Betreff
Antrag der Gruppe FDP/BLC gemäß § 56 NKomVG - Digitalisierung der Kreistagsarbeit
Vorlage
V-KA/22/702/1
Art
Sitzungsvorlage
Referenzvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Dem Antrag der Gruppe FDP/BLC auf Übertragung der Kreistagssitzungen als Livestream wird zugestimmt.

Die Verwaltung wird beauftragt, eine entsprechende Änderung der Hauptsatzung vorzubereiten.

 

Alternativ:

Der Antrag der Gruppe FDP/BLC auf Übertragung der Kreistagssitzungen als Livestream wird abgelehnt.

 

 


Sachverhalt:

 

Es wird auf den Antrag der Gruppe sowie die Vorlage V-KA/22/702 zur Sitzung des Kreisausschusses am 19.05.2022 und der zugehörigen Beschlussfassung Bezug genommen.

 

Der Kreisausschuss hat in seiner Sitzung mehrheitlich beschlossen, der Verwaltung vor einer abschließenden Entscheidung folgende (Prüf-)Aufträge zu erteilen:

1.            Prüfung und Ausarbeitung der Umsetzungsmöglichkeiten nach § 64
                NKomVG, um das Live-Streaming der Kreistagssitzungen einzurichten

2.            Entwicklung der technischen und organisatorischen Möglichkeiten, die vor
                allem datenschutzrechtliche Bestimmungen wie u.a. § 64 Abs. 2 Satz 3
                NKomVG sowie ein „Löschkonzept“ in den Blick nimmt

 

Umsetzungsmöglichkeiten nach § 64 NKomVG zur Einrichtung eine Live.Streamings der Kreistagssitzungen

 

Gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 NKomVG sind Film- und Tonaufnahmen von den Mitgliedern der Vertretung mit dem Ziel der Berichterstattung in öffentlichen Sitzungen nur zulässig, soweit dies in der Hauptsatzung entsprechend geregelt ist. Für die Beschlussfassung ist die gesetzliche Mehrheit erforderlich. Abgeordnete der Vertretung können verlangen, dass die Aufnahme ihres Redebeitrages oder die Veröffentlichung der Aufnahme unterbleibt.

 

Für ein zulässiges Streaming müssen danach folgende Voraussetzungen erfüllt sein :

             öffentliche Sitzung

             Regelung in der Hauptsatzung

             kein Widerspruch der Abgeordneten

Neben diesen Voraussetzungen sind folgende weitere rechtliche Aspekte zu beachten:

             Einwilligung andere Sitzungsteilnehmer /Einwohnerfragestunde

             Rundfunklizenz

             Urheberrecht

 

Öffentlichkeit der Sitzung und Ziel der Berichterstattung

Die sog. Medienöffentlichkeit stellt eine erweitere Form der bisherigen Saalöffentlichkeit dar und ist nur bei öffentlichen Sitzungen möglich. Ein Streaming der Sitzungen dient der Unterrichtung der Einwohnerinnen und Einwohner und verfolgt somit das Ziel der Berichterstattung.

 

Regelung in der Hauptsatzung

Das geplante Streaming der Sitzungen ist nur zulässig, wenn die Hauptsatzung eine entsprechende Regelung trifft.

Nach der Kommentierung Blum/Baumgarten etc. zu § 64 NKomVG Randnr. 25g kann in der Hauptsatzung insbesondere geregelt werden für welche Zwecke und mit welcher Technik Aufnahmen und Übertragungen erfolgen dürfen; auch die Dauer der Speicherung der Aufnahme darf geregelt werden (entsprechende Ausführungen auch in LtDrs. 17/5423, S. 38).

 

Widerspruch der Abgeordneten

Nach § 64 Abs. 2 Satz 3 NKomVG können Abgeordnete der Vertretung verlangen, dass die Aufnahme ihres Redebeitrags unterbleibt. Zu den Abgeordneten zählt nicht der Hauptverwaltungsbeamte, so dass ihm dieses Widerspruchsrecht nicht zusteht (vgl. LtDrs. 17/5423, 38 und Blum/Baumgarten Kommentar zu § 64 NKomVG Randnr. 25i).

