Beschlussvorschlag:
Der Sozialausschuss empfiehlt dem Kreistag
folgende Beschlussfassung:
Der Kreistag befürwortet die von der
Verwaltung beabsichtigte Anhebung der Richtwerte zu den Heizkosten.
Sachverhalt:
Mit Schreiben vom 07.11.2021 stellt die SPD-Fraktion gem. § 56 NKomVG den Antrag, den folgenden Punkt in die Tagesordnungen der Sitzungen des Sozialausschusses am 23.11.2021, des Kreisausschusses am 9.12.2021 und des Kreistages am 21.12.2021 aufzunehmen:
„Der Landkreis
Cloppenburg passt die Höchstbeträge für die Übernahme der Heizkosten für die Empfänger
von Grundsicherungs- und ALG II-Leistungen den aktuell stark steigenden
Heizkosten an und passt die in der Gesamtbetrachtung möglichen maximalen Werte
auch unter Berücksichtigung der gestiegenen Mieten und Stromkosten kurzfristig
an.“
Der Antrag ist dieser Vorlage beigefügt.
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Stellungnahme
zum SPD-Antrag vom 07.11.2021:
Allgemeines
Gem. § 22 Abs. 1
Satz 1 SGB II und § 35 Abs. 2 SGB XII werden Leistungen für Unterkunft und
Heizung (KdU) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, jedoch nur,
soweit diese angemessen sind.
In Fachlichen
Vorgaben regelt der Landkreis für das Jobcenter und die örtlichen Sozialämter
die Angemessenheit der KdU durch sog. Richtwerte, die als „Nichtprüfungsgrenze“
anzuwenden sind. Das bedeutet, bis zum Richtwert werden die KdU ohne weitere
Prüfung anerkannt und bewilligt. Werden KdU über den Richtwerten geltend
gemacht, ist eine Einzelfallprüfung notwendig, ob z.B. durch einen Umzug die
Kosten gesenkt werden können.
Derzeit gibt es rd.
3.700 Bedarfsgemeinschaften mit ca. 7.800 Leistungsberechtigten beim Jobcenter
und ca. 1.800 Empfänger von Grundsicherung und Sozialhilfe bei den
Sozialämtern.
Beim Jobcenter
werden in diesem Jahr ca. 16 Mio. Euro für Unterkunftskosten entstehen. Davon
werden rd. 9,6 Mio. vom Bund erstattet (einschließlich der KdU-Erstattung für
die anerkannten Flüchtlinge). Im kommenden Jahr liegt die Bundeserstattung beim
Jobcenter bei 61,6 %.
Bei der
Grundsicherung und Sozialhilfe der Sozialämter fallen jährlich rd. 3,8 Mio. EUR
für die Unterkunftskosten an. Das Land erstattet rd. 80% der Kosten im Bereich
der Sozialhilfe. Der Bund trägt 100% der Aufwendungen für die Grundsicherung.
Corona-Regelungen
Bei den
Sozialämtern und dem Jobcenter bewirkt der sogenannte erleichterte Zugang
infolge der COVID-19-Pandemie seit März 2020, dass bei Neufällen die tatsächlichen
Heizkosten und die tatsächliche Miete anerkannt werden, unabhängig von den
jeweiligen Richtwerten. Diese Regelung läuft aktuell noch bis zum Jahresende,
wird vermutlich aber bis Ende März 2022 verlängert werden.
KdU-Weisungen an
das Jobcenter
Das Jobcenter ist
eine „Gemeinsame Einrichtung“ der Agentur für Arbeit und des Landkreises gem. §
44 b Abs. 1 S. 1 SGB II.
In den Zuständigkeitsbereich
des Landkreises fallen gem. § 6 Abs. 1 Ziff. 2 SGB II u. die Bedarfe für Unterkunft
und Heizung. Dies bedeutet, dass der Landkreis die Aufwendungen für Unterkunft
und Heizung zu tragen sowie die Rechtsanwendung bei der Leistungserbringung durch
Weisungen zu lenken hat.
KdU-Weisungen an
die Sozialämter
Für Leistungsberechtigte unter 18 Jahre ist der Landkreis der zuständige
örtliche Träger der Sozialhilfe. Für die leistungsberechtigten Personen über 18
Jahre ist das Land überörtlicher Sozialhilfeträger, hat aber den Landkreis
hierfür herangezogen (§§ 2, 3 Nds. AG SGB IX/XII).
Die
kreisangehörigen Städte und Gemeinden werden vom Landkreis per Vereinbarung für
die Erledigung der SGB XII-Aufgaben herangezogen. Der Landkreis bleibt jedoch
verantwortlich für die einheitliche Sachbearbeitung und hat auch hier ein
Weisungsrecht gegenüber den Städten und Gemeinden.
Angemessenheit
der Unterkunftskosten: ein unbestimmter Rechtsbegriff!
Die gesetzlichen
Bestimmungen zu den Unterkunftskosten in § 22 SGB II (Jobcenter) und § 35 SGB
XII (Sozialämter) stimmen inhaltlich weitgehend überein. Beide Regelungen
enthalten den unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“.
