Kreistagesabgeordneter Kolde
fasste den Inhalt des Antrags vom 20.03.2019 eingangs zusammen und führte aus,
dass die Kreistagsfraktion der SPD sich im Vorfeld der Antragstellung mit dem
Programm „Präventionsketten“ befasst habe. Dabei sei die Fraktion zu der
Auffassung gekommen, dass dieses Thema für den Landkreis Cloppenburg als nach
wie vor kinderreichster Landkreis in Deutschland wichtig sei. Kinder würden
auch im Landkreis Cloppenburg über mehrere Jahre in Armut leben, weshalb die
Frage zu stellen sei, ob und wie Hilfen überhaupt bei Kindern ankämen. Aus
diesem Grunde beantragte Kreistagesabgeordneter Kolde die Teilnahme an dem
Programm.
Erster Kreisrat Frische
verwies auf die Vorlage zum Tagesordnungspunkt, welche eine umfassende
Auflistung vielfältigster Hilfen mit den diversen, rechtlichen Grundlagen
beinhalte. Ferner erörterte Erster Kreisrat Frische, dass sich vor 1 ½ Jahren
mehrere Ämter der Kreisverwaltung, u.a. das Gesundheitsamt, das Kreissozialamt,
das Jugendamt und die Stabstelle Gleichstellung, Migration und Teilhabe bereits
mit dem Programm „Präventionsketten“ intensiv auseinander gesetzt hätten.
Ergebnis der damaligen Analyse der Inhalte des Programms „Präventionsketten“
war, dass eine Aufstockung der Stelle der Netzwerkkoordinatorin „Frühe Hilfen“
sinnvoller sei, als die Schaffung einer bürokratischen Doppelstruktur durch ein
parallel laufendes Programm. Dieses habe der Kreisausschuss auch so
beschlossen. Erster Kreisrat Frische betonte, dass durch sämtliche in der
Vorlage aufgeführten Hilfsangebote und der erfolgten Erweiterung der
Koordinierungsstelle des Netzwerkes „Frühe Hilfen“ im Landkreis Cloppenburg vom
Säuglingsalter bis zum jungen Heranwachsenden ein lückenloses Hilfesystem
vorgehalten werde.
Kreistagesabgeordneter
Kolde dankte für die Vorlage. Diese sei ein großes Zahlenwerk, welches viel
Arbeit bereitet habe dürfte, jedoch sei Einiges zu kritisieren. Die Vorlage
beziehe sich zu einseitig auf den Leistungsbezug nach dem Zweiten
Sozialgesetzbuch (SGB II) als Indikator für Kinderarmut, wobei zu wenig
berücksichtigt werde, dass die Fast-Vollbeschäftigung im Landkreis Cloppenburg
maßgeblich auf den Niedriglohnsektor zurückzuführen sei. Auch daraus resultiere
Kinderarmut, so Kreistagesabgeordneter Kolde. Darüber hinaus enthalte die
Vorlage auch falsche Angaben, bspw. sei der Familienpass in Friesoythe längst abgeschafft.
Kreisverwaltungsoberrätin
Lottmann erklärte, dass man bei den Städten und Gemeinden eine Abfrage gemacht
habe und insoweit von aktuellen, verlässlichen Angaben ausgegangen sei.
Erster
Kreisrat Frische bekräftigte eindringlich, dass es im Landkreis Cloppenburg zur
Bekämpfung der Kinderarmut ein lückenloses Netz von Angeboten gäbe. Sofern die
SPD-Kreistagsfraktion konkrete Defizite sehen würde, müssten diese ebenso
konkret benannt werden. Ein Vorwurf gegen die Unternehmen des Niedriglohnbereiches,
welche den gesetzlichen Mindestlohn zahlten, sei in diesem Zusammenhang
ebenfalls als pauschale Behauptung zurückzuweisen. Zu der Frage, wer für die
Beseitigung vermeintlicher Defizite bei der Bekämpfung von Kinderarmut
zuständig sei, müsste auch die jüngsten gesetzlichen Verbesserungen im Bereich
Unterhaltsvorschuss, Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag im Rahmen diverser
Gesetzesnovellierungen, u.a. des jüngst in Kraft getretenen sog.