 

Nach der Kommentierung Blum/Baumgarten etc. zu § 64 NKomVG Randnr. 25h hat die/der Vorsitzende der Vertretung die Pflicht dem Wunsch auf Unterbrechung des Livestream Rechnung zu tragen. Die/der Abgeordnete hat dem Vorsitzenden somit eine entsprechende Mitteilung zukommen zu lassen, wenn sie/er erreichen möchte, dass die eigenen Redebeträge generell nicht im Internet übertragen werden sollen. Dann muss der Vorsitzende die Liste der Mitglieder der Vertretung, die eine Übertragung ablehnen, im Blick haben und den Livestream bei einer entsprechenden Meldung unterbrechen.

Weiterhin können Abgeordnete dem Livestream zwar grds. zustimmen, sie möchten aber erreichen, dass ein bestimmter Redebeitrag nicht gesendet wird. § 64 Abs. 2 Satz 3 NKomVG räumt den Abgeordneten ein Widerspruchsrecht hinsichtlich ihres Redebeitrags ein.

 

Das Widerspruchsrecht verhindert lediglich, dass der Redebeitrag in der Medienöffentlichkeit gesendet wird. Er bedeutet nicht, dass die Meldung und der anschließende Beitrag vertraulich zu behandeln ist, denn zumindest für die Zuhörerinnen und Zuhörer im Sitzungssaal ist erkennbar welche/r Abgeordnete/r die Unterbrechung des Livestreams gefordert hat. Auch der Inhalt des Redebeitrages ist ihnen bekannt. Zudem wird man nicht verhindern können, dass nach der Wiederaufnahme des Livestreams Abgehordnete zum Redebeitrag Stellung nehmen und hierbei auch den Namen nennen.

Insoweit bestehen keine Bedenken, dass die/der Vorsitzende die/den Abgeordnete/n namentlich aufruft und erst nach einem entsprechenden Antrag den Livestream unterbricht. Eine besondere Verfahrensweise zur Meldung, so dass die/der Vorsitzende ohne Nennung des Namens vorab erkennt, dass eine Unterbrechung des Livestreams gewünscht wird (z.B. Meldung mit einer farblichen Stimmkarte) wird nicht für erforderlich gehalten.

 

Einwilligung anderer Sitzungsteilnehmer/innen / Einwohnerfragestunde

In der Landtagsdrucksache zur Änderung des § 64 (LtDrs. 17/5423, S. 39) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelung nicht die Zulässigkeit von Film- und Tonaufnahmen von anderen Personen als den Mitgliedern der Vertretung regelt. Insbesondere Einwohnerinnen und Einwohner der Kommune oder ihre Bediensteten werden nicht erfasst. Bzgl. dieser Personenkreise sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Anforderungen zu beachten. So müssen Einwohnerinnen und Einwohner ausdrücklich einwilligen, dass ihre Redebeiträge im Internet veröffentlicht werden dürften. Die LtDrs. Verweist hierzu auf § 4 Abs. 1 Nr. 2 der bis 2018 gültigen Fassung des Nds. Datenschutzgesetzes vom 5.2.2002 (Nds. GVBl. S. 22). Diese Pflicht zur Einwilligung ergibt sich aus Sicht der Verwaltung auch aus der Nachfolgebestimmung (vgl. § 3 Satz 2 Nds. DatenschutzG i.V.m. Art. 6 Abs. 1a der Datenschutz-Grundverordnung).

Eine entsprechende Regelung trifft auch § 6 Abs. 3 der Hauptsatzung des Landkreises Cloppenburg.

 

Somit könnte wie folgt verfahren werden:

Bei Bediensteten, die ständig an Sitzungen teilnehmen könnte eine einmalige Zustimmung eingeholt werden, die dann auch für die nachfolgenden Sitzungen gilt, solange sie nicht wiederrufen wird. Um einen ständigen Widerruf der gesamten Erklärung zu vermeiden, wenn ein bestimmter Redebeitrag nicht veröffentlicht werden soll, könnte in der Erklärung, ein Widerspruchsrecht wie bei den Abgeordneten eingeräumt werden. Üben Bedienstete dieses aus, wird der folgende Redebeitrag nicht veröffentlicht.

Gleiches gilt für Sachverständige und andere Personen, die an der Sitzung oder zu einem bestimmten TOP an der Sitzung teilnehmen. Auch hier sollte vor der Sitzung eine schriftliche Einwilligung eingeholt werden, dass sie mit dem Streamen ihrer Redebeiträgt einverstanden sind. Durch die Verwendung von entsprechend vorbereiteten Erklärungen kann die Zustimmung dokumentiert werden.

