Beschlussvorschlag:
Der Sozialausschuss beschließt, dem Kreistag zu
empfehlen:
1. Von der
Schaffung einer „Welcome-App“ für Migrant_innen im Landkreis Cloppenburg wird
abgesehen.
2. Das Leitbild
für Integration für den Landkreis Cloppenburg mit den entsprechenden Leitlinien
wird unter der Beteiligung des Netzwerkes Integration und der Politik
aktualisiert.
3. Der Landkreis führt den Dialog mit Flüchtlingen, Migrant_innen und ehrenamtlich Engagierten fort. Zusätzliche diesbezügliche Dialogveranstaltungen werden bei Bedarf initiiert.
Sachverhalt:
Die
Gruppe der Grünen/UWG hat mit Schreiben vom 29.01.2018 einen Antrag zur
Weiterentwicklung der Willkommenskultur im Landkreis Cloppenburg gestellt. Zur
Weiterentwicklung der Willkommenskultur sollen laut Antrag nachfolgende drei
Projekte umgesetzt werden:
1.
Es wird eine „Welcome-App“ für Migrant_innen im
LK Cloppenburg geschaffen.
Zur
Begründung ist in dem Antrag der Grünen/UWG folgendes ausgeführt:
„Viele
Migrant_innen haben Zugang zu einem Smartphone oder Computer. Daher ist eine
App für sie ein niedrigschwelliges Angebot zur Integration. Mit Hilfe der App
sollen Migrant_innen an die sie unterstützenden Institutionen (z. B. Caritas,
Integrationslotsen etc.) herangeführt werden. …“
Seit
Beginn des verstärkten Zuzuges von geflüchteten Menschen in die BRD im Herbst
2015 sind unzählige, die Integration unterstützende, Informationsportale und
Apps von öffentlicher und privater Hand entstanden. Auf einer Sitzung der
„Kooperativen Migrationsarbeit Niedersachsen“ im November 2017 im Cloppenburger
Museumsdorf wurde dieses Thema umfangreich behandelt. Die als Diskussionsgrundlage
herangezogene Studie der TU Berlin „Mediennutzung durch Flüchtlinge, vor
während und nach der Flucht“ vom Oktober 2016 ergab, dass für einen Großteil
der Flüchtlinge das Internet oder ein Smartphone auf der Flucht unersetzlich
sind. Über diese Medien wird Kontakt zur Familie gehalten, Übersetzungen werden
abgerufen und es finden Organisations –und Informationsaustausche statt. Mehr
als 80 % der Flüchtlinge gaben an, dass sie während der Flucht das Internet
genutzt haben. Bevorzugt wurden dabei Messenger Dienste wie WhatsApp und
Facebook-Gruppen genutzt. Informationen über klassische Kanäle wie
Nachrichtendienste oder Organisationsseiten wurden eher misstrauisch
aufgenommen. Nach der Ankunft
in Deutschland sticht in dieser Studie besonders der hohe Stellenwert der
interpersonellen
Kommunikation für die Flüchtlinge
hervor. Interpersonal vermittelte Informationen genießen
bei allen Befragten das größte Vertrauen. Informationen aus dem Fernsehen, aber auch dem Internet abseits persönlicher Kontakte wird dagegen relativ wenig Vertrauen entgegengebracht.
Nach
Meinung von Forschungsinstituten wird die Medienkompetenz von Flüchtlingen
häufig überschätzt. Überwiegend werden persönliche Kontakte über Messenger
Dienste und den Austausch in geschlossenen Facebook-Gruppen durchgeführt.
Für
die Flüchtlingshilfe ist die Power der sozialen Netzwerke spätestens seit 2015
z.B. im Bereich der Ehrenamtskoordination für die breite Öffentlichkeit
deutlich geworden. Immer mehr Angebotsplattformen und Helfer-Gruppen schossen
wie Pilze aus dem Boden. Seither wurden unzählige Apps und Hilfeseiten
entwickelt.