Starke-Familien-Gesetz zur Kenntnis genommen werden. Zu dem Anwurf, im
Kreisgebiet werde mit eigenen Förderungen zu zentral im Raum Cloppenburg der
Kinderarmut entgegengewirkt, erinnerte Erster Kreisrat Frische daran, dass
bereits Anfang der 1990er Jahre die Jugendarbeit auf die Städte und Gemeinden
übertragen worden sei. Dort müsse man dann im Nordkreis ggf. mehr fordern. Die
pauschale Behauptung, die Kreisverwaltung forciere hier ein Nord-Süd Gefälle,
sei unrichtig und werde zurückgewiesen.
Kreistagsabgeordneter
Schmidt konstatierte, dass der Antrag insgesamt beschämend sei, da dieser
suggeriere, dass bspw. Lehrer und Lehrerinnen, Erzieher und Erzieherinnen in
den Schulen und Kitas Handlungsbedarfe nicht sähen und mittelständische
Unternehmen Kinderarmut mit verschulden würden. Dies stimme so nicht.
Kreistagsabgeordnete
Thomée richtete die Frage an das beratende Mitglied, Herrn Kuszak in dessen
Eigenschaft als Schulleiter, wie effektiv nach eigener Erfahrung mit ggf.
vorhandenen Defiziten umgegangen werde.
Herr
Kuszak nahm Bezug auf seine verschiedenen, früheren beruflichen Tätigkeiten und
betonte, dass die Beratungs- und Unterstützungssysteme im Landkreis Cloppenburg
im Vergleich gut funktionieren würden.
Herr
Thedering berichtete aus seiner Perspektive als langjähriger Beobachter
sozialer Gegebenheiten im Landkreis Cloppenburg von einer positiven Entwicklung
auch über die genannten gesetzlichen Leistungen hinaus. Beispielhaft führte
Herr Thedering die Essensausgabe in Einrichtungen, das Engagement von Vereinen
und Kirchen mit ihren
Unterstützungsleistungen (Beispiel Kleiderkammer) insbesondere für Menschen,
welche sich nicht unmittelbar auf dem Radar der Behörden befänden, an.
Nichtsdestotrotz sei es dort, wo es Kinderarmut gäbe aus Gründen der Scham der
Betroffenen oftmals schwierig, Verbesserungen zu bekommen. Es sei aber durchweg
positiv, dass auf dem Land Vereine, Kirchen und Verbände eine Solidarität
lebten.
Erster
Kreisrat Frische bestätigte diese Einschätzung für den Bereich Vereinswesen mit
einem konkreten Beispiel aus einem Sportverein, in welchem er als Vorstand
aktiv sei.
Kreistagsabgeordnete
Hollah dankte für die detailierte Aufstellung der Hilfsangebote in der Vorlage
und gab zu Bedenken, dass das Programm „Präventionsketten“ inhaltlich schwer zu
beurteilen sei. Die neu zu schaffende Stelle solle Lücken im Hilfesystem
aufdecken bzw. bestehende Netzwerke engmaschiger machen. Ferner sei die im
Rahmen des Programms neu zu schaffende Stelle auf drei Jahre befristet,
obgleich mit der Netzwerkkoordinatorin „Frühe Hilfen“ beim Jugendamt so eine
Stelle bereits auf Dauer angelegt sei. Da die Netzwerkkoordinatorin im
Jugendhilfeausschuss ebenfalls berichten werde, sähe Kreistagsabgeordnete
Hollah keinen Anlass dafür, diesen Bericht nicht abzuwarten.
Kreistagsabgeordnete Hollah sah sich zu einer Entscheidung über den von
Kreistagsabgeordneten Kolde gestellten Antrag vor diesem Hintergrund nicht
bereit und empfahl der SPD-Kreistagsfraktion die Antragsrücknahme.
Frau
Dr. Neumann ordnete ergänzend ein, dass es seitens der Kreisverwaltung
seinerzeit für sinvoller erachtet worden sei, die Stelle der
Netzwerkkoordinatorin „Frühe Hilfen“ auch deshalb aufzustocken, weil die
Teilnahme am Programm „Präventionsketten“ mit einem signifikanten Eigenanteil,
hohen Evaluationsaufwand und letztlich mit einem Zuschuss verbunden sei,
welcher nicht einmal eine halbe Stelle realisiert hätte.
Kreistagsabgeordnete
Nüdling merkte an, dass durch die Vorlage deutlich gemacht werde, wie viele
Angebote es im Landkreis tatsächlich gäbe. Sie wolle dafür sensibilisieren, wie
man diese Angebote, insbesondere die Erstvermittlung von Hilfen, bei Menschen
im Niedriglohnsektor bekannter machen könne.
Aus
eigener Erfahrung berichtete Kreistagsabgeordnete Hollah, dass eine
Erstvermittlung von Hilfen bei Geburten im Kreisgebiet bereits mit den sog. „Neuerdenbürger-Besuchen“
im Rahmen des Programms „Klick-Clack“ des Gesundheitsamtes initiiert würde.
Generell würde die umfangreiche Broschüre „ElternRat“ dabei ausgegeben. Hiervon
profitierten in der Folge alle Bürger und es würden u.a. Möglichkeiten zur Integration
für Migranten eröffnet (Beispiel Krabbelgruppe).
Kreistagsabgeordnete
Nüdling bezweifelte, ob der „ElternRat“ auch langfristig in allen Haushalten
aufbewahrt werde. Es gehe um Menschen an der Schwelle der finanziellen Zuschüsse
und wie man bei der Gruppe mehr Positives erreichen könne.
Herr
Fangmann berichtete in diesem Kontext, dass die Beratungsstelle des
Caritas-Sozialwerkes genau für dieses Klientel, welches jenseits der Schwelle
einschlägiger Sozialleistungsansprüche stehe, arbeite. Dort beobachte man
aktuell einen Beratungsanstieg bei Familien aus Rumänien. Dies sei eine
Zielgruppe.
Erster
Kreisrat Frische erörterte, dass man seitens der Kreisverwaltung diese
Entwicklung mit den einhergehenden Problematiken erkannt habe und dieses aktiv
angehe.
Kreistagsabgeordneter
Kolde dankte nochmals für die ausgearbeitete Vorlage zu dem Thema und stellte
einordnend klar, dass er bei seiner Kritik am Niedriglohnsektor nicht sämtliche
Mittelständler des Landkreises, sondern vielmehr einschlägige Betriebe der
Fleischbranche meinte. Er befand die Diskussion als sehr gut und hielt fest,
dass es sich bei dem Antrag der SPD-Kreistagsfraktion an die Verwaltung um
einen Prüfantrag gehandelt habe. Zwar sei die SPD-Kreistagsfraktion nach Beschäftigung
mit dem Programm „Präventionsketten“ zu der Einschätzung gelangt, dass es sich
um ein zielgerichtetes Programm zur Bekämpfung von Kinderarmut handele. Ferner
sei er auch jetzt nicht zu 100% von der Nichtteilnahme überzeugt. Vor dem
Hintergrund der in der Diskussion insgesamt ausgetauschten Argumente zog
Kreistagsabgeordneter Kolde den Antrag auf Teilnahme an dem Projekt
„Präventionsketten“ zurück.
Kreisverwaltungsoberrätin
Lottmann merkte mit Bezug auf die Diskussion an, dass sie bei der Auflistung
der vielen Hilfsangebote in der Vorlage keine Garantie auf Vollständigkeit
geben könne. Es sei nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt worden,
was im Landkreis an Hilfesystemen abrufbar sei. Ferner sei es auch schwer
gewesen, den Begriff „Kinderarmut“ mangels einheitlicher Definition entkoppelt
von Leistungsbezügen nach SGB II und XII zu umschreiben. Aus Gründen der
Vollständigkeit wies sie abschließend darauf hin, dass die Frist zur Teilnahme
am Programm „Präventionsketten“ am 30.06.2019 enden werde.
Die hier vorgetragenen Diskussionspunkte werden zur Berücksichtigung an Frau Kündiger als Netzwerkkoordinatorin „Frühe Hilfen“ weitergeleitet. Diese werde über ihre Arbeit in der übernächsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses berichten.