Beschlussvorschlag:
Der Sozialausschuss empfiehlt dem Kreistag, den Antrag der Gruppe GRÜNE/UWG vom 03.02.2018 abzulehnen.
Sachverhalt:
Bezug:
Beschluss des Kreistages am 21.06.2016 (Vorlage:
V-SOZ/16/057)
Die Gruppe
GRÜNE/UWG stellt mit Schreiben vom 03.02.2018 erneut den Antrag, dass der
Landkreis Cloppenburg zum nächstmöglichen Zeitpunkt durch einen Beitritt zur
Rahmenvereinbarung des Landes Niedersachsen mit den Landesverbänden der
Gesetzlichen Krankenversicherungen die elektronische Gesundheitskarte für
Flüchtlinge einführt (Anlage).
Das
Thema wurde bereits im Sozialausschuss am 10.05.2016 und im Kreistag am
21.06.2016 (TOP 7; Vorlagen-Nr. V-SOZ/16/057) erörtert. Der Kreistag lehnte
seinerzeit den Antrag ab. Der Kreistag empfahl der Kreisverwaltung, die
Umsetzung - insbesondere die Erfahrungen anderer Kommunen - im Auge zu behalten
und im folgenden Jahr darüber dem Sozialausschuss zu berichten.
In
der Sitzung des Sozialausschusses am 04.05.2017 wurde von der Verwaltung dazu
wie folgt berichtet (TOP 8. Mitteilungen, Auszug):
„Amtsleiterin
Schröder teilte mit, dass in Niedersachsen bislang nur eine Kommune die
Gesundheitskarte für Asylbewerber eingeführt habe; dies sei die Stadt
Delmenhorst. Dort sei die Einführung aber auch erst zum Jahresbeginn 2017
erfolgt, so dass ein Erfahrungsbericht noch nicht vorliege. Im Übrigen
bestünden landesweit weiterhin die im vergangenen Jahr benannten Bedenken.“
Soweit
zur bisherigen Diskussion.
Die Rechtslage sowie die Praxis der Sozialämter der
kreisangehörigen Städte und Gemeinden haben sich in den vergangenen zwei Jahren
nicht geändert. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird diesbezüglich auf die
Vorlage: V-SOZ/16/057 verwiesen.
Zum Stichtag 31.03.2018 bezogen 198 Asylbewerber
Leistungen nach § 3 AsylbLG. Dieser Personenkreis käme für die Gesundheitskarte
grundsätzlich in Fragen. Dabei ist noch zu beachten, dass aufgrund der hohen
Anerkennungsquote (geschätzt) rd. 50 % kurzfristig aus dem Leistungsbezug
ausscheiden und dann ALG II vom Jobcenter erhalten. Es bleiben aktuell somit
noch rd. 100 Personen für die eine Gesundheitskarte ausgestellt werden könnte.
Die Gruppe GRÜNE/UWG verweist in ihrem Antrag auf
positive Erfahrungen anderer Verwaltungen und hat in ihrem Antrag die
Internet-Fundstellen angeführt.
Zu den von der Gruppe GRÜNE/UWG dargelegten
Erfahrungen anderer Verwaltungen wird Folgendes angemerkt:
Zu Fundstelle 1:
Die Darstellung des Nds. MS ist bereits seit 2016
bekannt und konnte die Kommunen bislang nicht überzeugen.
Für den Landkreis Cloppenburg sind folgende Ausführungen des Nds. MS nicht
zutreffend: „jeder
Arztbesuch und der Behandlungsumfang muss im Vorfeld genehmigt werden und
dadurch ist der Verwaltungsaufwand - nach Ansicht des Gesundheitsministeriums -
deutlich höher“.
Die Behandlungsscheine werden im Landkreis
Cloppenburg in der Regel für ein Quartal ausgestellt.
Zu Fundstelle 2:
Der Bericht des Hamburger Abendblattes datiert vom
31.01.2016. Die Argumentation aus Hamburg ist über 2 Jahre alt und war bereits
bei den vorangegangenen Diskussionen bekannt. Die Erfahrungen eines
Stadtstaates lassen sich nicht auf die Landkreisebene mit 13 Städten und
Gemeinden übertragen.
Zu Fundstelle 3:
Die im Ärzteblatt angeführten guten Erfahrungen
lesen sich in der Vorlage für den Sozialausschuss der Stadt Düsseldorf (Sitzung
am 15.03.2017, Vorlage 50/5/2017, Seite 4 von 10, Ratsinformationssystem) nicht
ganz so positiv.
Hier einige Auszüge:
„Weil bis zum
31. Januar 2017 lediglich unvollständige Abrechnungsdaten zum 2. und 3.
Abrechnungsquartal des Jahres 2016 zur Verfügung stehen, kann zum jetzigen
Zeitpunkt weder Auskunft zu den tatsächlichen finanziellen Auswirkungen des
erweiterten Leistungsumfangs noch ein Vergleich zur Höhe der Aufwendungen vor
Einführung der eGK vorgenommen werden.
Eine
Reduzierung des kommunalen Personalaufwandes konnte nach Einführung der eGK aus
unterschiedlichen Gründen bisher nicht erreicht werden.“
Zu Fundstelle 4:
Die Vorlage für die Sitzung des Hauptausschusses
der Stadt Remscheid am 07.12.2017 (Drucksache 15/4308; Ratsinformationssystem)
zeigt erste positive Ansätze auf. Wie bei der Stadt Düsseldorf liegen noch
keine Zahlen für 2017 vor.
Hier einige Auszüge:
„Die erste Auswertung spricht
dafür, dass die Gesundheitsvorsorge wirtschaftlicher geworden ist. So lagen die
durchschnittlichen Kosten pro Person bei der eGK, bezogen auf die Verwaltungs-
und Leistungsausgaben im 4. Quartal 2016 um 27,40 € unter den
durchschnittlichen Kosten des Jahres 2015.
