Sachverhalt:
Die
Gruppe GRÜNE/ UWG hat mit Schreiben vom 20.10.2019 die Verwaltung um
Darstellung gebeten, ob und unter welchen Umständen Kinder und Jugendliche in
ausländischen Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden und hat hierzu
detaillierte Fragen gestellt. Näheres ist dem beigefügten Antrag zu entnehmen.
Vorab
zur Information:
Bezüglich
der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen im Ausland gilt folgende
Vorschrift gemäß § 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) –
Kinder- und Jugendhilfe (Hilfe zur Erziehung): „Die Hilfe ist in der Regel im
Inland zu erbringen; sie darf nur dann im Ausland erbracht werden, wenn dies
nach Maßgabe der Hilfeplanung zur Erreichung des Hilfezieles im Einzelfall
erforderlich ist.“
Erziehungshilfe
im Ausland ist, betrachtet über alle Erziehungsmaßnahmen, die seltene Ausnahme.
Gleichwohl ist die Versorgung sogenannter „Systemsprenger“ nicht einfacher
geworden.
Lt.
Angaben des Landesjugendamtes gibt es derzeit rd. 18.000 Unterbringungen in
teil- und vollstationären Jugendhilfeeinrichtungen in Niedersachsen und davon
weniger als 100 im Ausland.
Zu
den gestellten Fragen im Einzelnen:
1.Vermittelt
das Jugendamt des Landkreises Cloppenburg Kinder und Jugendliche in
ausländische Einrichtungen?
Das
Jugendamt Cloppenburg hat folgende Hilfen zur Erziehung im Ausland gewährt:
-
von
Ende 2011 bis Mai 2012 für einen männlichen Jugendlichen in einer
Erziehungsstelle in Polen
-
von
Juli 2013 bis Oktober 2014 für einen männlichen Jugendlichen in Portugal und
letztmalig
-
von
Juli 2014 bis August 2015 für einen männlichen Jugendlichen in Polen.
Die
Jugendhilfeträger waren dem Jugendamt bereits vorher aus der Zusammenarbeit
bekannt. Des Weiteren war es von Vorteil, dass die Träger Mitglieder in einer
Arbeitsgruppe des Landesjugendamtes zu Auslandsmaßnahmen waren. Außerdem war
mit ihnen das Konsultations- und Zustimmungsverfahren für Auslandsmaßnahmen
nach entsprechender Vorgabe (Art. 56 der Verordnung (EG) Nummer. 2201/2003 des
Rates vom 27. November 2003 - sogenannte Brüssel IIa-Verordnung) verbindlich
abgestimmt worden.
Diese
Angebotsform der Erziehungshilfe wurde gewählt, weil die o.g. Jugendlichen von
den vorhandenen ambulanten, teil- und vollstationären Angeboten der Jugendhilfe
nicht mehr aufzufangen waren. Durch ihr häufig wiederkehrendes delinquentes
Verhalten stand ein Abrutschen in eine kriminelle Karriere unmittelbar bevor
oder sie waren durch permanentes Weglaufen pädagogisch nicht mehr erreichbar.
Seit
August 2015 wurden keine Auslandsmaßnahmen mehr durchgeführt.
2.
Wie werden die Sorgeberechtigten grundsätzlich an der Auswahl von
Jugendhilfeeinrichtungen für ihre Kinder beteiligt?
Es
werden keine Auslandsmaßnahmen ohne Einverständnis der sorgeberechtigten
Personen durchgeführt.
In
den genannten Fällen waren die Träger der Auslandsmaßnahmen den Eltern im
Vorfeld durch vorangehende Hilfen zur Erziehung bereits bekannt. Die Eltern
haben der Unterbringung zustimmt. Außerdem wurde ihnen die Möglichkeit
eingeräumt, die Kinder im Ausland zu besuchen, wovon zwei Elternpaare auch
Gebrauch machten. Die persönliche Inaugenscheinnahme der Lebensumstände des
Kindes durch die Eltern vor Ort war uns wichtig und wurde finanziell
unterstützt. Regelmäßige Telefonate, Schriftverkehr der Jugendlichen mit den
Eltern oder die Kontaktaufnahme über Skype waren ebenfalls möglich. Auch war
das Jugendamt Cloppenburg natürlich jederzeit ansprechbar.
3.
Wie werden Kinder und Jugendliche an der Auswahl von Jugendhilfeeinrichtungen
für sie beteiligt? Gibt es auch Unterbringungen gegen ihren Willen? Wenn ja, in
welchen Fällen?
In
den o.g. Fällen waren die Jugendlichen ebenso wie die Eltern einverstanden.
Die
Beendigungen der Auslandsmaßnahmen erfolgten wie folgt:
-
in
einem Fall auf Wunsch des Jugendlichen und Weiterführung der Hilfe in einer
inländischen Wohngruppe
-
in
einem Fall auf Wunsch der Eltern
-
in
einem Fall auf Initiative des Jugendamtes (Volljährigkeit, Bedarf an
therapeutischer Unterstützung, Rückkehr in den mütterlichen Haushalt)
4.
Gibt es für Kinder und Jugendliche in Jugendhilfeeinrichtungen ein Beschwerde-
und Ombudsmanagement? Wenn ja, wie sieht es aus?
In
der Regel haben alle freien Träger der Jugendhilfe im Rahmen ihres
Qualitätsmanagements ein Beschwerdeverfahren für untergebrachte Kinder und
Jugendliche eingerichtet.
So
waren in den o.g. durchgeführten Maßnahmen von den Jugendhilfeanbietern für die
Jugendlichen auch Ansprechpartner für Beschwerden benannt.