 

Aus Gründen des Datenschutzes sollte auf die bildliche Darstellung des Zuschauerraumes verzichtet werden. Für eine entsprechende Darstellung wäre die vorherige Zustimmung der Besucherinnen und Besucher erforderlich. Sind diese nicht bereit, ihre Einwilligung zu geben, würden sie an der Sitzungsteilnahme gehindert werden, wenn diese Zustimmung verlangt wird. Diese Verfahrensweise könnte gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzung gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 NKomVG verstoßen, also gegen die klassische Saalöffentlichkeit. Es müsste diesen Besuchern dann auch eine Teilnahme an der Sitzung ermöglicht werden, ohne dass sie gefilmt werden. Sowohl das Filmen des Zuschauerraums als auch die Bereitstellung eines nicht gefilmten Teiles wäre mit zusätzlichen Aufwand verbunden.

 

Daher sollten in der Hauptsatzung geregelt werden, dass Einwohnerfragen allenfalls als Tonaufnahme im Internet wiedergegeben werden, wenn die/der Betroffene zustimmt. Die/der Kreistagsvorsitzende kann im Rahmen der Einwohnerfragestunde somit vorab klären, ob die/der Fragesteller/in mit einer Veröffentlichung des Tons im Internet einverstanden ist. Willig die/der Betroffene ein, kann das Mikrofon freigegeben werden, so dass die Frage im Sitzungssaal und im Internet zu hören ist. Lehnt die/der Fragesteller/in ab würde der Livestream wieder unterbrochen. Bevor der Landrat dann nach der Wiederaufnahme des Streams eine Antwort gibt, müsste er die Frage allerdings zunächst inhaltlich wiederholen damit die Zuschauer am PC der Antwort folgen können.

 

Rundfunklizenz

Eine Zulassung nach § 4 des Nds. Mediengesetzes ist aus Sicht der Verwaltung nicht erforderlich, da die entsprechenden Kriterien nicht vorliegen: mind. 20.000 Nutzerinnen und Nutzer (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 Nds. Mediengesetz), journalistische-redaktionelle Gestaltung und Sendeplan (§ 2 Nds. Mediengesetz i.V.m. § 2 Abs. 1 Medienstaatsvertrag).

Da der Livestream sich grds. an eine unbegrenzte Zahl von Nutzerinnen und Nutzern wendet, könnte in der Hauptsatzungsregelung zum Ausdruck gebracht werden, dass er vorrangig zur Information der Einwohnerinnen und Einwohnern eingerichtet wurde.

Zur Klarstellung der Erlaubnisfreiheit stellt die Landesmedienanstalt auf Antrag eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Nds. Mediengesetz).

 

Urheberrecht

Beim Livestreaming besteht die Gefahr, dass Sitzungen aufgezeichnet werden und Auszüge dann veröffentlicht werden.

Betroffene, die eine ungewollte Veröffentlichung ihres Beitrages verhindern wollen, können aufgrund ihrer Persönlichkeitsrechte selbst hiergegeben vorgehen.

 

Zu einem Mittschnitt aus dem Schweriner Kommunalparlament hat es offensichtlich auch ein Gerichtsverfahren gegeben, das von der Stadt Schwerin eingeleitet wurde. Das Urteil wurde bisher nicht veröffentlicht, aber es gibt im Internet hierzu Berichterstattungen. Hiernach könnte das Urheberrecht auch bei der aufzeichnenden Kommune liegen, so dass sie sich gegen eine ungewollte Veröffentlichung wehren kann.

Die Schweriner Hauptsatzung untersagt Dritten die Verwendung/Verarbeitung der Bild- und Tonaufnahmen. Aus der Internetberichterstattung geht hervor, dass das Urteil diese Hauptsatzungsregelung in Frage stellt und sich stattdessen auf das Urheberrecht bezieht.

Auch wenn die Satzungsregelung keine Rechtsgrundlage für ein Einschreiten gegen eine Veröffentlichung bildet, macht sie bereits deutlich, dass die betreffende Kommune keine weitere Veröffentlichung ihres Livestreams wünscht.

Vor diesem Hintergrund könnte auch der Landkreis Cloppenburg einen entsprechenden Hinweis in die Hauptsatzung aufnehmen.

