Sachverhalt:
Die
SPD-Kreistagsfraktion hat mit Schreiben vom 20.03.2019 folgendes beantragt:
- Prüfung der Teilnahme am Programm „Präventionsketten
in Niedersachsen“
- Erhebung verlässlicher Zahlen der im
Landkreis Cloppenburg in Armut lebenden Kindern und Jugendlichen
- Aufzeichnung der bisherigen Programme,
Beratungsangebote etc. zur Bekämpfung der Kinderarmut im Landkreis
Cloppenburg
- Umsetzung notwendiger und erforderlicher
Maßnahmen gegen Kinderarmut.
Näheres
ist dem beigefügten Antrag zu entnehmen.
Informationen
zum Förderprogramm „Präventionsketten Niedersachsen: Gesund aufwachsen für alle
Kinder!“
Die
Landeskoordinierungsstelle, angesiedelt bei der Landesvereinigung für
Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. unterstützt mit
dem o.g. Programm Kommunen finanziell und inhaltlich beim Auf- und Ausbau von
Präventionsketten. Ziel ist es, die Entwicklungs- und Teilhabechancen
aller Kinder bis zu zehn Jahren,
unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, umfassend in den Bereichen Gesundheit,
Soziales, Kulturelles und Materielles zu fördern.
Das
Programm setzt an der Benachteiligung von Kindern durch Einkommensarmut an.
Diese stellt die kommunalen Verwaltungen vor die Herausforderung, im Rahmen der
gegebenen Möglichkeiten Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für benachteiligte
Kinder und Familien zu initiieren und umzusetzen bzw. das breite Spektrum der
Maßnahmen unterschiedlicher Träger entsprechend wirksam und nachhaltig zu
koordinieren. Auf kommunaler Ebene kann dies durch fachübergreifende
Zusammenarbeit und kontinuierlichen fachlichen Austausch erfolgen. Ziel ist die
Zusammenführung der kommunalen Netzwerke, die ausgerichtet sind auf die
Förderung, Unterstützung, Beratung, Bildung, Betreuung, Partizipation von
Kindern und Familien sowie zum
Kinderschutz.
Weiteres
bitte ich dem beigefügten Informationsblatt zu entnehmen.
Erhebung
von verlässlichen Zahlen der im Landkreis Cloppenburg in Armut lebenden Kindern
und Jugendlichen
Lt.
des Deutschen Bundestages gibt es keine einheitliche, verbindliche Definition
von „Kinderarmut“.
Die
relative Einkommensarmut nimmt zumeist Bezug auf eine Definition der
Europäischen Union, nach der Haushalte als arm gelten, deren Einkommen weniger
als 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens beträgt.
Der
politisch-normative Ansatz nimmt dagegen Bezug auf politisch definierte
Existenzminima, deren Unterschreiten einen Anspruch auf staatliche
Unterstützung begründet (Hilfeleistungen nach SGB II und SGB XII).
Hierzu
können folgende Daten und Statistiken geliefert werden:
a)
Datenspiegel des Landkreises Cloppenburg
Die
Arbeitslosenquote ist seit 2005 kontinuierlich gesunken und betrug im Februar
2019 im Landkreis Cloppenburg 4,3 % (Zum Vergleich: Niedersachsen = 5,3%,
Deutschland = 5,3%).
b)
Im Landkreis Cloppenburg betrug nach dem Landesamt für
Statistik der Anteil der Kinder im Alter von 0 -15 Jahren zum Stichtag
31.12.2016 16,7 % (27.665 Personen) an
der Gesamtbevölkerung (165.930 Personen). Der Anteil der Kinder im Alter von 0
– 10 Jahren betrug 10,7 % (17.780 Kinder).
