zur Finanzierung von Förderschulen GE in freier Trägerschaft (Wegfall der 3-jährigen Wartezeit) aus Hannover gibt, wurde aus der Arbeitsgruppe eine Resolution erarbeitet (siehe Anlage), die von den HVBs im ehemaligen Bezirk Weser-Ems an die Landesregierung versandt wurde.

Im Bereich Weser-Ems wurden vielfach Gremienbeschlüsse gefasst bzw. sollen kurzfristig gefasst werden, damit die Vergütungen der Tagesbildungsstätten zunächst bis zum Schuljahresende am 31.07.2025 (LK Osnabrück bis Ende 2024) entsprechend der Empfehlung des GA hinsichtlich des schulischen Anteils als freiwillige kommunale Leistung weitergezahlt werden sollen. Damit soll die weitere Finanzierung der Beschulung von Kindern und Jugendlichen in den Tagesbildungsstätten zunächst einmal bis zum Ende des lfd. Schuljahres gesichert werden.


Finanzierung:

P1.314310.101


Anlagenverzeichnis: