Betreff
Antrag der SPD-Kreistagsfraktion – Strategien für eine verbesserte Familienpolitik und Maßnahmen gegen Kinderarmut
Vorlage
V-JHA/19/141
Art
Sitzungsvorlage

 

 


Sachverhalt:

Die SPD-Kreistagsfraktion hat mit Schreiben vom 20.03.2019 folgendes beantragt:

  1. Prüfung der Teilnahme am Programm „Präventionsketten in Niedersachsen“
  2. Erhebung verlässlicher Zahlen der im Landkreis Cloppenburg in Armut lebenden Kindern und Jugendlichen
  3. Aufzeichnung der bisherigen Programme, Beratungsangebote etc. zur Bekämpfung der Kinderarmut im Landkreis Cloppenburg
  4. Umsetzung notwendiger und erforderlicher Maßnahmen gegen Kinderarmut.

 

Näheres ist dem beigefügten Antrag zu entnehmen.

 

Informationen zum Förderprogramm „Präventionsketten Niedersachsen: Gesund aufwachsen für alle Kinder!“

Die Landeskoordinierungsstelle, angesiedelt bei der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e.V. unterstützt mit dem o.g. Programm Kommunen finanziell und inhaltlich beim Auf- und Ausbau von Präventionsketten. Ziel ist es, die Entwicklungs- und Teilhabechancen aller  Kinder bis zu zehn Jahren, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, umfassend in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Kulturelles und Materielles zu fördern.

Das Programm setzt an der Benachteiligung von Kindern durch Einkommensarmut an. Diese stellt die kommunalen Verwaltungen vor die Herausforderung, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für benachteiligte Kinder und Familien zu initiieren und umzusetzen bzw. das breite Spektrum der Maßnahmen unterschiedlicher Träger entsprechend wirksam und nachhaltig zu koordinieren. Auf kommunaler Ebene kann dies durch fachübergreifende Zusammenarbeit und kontinuierlichen fachlichen Austausch erfolgen. Ziel ist die Zusammenführung der kommunalen Netzwerke, die ausgerichtet sind auf die Förderung, Unterstützung, Beratung, Bildung, Betreuung, Partizipation von Kindern und Familien  sowie zum Kinderschutz.

Weiteres bitte ich dem beigefügten Informationsblatt zu entnehmen.

 

 

Erhebung von verlässlichen Zahlen der im Landkreis Cloppenburg in Armut lebenden Kindern und Jugendlichen

Lt. des Deutschen Bundestages gibt es keine einheitliche, verbindliche Definition von „Kinderarmut“.

 

Die relative Einkommensarmut nimmt zumeist Bezug auf eine Definition der Europäischen Union, nach der Haushalte als arm gelten, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens beträgt.

 

Der politisch-normative Ansatz nimmt dagegen Bezug auf politisch definierte Existenzminima, deren Unterschreiten einen Anspruch auf staatliche Unterstützung begründet (Hilfeleistungen nach SGB II und SGB XII).

 

Hierzu können folgende Daten und Statistiken geliefert werden:

 

a)     Datenspiegel des Landkreises Cloppenburg

Die Arbeitslosenquote ist seit 2005 kontinuierlich gesunken und betrug im Februar 2019 im Landkreis Cloppenburg 4,3 % (Zum Vergleich: Niedersachsen = 5,3%, Deutschland = 5,3%).

 

b)     Im Landkreis Cloppenburg betrug nach dem Landesamt für Statistik der Anteil der Kinder im Alter von 0 -15 Jahren zum Stichtag 31.12.2016  16,7 % (27.665 Personen) an der Gesamtbevölkerung (165.930 Personen). Der Anteil der Kinder im Alter von 0 – 10 Jahren betrug 10,7 % (17.780 Kinder).