c)
Nach dem Statistikteil der Handlungsorientierten
Sozialberichterstattung Niedersachsen wird die „bekämpfte“ Armut als das Ausmaß
der Abhängigkeit von staatlichen Mindestsicherungsleistungen bezeichnet. 2018
lag die Quote nicht erwerbsfähiger bis unter 15-jähriger Personen in
Bedarfsgemeinschaften nach SGB II im Juni 2016 im Landkreis Cloppenburg unter
11% der Bevölkerung. Damit gehörte der Landkreis Cloppenburg statistisch
gesehen zu den
14 Landkreisen in Niedersachsen mit der geringsten Kinderarmut (SGB II).
d)
SGB II-Empfänger unter 15 Jahren (Statistik Bundesagentur für Arbeit):
2016 3.008 Kinder
2017 2.918 Kinder
2018 2.606 Kinder
e)
SGB XII-Empfänger unter 15 Jahren ohne Asylbewerber (aktuelle Erhebung des
Kreissozialamtes)
2016 52 Kinder
2017 53 Kinder
2018 43 Kinder
f)
SGB XII-Empfänger unter 15 Jahren nur Asylbewerber (aktuelle Erhebung des
Kreissozialamtes)
2016 462 Kinder
2017 254 Kinder
2018 222 Kinder
g)
Kinder unter 15 Jahren im Wohngeldbezug (aktuelle Erhebung des Kreissozial-
amtes)
2016 3.179 Kinder
2017 3.144 Kinder
2018 2.921 Kinder
Aufzeichnung
der Unterstützungsangebote für Kinder und Familien
Die
Bekämpfung der Kinderarmut ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher gibt
es diesbezüglich verschiedenste Unterstützungsangebote seitens des Bundes, des
Landes, der Kommunen, der Wohlfahrtsverbände sowie Vereine, Verbände,
Stiftungen.
1) Gesetz zur zielgenauen
Stärkung von Familien und ihren Kinder durch die Neugestaltung des
Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe
(Starke-Familien-Gesetz)
Mit
diesem aktuell beschlossenen Gesetz wird ein Beitrag zur Verringerung der
Kinderarmut geleistet durch:
- Verbesserungen und Erhöhungen des
Kinderzuschlags (von 170 EUR auf 185 EUR)
- Wegfall des Eigenanteils am
gemeinschaftlichen Mittagessen in Schulen und Kindergärten
- Erhöhung des „Schulstarterpakets“ von 100
EUR auf 150 EUR
- Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben
(„Vereinsbeitrag“) – Erhöhung von 10 EUR auf 15 EUR und zukünftige
Pauschalierung
- Vereinfachung bei der Antragstellung bei
den Bildungs- und Teilhabeleistungen
- Verbesserte Voraussetzungen für die
Gewährung von Lernförderung
Durch
das bisherige Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) haben in den letzten 3 Jahren
rd. 13.000 Kinder Unterstützung in den Bereichen Schul- und
Kindergartenausflüge, mehrtägige Klassenfahrten, Schulbedarf,
Schülerbeförderung, Lernförderung, Mittagsverpflegung und soziale/ kulturelle
Teilhabe wie z.B. Vereinsbeiträge erhalten. Hierfür wurden für diesen Zeitraum
Mittel in Höhe von rd. 8,45 Millionen EUR aufgewandt.
2) Über Familienförderprogramme
etc. des Bundes und des Landes wurden u.a. folgende Maßnahmen im Landkreis
Cloppenburg installiert:
- Familienerholungsurlaube,
Familienfreizeiten, Freizeitangebote für junge Familien (Landesförderung
für Familien mit geringem Einkommen über die Wohlfahrtsverbände)
- Der Elternratgeber für Familien
- Die Willkommensbesuche durch das
Gesundheitsamt mit Unterstützungsmöglichkeiten durch
Kinderkrankenschwestern (Klick CLack)
- Familienhebammen
- Netzwerk Frühe Hilfen
(Netzwerkkoordinatorin im Jugendamt)
- Patenprojekte für Flüchtlingsfamilien
- Beitragsfreiheit für den Kindergartenbesuch
(Land Niedersachsen)
- Beitragsfreiheit für die Kindertagespflege
analog zur Beitragsfreiheit für den Kindergartenbesuch
- Sprachförderung in Kindergärten
- Elterntalk (Landesprogramm als
unterstützendes Angebot für Eltern)
3)
Weitere Unterstützungsmöglichkeiten und Beratungsangebote:
- Frühförderung (über das Kreissozialamt)
- Hilfen zur Erziehung
- Schulsozialarbeit an Grundschulen
(freiwillige Leistung des Landkreises)
- Gesundheitsregion Cloppenburg (Entwicklung
von kommunalen Strukturen und innovativen Projekten, die eine
bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung zum Ziel haben)
- Babylotsenprojekt (SkF Cloppenburg)
- Familienpaten (SkF Cloppenburg)
- Hausaufgabenbetreuung (Mehrgenerationenhaus
SkF Cloppenburg)
- Schwangerschaftsberatung
- Elternkurse
- Verschiedene Präventionsprojekte (DKSB
Cloppenburg, anteilige Finanzierung durch den Landkreis Cloppenburg, u.a.