Zuwanderern,
die sich einen ersten Überblick über die Gegebenheiten in Deutschland
verschaffen wollen, steht die App vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge)
„Ankommen“ zur Verfügung. Diese gilt als seriös und informativ. Über die App
erhalten neuzugewanderte Menschen alle wesentlichen Informationen direkt auf
das Smartphone, um sich bei den ersten Schritten in einer neuen Umgebung
zurechtzufinden. Ein Internet Zugang ist dafür nicht erforderlich.
Über
die App sind auch Informationen zu Anlaufstellen in der „neuen“ Stadt oder
Gemeinde (z.B. Ausländerbehörde, Migrationsberatungsstellen,
Integrationslotsen) erhältlich. Die App erhält Informationen zum Asylverfahren,
zum Arbeitsmarktzugang und zum Alltag in Deutschland. Das Kapitel „Leben in
Deutschland“ greift alltägliche Themen auf, wie zum Beispiel das deutsche
Bildungssystem, medizinische Versorgung, Migrationsberatungsdienste, Verhalten
im Straßenverkehr, usw. Des Weiteren wird auch das politische und rechtliche
System in Deutschland, die Religionsfreiheit und die Gleichberechtigung von
Frau und Mann behandelt. Zusätzlich ist ein kostenloser, multimedialer
Sprachkurs integriert, um erste Basisbegriffe zu erlernen.
Bislang
haben fünf Städte oder Landkreise in Niedersachsen eine individuelle, regionale
Willkommens-App konzipiert und installiert (Landkreis Göttingen, Stadt
Göttingen, Landkreis Harburg, Landkreis Peine, Landkreis Rotenburg (Wümme)).
Im Landkreis
Cloppenburg wurde bereits 2015 mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem
Netzwerk für Integration (NWI)ein Willkommensordner
für Neuzugewanderte zusammengestellt. Diese Informationen zur Erstorientierung
sind in 6 unterschiedlichen Sprachen erhältlich. Zielsetzung ist, den
Zugewanderten einen ersten, leicht verständlichen und unkomplizierten Überblick
über alle wichtigen Anlaufstellen in ihrer neuen Umgebung zu verschaffen. Für
die Bestückung und Verteilung der Willkommensordner ist die Koordinierungsstelle
Migration und Teilhabe in der Kreisverwaltung zuständig. Die Zuführung der
Ordner an die Adressatinnen und Adressaten erfolgt über die Sozialämter der
Städte und Gemeinden im LK Cloppenburg, die zuständigen Sozialarbeiterinnen und
Sozialarbeiter, die Integrationslotsen etc.
Als
ergänzende Informationsquellen im Bereich Bildung für Neuzugewanderte stehen
seit Oktober letzten Jahres eine kontinuierlich aktualisierte
Sprachkursdatenbank sowie die Info-Broschüre „Bildungsangebote für Neuzugewanderte
im Landkreis Cloppenburg“ auf der Internetseite des Landkreises Cloppenburg zur
Verfügung.
Eine
weitere Maßnahme im Rahmen der Willkommenskultur war die Installierung von
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in den Städten und Gemeinden, die für
die Betreuung der dezentral untergebrachten Flüchtlinge zuständig sind. Durch
diese erhalten die geflüchteten Menschen vor Ort u.a. Unterstützung bei
Behördengängen, bei der Kontaktaufnahme zu Migrationsberatungsstellen,
Arztbesuchen, Bildungseinrichtungen, Ehrenamt etc..
Mit
diesen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter finden seither regelmäßige
Austauschtreffen in der Kreisbehörde statt. In den Sitzungen werden unter der
Leitung der Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe u. a. Problematiken
aufgegriffen, Bedarfe und Anliegen der Geflüchteten zusammengetragen und
bearbeitet, Integrationsbedarfe offengelegt und Abstimmungsprozesse erarbeitet,
damit eine landkreiseinheitliche Verfahrensweise umgesetzt wird.