Weitergehend
kann diese Frage global nicht beantwortet werden, da jeder freie Träger der
Jugendhilfe individuell sein Leistungsangebot mit den entsprechenden Regelungen
mit dem örtlichen Jugendamt vereinbart. Im Landkreis Cloppenburg gibt es keinen
Jugendhilfeanbieter mit Auslandsmaßnahmen, mit dem eine derartige Vereinbarung
zu schließen war. Außerdem hat das Jugendamt Cloppenburg seit Mitte 2015 keine
Auslandsmaßnahmen mehr durchgeführt.
5.
Inwiefern unterscheiden sich die Standards in deutschen und ausländischen
Jugendhilfeeinrichtungen?
Es
gibt folgende verbindliche Vorschrift in § 78 SGB VIII:
Vereinbarungen
über die Erbringung von Hilfe zur Erziehung im Ausland dürfen nur mit solchen
Trägern abgeschlossen werden, die
- anerkannte Träger der
Jugendhilfe oder Träger einer erlaubnispflichtigen Einrichtung im Inland
sind, in der Hilfe zur Erziehung erbracht wird,
- mit der Erbringung solcher
Hilfen nur Fachkräfte betreuen und
- die Gewähr dafür bieten,
dass sie die Rechtsvorschriften des Aufenthaltslandes einhalten und mit
den Behörden des Aufenthaltslandes sowie den deutschen Vertretungen im
Ausland zusammenarbeiten.
Das
Landesjugendamt (LJA) erteilt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen,
einem Träger, der Auslandsmaßnahmen anbietet, eine Betriebserlaubnis gemäß § 45
SGB VIII in Verbindung mit § 48 a SGB VIII für den inländischen
Einrichtungsteil. Eine Betriebserlaubnis für Einrichtungsteile, die im Ausland
liegen, kann vom LJA nicht erteilt werden.
Aktuelle
Entwicklung betr. Auslandsunterbringungen:
Am
25.06.2019 hat der Rat der EU mit der erforderlichen Einstimmigkeit eine
Revision der Brüssel IIa-VO verabschiedet mit dem Ziel, das Verfahren zur
grenzüberschreitenden Unterbringung von Kindern klarer auszuformen sowie die
Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden zu fördern.
Niedersachsen bereitet aktuell mit
weiteren Bundesländern eine Bundesratsinitiative zur Heimaufsicht vor, mit der
Absicht der Neuregelung und Konkretisierung der Vorschriften zu Auslandsmaßnahmen
(u.a. halbjährliche Hilfeplanung vor Ort). Diese sollen künftig zu einer
Qualitätssteigerung beitragen.
Damit
einhergehend sollen mit der beabsichtigten SGB VIII-Reform gleichzeitig die
innerstaatlichen Voraussetzungen für die Durchführung von Auslandsmaßnahmen
weiter konkretisiert und verschärft werden.
6.
Wie verläuft die Qualitätssicherung bei ausländischen Trägern und
Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche aus dem Landkreis Cloppenburg
untergebracht sind?
In
den abgeschlossenen Fällen haben wir als Jugendamt mit dem Dienstleister
sorgfältige Absprachen über den Inhalt, den Umfang und die erwartete Qualität
der Leistung getroffen.
Ein
entscheidender Punkt in der Qualitätssicherung waren die regelmäßig alle 6
Monate stattfindenden Hilfeplangespräche gemäß §36 SGB VIII, an denen der
Jugendliche, die Eltern, das Jugendamt, weitere Fachkräfte und der
Jugendhilfeträger teilnahmen. Anlassbezogen wurde zeitlich davon abgewichen und
ein kürzerer Rhythmus vereinbart.
7.Gibt
es Anbieter der Jugendhilfe im Raum Weser Ems, die Elemente der sogenannten
Schwarzen Pädagogik anwenden?
(Anmerkung:
„Schwarze Pädagogik“ ist ein negativ wertender Sammelbegriff für
Erziehungsmethoden, die mit Gewalt und Einschüchterung arbeiten.)
Dem
Jugendamt sind keine Anbieter bekannt. Eine Belegung wäre aus unserer Sicht von
vorneherein ausgeschlossen. Zudem kann unterstellt werden, dass Anbieter mit
Konzepten, die „Elemente der schwarzen Pädagogik“ beinhalten, bereits an der
Erteilung einer Betriebserlaubnis durch die Heimaufsicht scheitern würden.
8.
Wird der Landkreis rechtlich, strukturell, informierend und beratend dabei
unterstützt, Träger auszuwählen und den Fragen von Problemen und Einordnung von
Trägern Rechtssicherheit und Qualitätsmanagementinformationen zu
berücksichtigen und zu erhalten?
Vor
jeder Belegung wird die Qualitäts-und Entgeltvereinbarung eingesehen. Weiter
wird für eine Recherche eines geeigneten Hilfeangebotes die Expertise von
Kolleginnen und Kollegen im ASD und den Jugendämtern vor Ort der Einrichtung
eingeholt und sich ein persönlicher Eindruck vom Einrichtungsträger verschafft.
Die angefragten Träger entscheiden im Vorfeld zudem für sich selbst, ob sie
sich in der Lage sehen, den geforderten Hilfebedarf zu decken.
Weitergehende
Unterstützung bietet das LJA im Rahmen ihrer beratenden Tätigkeit als
Heimaufsicht und erlaubniserteilende Behörde.
Bezüglich
des durchzuführenden Konsultations- und Zustimmungsverfahrens kann das
Bundesamt für Justiz als deutsche Zentrale Behörde nach der Brüssel IIa-VO
unterstützend tätig werden. An dieses kann das Ersuchen bezüglich der
ausländischen Unterbringung gerichtet werden, welches die Weiterleitung an die
ausländische Zentrale Behörde übernimmt.
Anlagenverzeichnis:
Antrag
der Gruppe GRÜNE/ UWG vom 20.10.2019