 

 

Technische und organisatorische Möglichkeiten zur Umsetzung unter Berücksichtigung von Datenschutz und „Löschkonzept“

 

Eine technische und organisatorische Umsetzung des Live-Streaming der Kreistagssitzungen ist bei entsprechender Ergänzung der Hauptsatzung möglich.

 

Für eine Übertragung der Kreistagssitzung in das Internet – Livestream – ist die Installation entsprechender Technik erforderlich. Ob diese fest installiert oder von Sitzung zu Sitzung aufgebaut wird, hängt u.a. davon ab, mit welchem externen Dienstleister zusammengearbeitet wird.

Eine Umfrage bei verschiedenen mit dem Thema bereits befassten Landkreisen – es handelt sich dabei allesamt um räumlich weiter entfernte Landkreise - hat ergeben, dass regelmäßig das Rednerpult und ggf. noch die Vorsitzenden für die Übertragung abgefilmt werden. Dies bedeutet, dass eine Kamera gerichtet auf das Rednerpult zu installieren ist. Dieses ist gleichzeitig mit einem entsprechenden Mikrofon auszustatten.

Daneben sollte ein zweites Rednerpult eingerichtet sein. Dieses kommt zum Einsatz für alle Redebeiträge, die nicht übertragen werden sollen. Über den/die Vorsitzende/n bzw. ihre/seine Stellvertretung ist dann bei Bedarf darauf hinzuweisen, dass ein Redebeitrag folgt, der nicht übertragen wird. Das Mikrofon des gefilmten Rednerpults ist für diese Zeit auszuschalten.

 

Darüber hinaus erfolgen keine Übertragungen aus dem Sitzungsraum. Für alle Redebeiträge ist das Rednerpult zu nutzen.

Die/Der Vorsitzende bzw. ihre/seine Stellvertretung berücksichtigt, wenn Mitglieder der Vertretung eine Veröffentlichung ihrer Redebeiträge generell abgelehnt haben.

Damit sind die Anforderungen an den Datenschutz abgedeckt. Es erfolgt keine Filmaufnahme des Plenarsaales, auch der Zuschauerraum wird nicht erfasst.

Was das Thema Einwohnerfragestunde betrifft, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Für die Übertragung des Tons mit Einverständnis der/des Einwohners/Einwohnerin ist ein entsprechendes Mikrofon im Zuschauerraum erforderlich.

 

Das Streaming kann nicht mit eigenem Personal und eigener Technik geleistet werden. Hierfür stehen keine Kapazitäten zur Verfügung. Es ist vielmehr der Einsatz eines externen Dienstleisters erforderlich. Nach einer ersten Angebotseinholung würden sich Kosten bei einer Übertragung im beschriebenen Umfang auf rd. 2.400 EUR brutto pro Sitzung sowie ggf. einmaligen Ersteinrichtungskosten in Höhe von rd. 750 EUR brutto belaufen. Je nach Anforderungen und Ansprüchen könnend diese Beträge höher ausfallen.

 

Für das Streaming ist in jedem Fall die Nutzung eines Streamingdienstes erforderlich. Auf diesen kann per Link auf der Website des Landkreises verwiesen werden. Es ist auch ein Streaming über Youtube bzw. ein Überlassen des Streamings an den externen Dienstleister möglich. Dies sollte mit einem Dienstleister abgestimmt werden.

Chatmöglichkeiten werden nicht geschaffen.

 

Die Sitzungen des Kreistages werden live gestreamt, d.h. der Stream steht nur während der tatsächlichen Sitzungszeit zur Verfügung. Im Nachgang der Sitzung wird der Stream gelöscht, es ist damit kein Rückgriff als Video on Demand möglich. Eine Aufnahme oder das Abfilmen des Livestreams kann allerdings nicht verhindert werden.

 

Auswertungen der Zuschauerzahlen bei anderen Kreisen, ergaben, soweit vorhanden, eine durchschnittliche Nutzerzahl zwischen 10 bis 15 Zuschauenden pro gestreamter Sitzung.

 

 


 

 


Anlagenverzeichnis:

 

·         Ursprüngliche Vorlage zum Antrag der Gruppe FDP/BLC gemäß § 56 NKomVG – Digitalisierung der Kreistagsarbeit zur Vorlagen-Nr.: V-KA/22/702

·         Antrag der FDP-BLC Gruppe vom 11.02.2022 – Digitalisierung der Kreistagsarbeit