Fazit:
Die
Stabsstelle Gleichstellung, Integration und Demografie hält die Installierung
einer Welcome-App für Migrantinnen und Migranten im LK Cloppenburg für nicht
erforderlich. Recherchen zur Thematik haben ergeben, dass bislang 5 Städte und
Landkreise in Niedersachsen eine Welcome-App zur Verfügung gestellt haben und
diese zum größten Teil nicht in dem erhofften Umfang genutzt wird. Außerdem
wird der Zeitpunkt zur Einrichtung einer Welcome-App als verspätet erachtet.
Seit Oktober 2017 sind so gut wie keine neuen Zuweisungen von geflüchteten
Menschen in den Landkreis Cloppenburg mehr erfolgt. Seit Beginn 2018 trafen
insgesamt 11 neuzugewiesene Personen im Landkreis Cloppenburg ein, von denen
vier Kinder waren. Selbst wenn die Zuzugszahlen wieder steigen sollten, stehen
momentan genügend Ressourcen und Instrumente zur Verfügung, um die
Neuzugewanderten dann im Sinne einer Willkommenskultur zu begleiten. Bislang
gemachte Erfahrungen zeigen, dass der (Erst)kontakt idealerweise immer über
eine persönliche und fachliche Beratung stattfinden sollte. Migrations- und
Integrationsberatungsstellen, etablierte Verbände, die Sozialarbeiterinnen und
Sozialarbeiter und ergänzend auch Ehrenamtliche vor Ort sollten hier auch
weiterhin erste Anlaufstellen für Migrantinnen und Migranten sein.
2.
Das Leitbild für Integration für den
Landkreis Cloppenburg mit den entsprechenden Leitlinien wird aktualisiert.
Im Jahr 2000 bildete sich
erstmals ein Gremium aus qualifizierten Fachkräfte, um gemeinsam
unterschiedliche Unterstützungs- und Beratungsangebote im Landkreis Cloppenburg
zur Thematik Migration und Integration zusammen zu fassen. Das war die
Entstehung des Netzwerkes für Integration (NWI). Im Zuge dieses
Integrationsprozesses ist über die Jahre eine bunte Trägerlandschaft im Landkreis entstanden. Sie setzt sich
zusammen aus ehrenamtlichem bürgerschaftlichen Engagement, professionellen
Angeboten der freien Wohlfahrt und kommunalen Stellen mit unterschiedlicher
Erfahrung in der Integrationsarbeit (Bildungsträger,
Migrationsberatungsstellen, Jobcenter, Agentur f. Arbeit, Behörden,
Migrantenselbstorganisationen, Polizei, Städte u. Gemeinden etc.).
Das
NWI arbeitet bis heute an den
vielfältigen Integrationsaufgaben im Landkreis Cloppenburg.
Das Leitbild und die
Leitlinien zur Migration und Integration im Landkreis Cloppenburg (siehe
Anlage) wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des NWI im Jahre 2008
erarbeitet und der Politik vorgelegt. Im selben Jahr erfolgte dazu ein
zustimmender Kreistagsbeschluss.
Auf der letzten Sitzung vom
Netzwerk für Integration, am 21.03.2018, wurde beschlossen, die Leitlinien und
das Leitbild zur Integration und Migration im Landkreis Cloppenburg zu
überarbeiten und zu aktualisieren. Hierfür haben sich einzelne Teilnehmerinnen
und Teilnehmer des NWI zur Verfügung gestellt. Interessierte aus den Reihen der
Politik sind ebenfalls eingeladen, sich an der Überarbeitung zu beteiligen.
3.
Der Landkreis führt Dialogveranstaltungen für
Flüchtlinge, Migrant_Innen und ehrenamtlich Engagierte durch.
Eine
Kernaufgabe der Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe (Ko-Stelle MuT) ist
die Unterstützung aller beteiligten Akteure, die sich mit der Thematik
Migration und Integration im Landkreis Cloppenburg befassen. In den vergangenen
Jahren wurde über diese Stelle eine diesbezüglich übersichtliche und gut
organisierte Netzwerkstruktur im Landkreis Cloppenburg geschaffen.