 

c)     Nach dem Statistikteil der Handlungsorientierten Sozialberichterstattung Niedersachsen wird die „bekämpfte“ Armut als das Ausmaß der Abhängigkeit von staatlichen Mindestsicherungsleistungen bezeichnet. 2018 lag die Quote nicht erwerbsfähiger bis unter 15-jähriger Personen in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II im Juni 2016 im Landkreis Cloppenburg unter 11% der Bevölkerung. Damit gehörte der Landkreis Cloppenburg statistisch gesehen zu den
14 Landkreisen in Niedersachsen mit der geringsten Kinderarmut (SGB II).

 

d) SGB II-Empfänger unter 15 Jahren (Statistik Bundesagentur für Arbeit):

2016                3.008 Kinder

2017                2.918 Kinder

2018                2.606 Kinder



e) SGB XII-Empfänger unter 15 Jahren ohne Asylbewerber (aktuelle Erhebung des Kreissozialamtes)

2016                52 Kinder

2017                53 Kinder

2018                43 Kinder

 

f) SGB XII-Empfänger unter 15 Jahren nur Asylbewerber (aktuelle Erhebung des Kreissozialamtes)

2016                462 Kinder

2017                254 Kinder

2018                222 Kinder

 

g) Kinder unter 15 Jahren im Wohngeldbezug (aktuelle Erhebung des Kreissozial-
amtes)

2016                3.179 Kinder

2017                3.144 Kinder

2018                2.921 Kinder

 

 

Aufzeichnung der Unterstützungsangebote für Kinder und Familien

Die Bekämpfung der Kinderarmut ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher gibt es diesbezüglich verschiedenste Unterstützungsangebote seitens des Bundes, des Landes, der Kommunen, der Wohlfahrtsverbände sowie Vereine, Verbände, Stiftungen.

 

1)      Gesetz zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kinder durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (Starke-Familien-Gesetz)

Mit diesem aktuell beschlossenen Gesetz wird ein Beitrag zur Verringerung der Kinderarmut geleistet durch:

  • Verbesserungen und Erhöhungen des Kinderzuschlags (von 170 EUR auf 185 EUR)
  • Wegfall des Eigenanteils am gemeinschaftlichen Mittagessen in Schulen und Kindergärten
  • Erhöhung des „Schulstarterpakets“ von 100 EUR auf 150 EUR
  • Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben („Vereinsbeitrag“) – Erhöhung von 10 EUR auf 15 EUR und zukünftige Pauschalierung
  • Vereinfachung bei der Antragstellung bei den Bildungs- und Teilhabeleistungen
  • Verbesserte Voraussetzungen für die Gewährung von Lernförderung

 

Durch das bisherige Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) haben in den letzten 3 Jahren rd. 13.000 Kinder Unterstützung in den Bereichen Schul- und Kindergartenausflüge, mehrtägige Klassenfahrten, Schulbedarf, Schülerbeförderung, Lernförderung, Mittagsverpflegung und soziale/ kulturelle Teilhabe wie z.B. Vereinsbeiträge erhalten. Hierfür wurden für diesen Zeitraum Mittel in Höhe von rd. 8,45 Millionen EUR aufgewandt.

 

 

2)      Über Familienförderprogramme etc. des Bundes und des Landes wurden u.a. folgende Maßnahmen im Landkreis Cloppenburg installiert:

  • Familienerholungsurlaube, Familienfreizeiten, Freizeitangebote für junge Familien (Landesförderung für Familien mit geringem Einkommen über die Wohlfahrtsverbände)
  • Der Elternratgeber für Familien
  • Die Willkommensbesuche durch das Gesundheitsamt mit Unterstützungsmöglichkeiten durch Kinderkrankenschwestern (Klick CLack)
  • Familienhebammen
  • Netzwerk Frühe Hilfen (Netzwerkkoordinatorin im Jugendamt)
  • Patenprojekte für Flüchtlingsfamilien
  • Beitragsfreiheit für den Kindergartenbesuch (Land Niedersachsen)
  • Beitragsfreiheit für die Kindertagespflege analog zur Beitragsfreiheit für den Kindergartenbesuch
  • Sprachförderung in Kindergärten
  • Elterntalk (Landesprogramm als unterstützendes Angebot für Eltern)

 

 