Familienwochenenden)
- Mutter-Kind-Kuren (Beratung über die
Wohlfahrtsverbände)
- Nummer gegen Kummer/ Elterntelefon
- Unterstützungsangebote durch die
Kinderärzte im Landkreis Cloppenburg
- Netzwerk Familienzentrum Schwedenheim
(Diakonie)
- Familienservicebüros in Cloppenburg und
Emstek
- Bekleidungsangebote (Wohlfahrtsverbände)
- Ambulante Erziehungshilfen (Kreisjugendamt)
- Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern
(SkF Cloppenburg)
- Unterstützung für Kinder aus Trennungs- und
Scheidungsfamilien (DKSB CLP)
- Angebote für Familien mit
Migrationshintergrund (verschiedene Anbieter)
4) Hilfen/ finanzielle
Unterstützungen durch die kreisangehörigen Städte/ Gemeinden:
- Barßel: Bürgerstiftung Stöppkes – Verein
für bedürftige Kinder und Jugendliche in der Gemeinde Barßel e.V.)
- Bösel: Familienförderung
(Baukostenzuschuss)
- Cappeln: Familienförderung (verschiedene
Unterstützungen)
- Cloppenburg: Bürgerstiftung Cloppenburg,
Familienförderung/ Familienpass (verschiedene Unterstützungen)
- Emstek: Bürgerstiftung Gemeinde Emstek/
Familienbesucherinnendienst/ familienunterstützende Leistungen
- Essen: familienunterstützende Leistungen/
Bauförderung/ Familienserviceleistungen
- Friesoythe: Familienförderung/ Familienpass/Hermann-König-Stiftung/
Verein: „Jedem Kind eine Chance“ e.V.
- Garrel: Bürgerstiftung „Lüttke Lüe“
- Lastrup: Familienpass/ Vergünstigungen in
der Gemeinde/ Bauförderung/ Verein „Bürger für Bürger Lastrup e.V.“
- Lindern: Familienförderung im Rahmen von
Wohnungsbau
- Löningen: Familienpass
5) Weitere finanzielle
Unterstützungen:
- Unterhaltsvorschuss
- Private Stiftungen (über den Bezirksverband
Oldenburg)
- Vergünstigungen über Vereine und Verbände
Überlegungen
zur Teilnahme am Programm „Präventionsketten Niedersachsen“
Die
Verwaltung des Landkreises Cloppenburg hat sich bereits im letzten Jahr
ämterübergreifend intensiv mit dem Landesprogramm „Präventionsketten in
Niedersachsen“ auseinandergesetzt und über eine Teilnahme beraten. Letztlich
wurde entschieden, die Stelle der Netzwerkkoordination Frühe Hilfen
stundenmäßig aufzustocken, um die sinnvolle Zielsetzung des o.g. Programms zu
erfüllen.
Hierzu
ein Auszug aus der Vorlage zur Nachbesetzung der vakant gewordenen Stelle der
Netzwerkkoordination Frühe Hilfen:
„Inhalt
dieser Stelle war in der Vergangenheit insbesondere die Vernetzung des
Jugendamtes mit externen Stellen, wie z.B. Ärzten, Kindergärten, Schulen und
Anbietern von ambulanten, teil- und vollstationären Hilfen, um allen Kindern
gute Startchancen und ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen. Im Rahmen der
Neuorganisation der Aufgaben in diesem Bereich ist es Ziel, die schon
bestehenden Strukturen auch innerhalb des Landkreises noch besser aufeinander abzustimmen.
