Beschlussvorschlag:
Der Sozialausschuss empfiehlt dem Kreistag die Bereitstellung von Finanzmitteln in Höhe von 287.000 Euro jährlich für die Jahre 2020-2022 für die 50 % Erstattung der Kosten, die den Städten und Gemeinden des Landkreises durch die soziale Betreuung von Ausländerinnen und Ausländern entstehen. Die Berechnung erfolgt nach einem Schlüssel von 1 : 1.500 (1 Sozialarbeiter für 1.500 Ausländerinnen und Ausländer).
Sachverhalt:
Entgegen
dem Trend der stark gesunkenen Zuweisungen von Asylbewerberinnen und
Asylbewerbern hat in den vergangenen Jahren die Zuwanderung von Menschen aus
dem Ausland in den Landkreis Cloppenburg stark zugenommen. Hier sehen wir eine
Verdoppelung der Zuwanderungszahlen von Dezember 2011 bis September 2018 und
mit Stand vom 04.09.2019 auf rund 19.000 Personen. Besonders der Zuzug von
Menschen aus den osteuropäischen EU-Ländern (Bulgarien, Rumänien, Polen,
Ungarn, Litauen, Lettland) in den Landkreis Cloppenburg ist stark angestiegen.
Waren
es im September 2018 noch ca. 8.000 Menschen aus der oben genannten
Personengruppe, die im Landkreis Cloppenburg lebten und arbeiteten, so waren es
im Mai 2019 bereits fast 11.000 Personen aus osteuropäischen EU-Staaten (siehe
anliegende Grafik: „Zusammenstellung der ausländischen Bevölkerung im
Landkreis“).
Staatsangehörigkeiten der
Ost-Europäerinnen und -europäer nach Alter und Geschlecht im Landkreis
Cloppenburg, Stand 01.05.2019
Staatsangehörigkeit |
Alter |
gesamt |
Geschlecht |
||||
0 bis 6 |
7 - 17 |
18 - 64 |
65 + |
männl. |
weibl. |
||
Rumänien |
385 |
306 |
4.453 |
12 |
5.156 |
3.324 |
1.832 |
Polen |
316 |
268 |
2.956 |
40 |
3.580 |
2.166 |
1.414 |
Ungarn |
64 |
71 |
971 |
4 |
1.110 |
714 |
396 |
Litauen |
50 |
34 |
359 |
3 |
446 |
234 |
212 |
Bulgarien |
40 |
47 |
274 |
2 |
363 |
202 |
161 |
Lettland |
37 |
34 |
274 |
1 |
346 |
202 |
144 |
gesamt |
892 |
760 |
9.287 |
62 |
11.001 |
6.842 |
4.159 |
Anzahl der
Arbeitsmigrant*innen in den Städten und Gemeinden des
Landkreises Cloppenburg:
(Polen, Rumänien, Bulgarien,
Ungarn, Lettland), Stand 01.05.2019
Gemeinde/Stadt |
Anzahl
Arbeitsmigrant*innen |
Barßel |
332 |
Bösel |
741 |
Cappeln |
462 |
Cloppenburg |
2.215 |
Emstek |
1.045 |
Essen |
1.314 |
Friesoythe |
1.095 |
Garrel |
1.210 |
Lastrup |
433 |
Lindern |
295 |
Löningen |
628 |
Molbergen |
595 |
Saterland |
608 |
Gesamt |
11.001 |
Besonders
häufig sind diese Menschen im Landkreis Cloppenburg in der Fleischindustrie
beschäftigt. Aber auch in Branchen wie dem Hotel- und Gastronomiegewerbe, in
der Landwirtschaft und in der Baubranche sind sie stark vertreten.
Mit
den Arbeits- und Lebensverhältnissen dieser Menschen befasst sich der Landkreis
bereits seit vielen Jahren. Mittlerweile sind Veränderungen in der
Lebenssituation vieler Arbeitsmigranten*innen zu erkennen. Immer häufiger holen
Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus den osteuropäischen EU-Staaten ihre
Familien inkl. Kinder aus den Herkunftsländern in den Landkreis nach
(01.05.2019 lebten insgesamt 1.600 Kinder und Jugendliche im Landkreis
Cloppenburg) um perspektivisch langfristig im Landkreis Cloppenburg zu bleiben.