3) Weitere Unterstützungsmöglichkeiten und Beratungsangebote:

  • Frühförderung (über das Kreissozialamt)
  • Hilfen zur Erziehung
  • Schulsozialarbeit an Grundschulen (freiwillige Leistung des Landkreises)
  • Gesundheitsregion Cloppenburg (Entwicklung von kommunalen Strukturen und innovativen Projekten, die eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung zum Ziel haben)
  • Babylotsenprojekt (SkF Cloppenburg)
  • Familienpaten (SkF Cloppenburg)
  • Hausaufgabenbetreuung (Mehrgenerationenhaus SkF Cloppenburg)
  • Schwangerschaftsberatung
  • Elternkurse
  • Verschiedene Präventionsprojekte (DKSB Cloppenburg, anteilige Finanzierung durch den Landkreis Cloppenburg, u.a. Familienwochenenden)
  • Mutter-Kind-Kuren (Beratung über die Wohlfahrtsverbände)
  • Nummer gegen Kummer/ Elterntelefon
  • Unterstützungsangebote durch die Kinderärzte im Landkreis Cloppenburg
  • Netzwerk Familienzentrum Schwedenheim (Diakonie)
  • Familienservicebüros in Cloppenburg und Emstek
  • Bekleidungsangebote (Wohlfahrtsverbände)
  • Ambulante Erziehungshilfen (Kreisjugendamt)
  • Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern (SkF Cloppenburg)
  • Unterstützung für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien (DKSB CLP)
  • Angebote für Familien mit Migrationshintergrund (verschiedene Anbieter)

 

 

 

4)      Hilfen/ finanzielle Unterstützungen durch die kreisangehörigen Städte/ Gemeinden:

  • Barßel: Bürgerstiftung Stöppkes – Verein für bedürftige Kinder und Jugendliche in der Gemeinde Barßel e.V.)
  • Bösel: Familienförderung (Baukostenzuschuss)
  • Cappeln: Familienförderung (verschiedene Unterstützungen)
  • Cloppenburg: Bürgerstiftung Cloppenburg, Familienförderung/ Familienpass (verschiedene Unterstützungen)
  • Emstek: Bürgerstiftung Gemeinde Emstek/ Familienbesucherinnendienst/ familienunterstützende Leistungen
  • Essen: familienunterstützende Leistungen/ Bauförderung/ Familienserviceleistungen
  • Friesoythe: Familienförderung/ Familienpass/Hermann-König-Stiftung/ Verein: „Jedem Kind eine Chance“ e.V.
  • Garrel: Bürgerstiftung „Lüttke Lüe“
  • Lastrup: Familienpass/ Vergünstigungen in der Gemeinde/ Bauförderung/ Verein „Bürger für Bürger Lastrup e.V.“
  • Lindern: Familienförderung im Rahmen von Wohnungsbau
  • Löningen: Familienpass

 

 

5)      Weitere finanzielle Unterstützungen:

  • Unterhaltsvorschuss
  • Private Stiftungen (über den Bezirksverband Oldenburg)
  • Vergünstigungen über Vereine und Verbände

 

 

Überlegungen zur Teilnahme am Programm „Präventionsketten Niedersachsen“

Die Verwaltung des Landkreises Cloppenburg hat sich bereits im letzten Jahr ämterübergreifend intensiv mit dem Landesprogramm „Präventionsketten in Niedersachsen“ auseinandergesetzt und über eine Teilnahme beraten. Letztlich wurde entschieden, die Stelle der Netzwerkkoordination Frühe Hilfen stundenmäßig aufzustocken, um die sinnvolle Zielsetzung des o.g. Programms zu erfüllen.