Selbstverständlich
ist es auch Aufgabe der Ko-Stelle MuT, Dialogveranstaltungen mit den
zuständigen Hilfsorganisationen zu planen und durchzuführen.
Die
Kreisverwaltung hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Ko-Stelle MuT auf lokaler
Ebene die vor Ort tätigen Akteurinnen und Akteure bei der Schaffung einer
chancengerechten Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in allen
kommunalen und gesellschaftlichen Bereichen unterstützt.
Wie
anfangs als eine Maßnahme zur Willkommenskultur beschrieben, stehen die
geflüchteten Menschen im Landkreis Cloppenburg in regelmäßigem Kontakt mit den
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern aus den Städten und Gemeinden, dem Integrationslotsenverein,
den Migrationsberatungsstellen, Schulen, KiTas, den Ehrenamtlichen vor Ort
etc.. Diese Institutionen und die dahinter stehenden Personen stehen tagtäglich
in direktem persönlichen Kontakt mit den Geflüchteten und haben ein offenes Ohr
für ihre Anliegen, Wünsche und Probleme. Durch das eng geknüpfte Netz an
themenbezogenen Kooperationen zwischen der Koordinierungsstelle Migration und
Teilhabe, der Bildungskoordinatorin und der Sprachförderkoordinatorin des
Landkreises werden die Belange der Geflüchteten kontinuierlich in die
Verwaltung zurück gespiegelt und finden in den Planungen zur Integration
umfassend Berücksichtigung. Die Mitarbeiterinnen der Stabsstelle
Gleichstellung, Integration und Demografie haben darüber hinaus vielfache persönliche
Kontakte zu Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund, sei es durch
persönliche Beratung, durch den Besuch von Maßnahmen, durch die Durchführung,
oder die Beteiligung an der Durchführung, von Informationsveranstaltungen und
Workshops.
Als
eine besondere Form des Dialoges mit geflüchteten Menschen im Landkreis
Cloppenburg ist die Erstellung einer Masterarbeit zum Thema „Angebote im
Landkreis Cloppenburg für Geflüchtete“ zu werten, die sich mit einer
persönlichen Befragung den Bedarfen und der Effizienz der Integrationsarbeit im
Landkreis Cloppenburg widmet. Sie ist Teil eines Forschungsprojekts des
Lehrgebiets Community Psychology an der FernUniversität in Hagen. Die
einleitenden Worte des Frageleitfadens spiegelt die Intention der Forschungsarbeit
wider.
„Herzlich
willkommen bei der Befragung „Angebote im Landkreis Cloppenburg für
Geflüchtete“!
Ich
danke Ihnen für Ihr Interesse an dieser Befragung zum Thema „Angebote im
Landkreis Cloppenburg“. Die Befragung wird durchgeführt, um Ihnen in Bezug auf
die Thematik eine Stimme zu geben. Auf Basis Ihrer Angaben entsteht eine neue
Sichtweise auf bestehende Angebote sowie ihre Effizienz. Organisationen,
Bildungsträgern, Vereinen, Wohlfahrtsverbänden und der Verwaltung kann somit
ermöglicht werden, mithilfe der verschiedenen Angebote ganz gezielt auf Ihre
Wünsche und Bedürfnisse einzugehen.“ Die Ergebnisse dieser Arbeit werden der
Integrationsarbeit im Landkreis aller Voraussicht nach neue Impulse geben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle Beteiligten auch zukünftig, die Bedarfe und die Effizienz der angestoßenen Integrationsmaßnahmen im Austausch mit der Zielgruppe überprüfen werden. Auch weiterhin wird der von der Gruppe Grüne/UWG gewünschte Dialog mit Flüchtlingen, Migrant_innen und ehrenamtlich Engagierten fortgeführt werden.
Finanzierung:
Anlagenverzeichnis:
Antrag
der Gruppe Grüne/UWG vom 29.01.2018
Leitlinien und Leitbild Integration