Die Stadt Delmenhorst hat als einzige Kommune in
Niedersachsen die Gesundheitskarte zum 01.01.2017 eingeführt. Die dortigen
ersten Erfahrungen lassen sich wie folgt zusammenfassen (Telefonat mit dem
zuständigen Sachbearbeiter am 26.04.2018):
In der Anfangsphase – im Januar 2017 – mussten ca.
600 Karten ausgestellt werden. Mittlerweile hat sich die Anzahl der
Gesundheitskarten auf rd. 80 verringert.
Die größte Herausforderung bei der Einführung sei
es gewesen, die verschiedenen EDV-Programme (Sozialamt, Ausländerzentralregister,
Krankenkasse) kompatibel zu machen. Hinsichtlich des Personalaufwandes sei ein
Anstieg – so die bisherige Schätzung – nicht festzustellen gewesen.
(Anmerkung:
Im Landkreis Cloppenburg wären die Sozialämter von 13 Städten und Gemeinden
EDV-technisch anzubinden. Hier ist ein erheblich höherer Aufwand zu erwarten.)
Zu den Aufwendungen für die Krankenhilfe konnte die
Stadt Delmenhorst noch keine Auskunft geben. Es lag bislang lediglich die
Abrechnung für das erste Quartal 2017 vor. Ein Vergleich zu den Kosten vor
Einführung der Gesundheitskarte ist in Delmenhorst somit noch nicht möglich.
Probleme habe in vielen Fällen die Umstellung der
Krankenhilfe nach 15 Monaten nach der Einreise verursacht. Spätestens nach 15
Monaten werden die Asylbewerber als Betreute gem. § 264 SGB V bei einer
Krankenkasse angemeldet (mit freier Wahl der Krankenkasse, neuer Anmeldung
usw.). Dieser Wechsel sei oft nur schwer vermittelbar gewesen.
(Anmerkung: Hinzu kommen die vorzeitigen Umstellungen bei den
Krankenkassen wegen der Anerkennung als Flüchtling. In diesen Fällen erfolgt
mit der Bewilligung von ALG II vom Jobcenter die Anmeldung in der gesetzlichen
Krankenversicherung.)
Auch in Delmenhorst stand die Befürchtung im Raume,
dass es Fälle geben könne, in denen die Ärzte die Einschränkungen hinsichtlich
des Behandlungsumfanges nach dem AsylbLG nicht eingehalten haben könnten. Da
die Krankenkasse nicht verpflichtet sei dies zu prüfen, könne es hier zu
Mehrkosten kommen.
Die Verwaltung wertet die vorliegenden Berichte
sowie die Erfahrungen der Stadt Delmenhorst nicht als überzeugende
Argumentation dafür, von der bisherigen ablehnenden Haltung abzuweichen. Hinzu
kommen erste Beispiele für die Abschaffung der Gesundheitskarte in NRW, wo von
396 Kommunen insgesamt nur 23 der dortigen Rahmenvereinbarung beigetreten
waren.
Der Rat der Stadt Oberhausen hat in seiner Sitzung
am 27.11.2017 beschlossen, den Austritt aus der Rahmenvereinbarung mit dem Land
zur elektronischen Gesundheitskarte zu erklären
In der Vorlage zur Sitzung (Drucksache
B/16/3008-01; Ratsinformationssystem) wird dazu u.a. ausgeführt:
Im Haushaltsjahr 2015 - vor Einführung der eGK - beliefen sich
die durchschnittlichen Krankenhilfekosten auf 170 €/mtl. pro Flüchtling.
Nach Auswertung des kompletten Kalenderjahres 2016 belaufen sich
die
Brutto-Krankenhilfekosten (…….) auf rd. 212,50 Euro pro Flüchtling/mtl.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass aus den genannten
Gründen, die Einführung der eGK nicht zu der gewünschten Entlastung der
Verwaltung geführt hat. Vielmehr sind fachbereichsübergreifend eine Vielzahl
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusätzlich mit der eGK befasst.
Insbesondere Flüchtlinge, bei denen sich die Ausstellung der eGK verzögerte,
haben bei Vorsprache geäußert, dass das „Altverfahren“ als weniger kompliziert
wahrgenommen wurde.
Soweit die Auszüge aus der Vorlage der Stadt
Oberhausen.
Die Stadt Moers hat ebenfalls zum 31.12.2017 die
Vereinbarung mit dem Land NRW bezüglich der Gesundheitskarte gekündigt. Weitere
Kündigungen in NRW sind von der Stadt Wermelskirchen sowie der Stadt
Sprockhövel bekannt geworden.
Der Nds. Landkreistag hat auf Anfrage im März 2018
mitgeteilt, dass er an seiner bisherigen ablehnenden Auffassung festhält.
Zusammenfassung:
Es mag teilweise positive Erfahrungen zur
Einführung der Gesundheitskarte für Asylbewerber geben. Die Ausführungen der
Stadt Oberhausen bestätigen aber nachdrücklich die hier bestehenden
Befürchtungen.
Die Verwaltung sieht derzeit keinen hinreichenden
Grund, die Gesundheitskarte einzuführen. Die Bewilligung der Krankenhilfe für
Asylbewerber ist im Landkreis Cloppenburg nach wie vor gesichert.
Die Verwaltung ist aber weiterhin bereit, die Umsetzung - insbesondere die Erfahrungen anderer Kommunen – zu beobachten und bei geänderten Erkenntnissen erneut darüber zu berichten.
Finanzierung:
Anlagenverzeichnis:
Antrag vom 03.02.2018