Die
Verdienstmöglichkeiten vor Ort, auch unter häufig prekären Arbeitsbedingungen,
sind anscheinend um ein vielfaches höher als in den Herkunftsländern. Das
Augenmerk wird häufig vordergründig auf das „Geld verdienen“ gelegt. Die
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Deutschland findet in der Regel bislang
nicht oder nur in sehr geringem Umfang statt.
Die
Betreuung und die Förderung der Kinder und Jugendlichen in Kitas, Schulen oder
Ausbildung stehen bei einem Teil der osteuropäischen Zuwanderer nicht so sehr
im Fokus. Begriffe wie z.B. „Schulpflicht“ sind teilweise den Eltern nicht
bekannt. Häufig arbeiten beide Elternteile in der Industrie und die Kinder sind
viele Stunden am Tag auf sich alleine gestellt.
Ein
Großteil der Menschen spricht kein Deutsch oder verfügt nur über geringe
Deutschkenntnisse. Sie kennen sich mit den Gegebenheiten in Deutschland nur
bedingt aus. Ein Teil der Neuzugezogenen
aus Osteuropa verfügt über ein eher niedriges Bildungsniveau. Um an
entsprechenden Sprachkursen teilzunehmen, fehlt es ihnen häufig an Zeit,
Mobilität, finanziellen Mitteln oder an Motivation. Ein Teil der neuzugezogenen
Menschen aus Rumänien und Bulgarien (im Besonderen Angehörige der Sinti und der
Roma) gehörte bereits in ihren Herkunftsländern zu den bildungsfernen und
sozial benachteiligten Minderheiten und hat erfahrungsgemäß ein sehr großes
Misstrauen gegenüber Beratungsstellen, Ämtern und Behörden.
Diese
Menschen haben demnach einen gesonderten Beratungs- und Unterstützungsbedarf.
Sie müssen erst einmal Vertrauen zu den Beraterinnen und Beratern aufbauen, ehe
sie sich mit ihren Problemen jemandem anvertrauen. Hier ist eher eine
aufsuchende, proaktive Sozialarbeit nötig, die dort ansetzt, wo die Menschen
arbeiten, wohnen, die Kinder zu KiTa und Schule bringen.
Die
Stabsstelle Gleichstellung, Integration u. Demografie hat in zahlreichen
Gremien und Veranstaltungen rückgemeldet bekommen, dass die herkömmlichen
Beratungsstrukturen mit ihren Angeboten den Bedürfnissen der Ratsuchenden nicht
ausreichend nachkommen können. Zusätzliche Hilfs- und Beratungsangebote vor Ort
würden dringend benötigt. Es müssten weitere Angebote geschaffen werden,
möglichst niedrigschwellig, bedarfsorientiert, aufsuchend, muttersprachlich.
Es
kristallisiert sich somit im Zusammenhang mit der Integration der
neuzugezogenen Menschen aus Osteuropa immer mehr heraus, dass diese andere
Beratungsbedarfe haben und somit auch andere Beratungsstrukturen bedürfen.
Diejenigen,
die sich für eine Ausweitung des Beratungsangebotes für Ausländerinnen und
Ausländer und speziell für osteuropäische Arbeitsmigrant*innen aussprechen,
verknüpfen damit nachfolgende Anforderungen:
Zusätzliche
soziale Beratungs- und Unterstützungsangebote anders strukturieren:
·
Sozialarbeit
für geflüchtete Menschen in den Städten u. Gemeinden des Landkreises
Cloppenburg flächendeckend auf die Arbeitsmigrant*innen ausweiten (wird z. Zt.