Hierzu ein Auszug aus der Vorlage zur Nachbesetzung der vakant gewordenen Stelle der Netzwerkkoordination Frühe Hilfen:

„Inhalt dieser Stelle war in der Vergangenheit insbesondere die Vernetzung des Jugendamtes mit externen Stellen, wie z.B. Ärzten, Kindergärten, Schulen und Anbietern von ambulanten, teil- und vollstationären Hilfen, um allen Kindern gute Startchancen und ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen. Im Rahmen der Neuorganisation der Aufgaben in diesem Bereich ist es Ziel, die schon bestehenden Strukturen auch innerhalb des Landkreises noch besser aufeinander abzustimmen. Aus diesem Grund soll die ämterübergreifende Kooperation eingeführt werden, damit Doppelstrukturen vermieden werden. Geplant ist hier eine Vernetzung der Arbeit des Gesundheitsamtes, des Sozialamtes, des Schul- und Kulturamtes und der Stabstelle Gleichstellung, Integration und Demografie unter Federführung des Jugendamtes. Primär soll ein Hilfesystem anhand des Lebenslaufs des Kindes entwickelt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gerade Familien mit Migrationshintergrund bei den jetzigen Strukturen kaum erreicht werden.

Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, eine Förderung des zusätzlichen Aufwandes durch das Förderprogramm „Präventionsketten in Niedersachsen: Gesund Aufwachsen in Niedersachsen“ zu erhalten. Dieses Programm beinhaltet lediglich eine Teilfinanzierung von bis zu 40.000 EUR für insgesamt drei Jahre. Voraussetzung ist die Schaffung mindestens einer halben zusätzlichen Stelle. Die hierfür entstandenen Kosten können mit der Förderung nicht abgedeckt werden. Außerdem beinhaltet die Teilnahme am Projekt einen hohen Evaluationsaufwand.

Der Landkreis hat sich daher dazu entschlossen, an diesem Projekt nicht teilzunehmen und stattdessen den Stellenumfang im Bereich der Netzwerkkoordination Frühe Hilfen von 19,5 auf 30 Wochenstunden zu erhöhen.“

Der Kreisausschuss hat dem entsprechend am 12.06.2018 zugestimmt. Die Stelle wurde öffentlich ausgeschrieben und zum 01.11.2018 mit Frau Rebecca Kündiger besetzt.

 

Neben der Kontaktaufnahme zu den bestehenden Netzwerkpartnern, Organisation der ersten Netzwerktreffen, Erarbeitung von regelmäßigen Newslettern wird als großes Projekt im Rahmen einer Gemeinschaftsarbeit mit anderen Ämtern eine Übersicht über die Hilfen in jeder kreisangehörigen Gemeinde/ Stadt erstellt. Darin sollen u.a. die regionale Vernetzung und die Gestaltung der Übergänge (Krippe/Kita/Schule) dargestellt und mögliche Verbesserungen auf den Weg gebracht werden. In diesem Zuge soll unter dem Motto „Gut aufwachsen im Landkreis Cloppenburg – Was braucht es dazu?“ ein Regionalinventar aller Angebote für werdende Eltern und Familien mit Kindern erstellt werden. Neben der Vernetzung der Akteure sollen die Zugänge zu den Angeboten flächendeckend bekannt gemacht werden. Sofern vorhanden, werden etwaige Angebotslücken aufgedeckt und können entsprechend bearbeitet werden. Das Ziel, allen Kindern im Landkreis Cloppenburg den gleichen Zugang zu Bildung und Teilhabe zu ermöglichen soll so – auch im Sinne der Ziele der Präventionsketten – ganzheitlich realisiert werden. Dies erfolgt als erstes in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Essen/Oldenburg und soll langfristig auf alle Kommunen ausgedehnt werden.

 

Die Ziele der Präventionsketten sollen somit auf diese Art verfolgt werden, wobei aber gleichzeitig Doppelstrukturen vermieden werden.

 

Dementsprechend spricht sich die Verwaltung weiterhin dafür aus, an dem Programm „Präventionsketten in Niedersachsen“ nicht teilzunehmen.

 

 

 


 

 


Anlagenverzeichnis:

  • Antrag der SPD-Kreistagsfraktion vom 20.03.2019
  • Infoblatt über das Förderprogramm „Präventionsketten“
  • Informationen zum Bereich der Frühen Hilfen (Internetseite)