Aus diesem Grund soll die ämterübergreifende Kooperation eingeführt werden,
damit Doppelstrukturen vermieden werden. Geplant ist hier eine Vernetzung der
Arbeit des Gesundheitsamtes, des Sozialamtes, des Schul- und Kulturamtes und
der Stabstelle Gleichstellung, Integration und Demografie unter Federführung
des Jugendamtes. Primär soll ein Hilfesystem anhand des Lebenslaufs des Kindes
entwickelt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gerade Familien mit
Migrationshintergrund bei den jetzigen Strukturen kaum erreicht werden.
Grundsätzlich
gibt es die Möglichkeit, eine Förderung des zusätzlichen Aufwandes durch das
Förderprogramm „Präventionsketten in Niedersachsen: Gesund Aufwachsen in
Niedersachsen“ zu erhalten. Dieses Programm beinhaltet lediglich eine
Teilfinanzierung von bis zu 40.000 EUR für insgesamt drei Jahre. Voraussetzung
ist die Schaffung mindestens einer halben zusätzlichen Stelle. Die hierfür
entstandenen Kosten können mit der Förderung nicht abgedeckt werden. Außerdem
beinhaltet die Teilnahme am Projekt einen hohen Evaluationsaufwand.
Der
Landkreis hat sich daher dazu entschlossen, an diesem Projekt nicht
teilzunehmen und stattdessen den Stellenumfang im Bereich der
Netzwerkkoordination Frühe Hilfen von 19,5 auf 30 Wochenstunden zu erhöhen.“
Der
Kreisausschuss hat dem entsprechend am 12.06.2018 zugestimmt. Die Stelle wurde
öffentlich ausgeschrieben und zum 01.11.2018 mit Frau Rebecca Kündiger besetzt.
Neben
der Kontaktaufnahme zu den bestehenden Netzwerkpartnern, Organisation der ersten
Netzwerktreffen, Erarbeitung von regelmäßigen Newslettern wird als großes
Projekt im Rahmen einer Gemeinschaftsarbeit mit anderen Ämtern eine Übersicht
über die Hilfen in jeder kreisangehörigen Gemeinde/ Stadt erstellt. Darin
sollen u.a. die regionale Vernetzung und die Gestaltung der Übergänge
(Krippe/Kita/Schule) dargestellt und mögliche Verbesserungen auf den Weg
gebracht werden. In diesem Zuge soll unter dem Motto „Gut aufwachsen im
Landkreis Cloppenburg – Was braucht es dazu?“ ein Regionalinventar aller
Angebote für werdende Eltern und Familien mit Kindern erstellt werden. Neben
der Vernetzung der Akteure sollen die Zugänge zu den Angeboten flächendeckend
bekannt gemacht werden. Sofern vorhanden, werden etwaige Angebotslücken
aufgedeckt und können entsprechend bearbeitet werden. Das Ziel, allen Kindern
im Landkreis Cloppenburg den gleichen Zugang zu Bildung und Teilhabe zu
ermöglichen soll so – auch im Sinne der Ziele der Präventionsketten –
ganzheitlich realisiert werden. Dies erfolgt als erstes in Zusammenarbeit mit
der Gemeinde Essen/Oldenburg und soll langfristig auf alle Kommunen ausgedehnt
werden.
Die
Ziele der Präventionsketten sollen somit auf diese Art verfolgt werden, wobei
aber gleichzeitig Doppelstrukturen vermieden werden.
Dementsprechend
spricht sich die Verwaltung weiterhin dafür aus, an dem Programm
„Präventionsketten in Niedersachsen“ nicht teilzunehmen.
Anlagenverzeichnis:
- Antrag
der SPD-Kreistagsfraktion vom 20.03.2019
- Infoblatt
über das Förderprogramm „Präventionsketten“
- Informationen
zum Bereich der Frühen Hilfen (Internetseite)