nur von einzelnen Städten u. Gemeinden umgesetzt, daher in der Form nicht
ausreichend)
·
Sozialarbeit
nur für Arbeitsmigrant*innen einrichten
·
Zugang
zu Sprachfördermaßnahmen ermöglichen
·
Aufsuchende
Arbeit flexibel anbieten, weniger Angebote auf die „Komm Struktur“ ausrichten
·
Informationsveranstaltungen
für Gruppen durchführen
·
Muttersprachliches
Personal vorhalten oder den Einsatz von Sprachmittlern mit entsprechenden
Sprachkenntnissen erhöhen
·
Niedrigschwellige
Angebote / Hemmschwellen reduzieren
Die
sozialen Beratungs- u. Betreuungsinhalte für EU-Arbeitsmigrant*innen sind beispielweise
nachfolgende:
·
Ansprechperson, allgemeine soziale Beratung und
Betreuung im täglichen Leben
·
Ausführliche
Erklärungen zu deutschen Gesetzen und Regeln, ggfs. Vermittlung an
Rechtsberatungsstellen
·
Förderung des Spracherwerbs
·
Allgemeine Beratung in Fragen zur gesundheitlichen
Basisversorgung
·
Hinweise auf andere Beratungsstellen/Behörden und
deren Unterstützungsangebote (z. B. juristische Beratungsstelle für
Arbeitsmigrantinnen und -migranten, Sozialberatung, Schuldnerberatung,
Suchtberatung, Schwangerenberatung) und bei Bedarf Weitervermittlung
·
Unterstützung bei der Teilhabe an Bildung, Ausbildung,
Arbeit und Freizeitangeboten
·
Prüfung der Erfüllung der Schulpflicht bei Kindern und
Jugendlichen, ggfs. Vermittlung in passende Bildungssysteme, Unterstützung bei
Schulwechsel, Unterstützung bei der Prüfung und Anerkennung von
Bildungsabschlüssen und Zertifikaten
·
Unterstützung bei der Unterbringung in
Kindertagesstätten
·
Beratung zum Thema Wohnen, Umgang mit hiesigen Nachbarschaftsverhältnissen
·
Zusammenarbeit mit bzw. Initiierung und ggfs.
Begleitung von (ehrenamtlich) engagierten Personen und Institutionen
hinsichtlich der Betreuung und Teilhabe für Familien, die langfristig im
Landkreis Cloppenburg bleiben werden
·
Förderung von Akzeptanz und Toleranz zwischen
Zugewanderten und der einheimischen Bevölkerung
Nach
Auffassung der Kreisverwaltung können Fachkräfte speziell für soziale Beratung
der Ausländerinnen und Ausländer, hier besonders der Arbeitsmigrantinnen und
Arbeitsmigranten in den Städten und Gemeinden durchaus Sinn machen, vor allem
in den Kommunen, in denen sich diese Personen verstärkt angesiedelt haben. In
einigen Städten und Gemeinden werden die oben genannten Empfehlungen bereits
erfolgreich umgesetzt.
Das Thema
einer sozialen Beratung für Ausländerinnen und Ausländer wurde in der
Dienstbesprechung der Hauptverwaltungsbeamten am 2.9.2019 mit den
Bürgermeistern thematisiert und stieß dort auf positive Resonanz.
Der Landkreis Vechta beteiligt sich seit dem 01.07.2019 freiwillig in Höhe von 50 % an den Kosten, die den Städten und Gemeinden durch die soziale Betreuung von Ausländerinnen und Ausländern entstehen. Die Berechnung erfolgt nach einem Schlüssel von 1 : 1.500 (1 Sozialarbeiter für 1.500 Ausländerinnen und Ausländer). Würde dieses Verfahren vergleichbar im Landkreis Cloppenburg beschlossen und umgesetzt werden, entstünden Kosten in Höhe von ca. 287.000 Euro jährlich. Da für die soziale Betreuung qualifiziertes Personal einzustellen wäre, das über die nötige soziale und interkulturelle Kompetenz verfügt, erscheint ein Bewilligungszeitraum von 3 Jahren wünschenswert, um entsprechendes Personal gewinnen zu können.
PSP-Element (Produkt)
P1.111200
Anlagenverzeichnis:
1.
Grafik:
„Zusammenstellung der ausländischen Bevölkerung im Landkreis“
2.
Kostenermittlung
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter für Ausländerinnen und Ausländer