Beim
unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit der Unterkunftskosten“ gibt es
kein Ermessen und auch keinen Beurteilungsspielraum.
Zum Thema
Angemessenheit der Unterkunftskosten hat sich in den vergangenen Jahren eine
sehr umfangreiche Rechtsprechung der Landessozialgerichte und des
Bundessozialgerichtes entwickelt.
Wie bei allen
unbestimmten Rechtsbegriff gilt auch hier, dass es immer nur eine juristisch
richtige Auslegung geben kann. Diese Auslegung muss die Verwaltungsbehörde bei
der Rechtsanwendung feststellen. Sie wird in einem Rechtsstreit im vollen
Umfange gerichtlich überprüft. Den Gerichten steht dabei die Letztentscheidungskompetenz
zu.
Die Festlegung der
Richtwerte für die Unterkunftskosten ist ausschließlich eine juristische
Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „Angemessenheit“.
Zuständig für die
Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes und der entsprechenden Weisungen des
Landkreises an das Jobcenter und die örtlichen Sozialämter ist grundsätzlich
der Landrat, als Leiter der Kreisverwaltung, im Rahmen der Geschäfte der
laufenden Verwaltung.
Richtwerte für Heizkosten (und Miete)
Die EWE hebt zum
Jahreswechsel 2021/22 die Gaspreise an.
Zitat
aus dem NWZ-Bericht vom 11.11.2021: „Wie der
Oldenburger Energieversorger am Mittwoch mitteilte, steigt für alle EWE-Kunden
in der Grundversorgung (Tarif „Erdgas comfort“) der Arbeitspreis für die
Kilowattstunde deutlich um 13,3 Prozent von brutto 6,84 Cent auf 7,75 Cent. Ein
Durchschnittskunde mit einem Jahresverbrauch von 17 500 Kilowattstunden zahlt
damit laut EWE rund 158 Euro mehr im Jahr.“
Als Anhang 2 und 3 sind die EWE- Bekanntmachungen von 13. Nov. 2020 und
15.11.2021 mit den jeweiligen Änderungen der Erdgaspreise beigefügt.
Festzustellen ist, dass der Arbeitspreis für die Kilowattstunde Erdgas (für die
Grundversorgung) um 13,3 % von brutto 6,84 Cent auf 7,75 Cent steigt.
Die
nachstehende Grafik zeigt, dass der Gaspreis in Deutschland nach einem
mehrjährigen niedrigeren Niveau nun stark angestiegen ist. In 2022 wird der
Gaspreis weiter nach oben gehen.
Link:
https://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Finanzen-Gaspreis-aktuell-Deutschland-2021-12144766.html
Angemessenheit
der Heizkosten / Beurteilung nach Heizspiegel
Das
Bundessozialgericht hat 2009 entschieden, dass sich die Beurteilung der
Angemessenheit der Heizkosten am bundesweiten
Heizspiegel orientieren
kann (BSG, B 14 AS 36/08 R vom 02.07.09). Der
Richtwert für die zu gewährenden Heizkosten (Erdgas) ergibt sich daher aus dem
Wert der Spalte mit der Überschrift „zu hoch“ (Anhang 4). Der Richtwert wird jährlich dem Bundesheizkostenspiegel
angepasst.
Der Richtwert für
Gasheizung beträgt aktuell im LK Cloppenburg: 1,46 Euro / m² / Monat. Grundlage
ist der Bundesheizkostenspiegel 2021 (17,51 Euro/m² / Jahr; Spalte: „zu hoch“,
Anhang 4).
Beispiel:
Bei einer Bedarfsgemeinschaft
mit vier Personen (85 m² Wohnfläche) sind das pro Monat 85 m² x 1,46 EUR = 124,10
EUR; pro Jahr ergeben sich 1.489,20 EUR.
Anpassung des
Richtwertes für Gasheizung zum 01.01.2022:
Die Vergleichswerte
des Bundesheizkostenspiegels basieren auf dem Abrechnungsjahr des jeweiligen
Vorjahres.
Neben den
Energiepreisen wirkt sich auf die Werte des Heizkostenspielgels auch aus, ob es
ein kalter und ein eher milder Winter war.
Der Anstieg des
Gaspreises zum 01.01.2022 ist im Bundesheizkostenspiegel 2021 noch nicht
berücksichtigt.
Um dem Anstieg der Gaspreise zu entsprechen,
wird die Verwaltung den Richtwert für Gasheizung zum 01.01.2022 um 13,3 %,
von 1,46 Euro auf 1,65 Euro / m² / Monat, anheben.
Der Richtwert ist
damit vergleichbar mit den Werten der Jahre 2014/16. Seinerzeit entsprachen die
Gaspreise dem aktuellen Niveau.
Liegen die
tatsächlichen Heizkosten über dem Richtwert, ist dann eine Einzelfallprüfung
vorzunehmen, ob besondere Gründe für die hohen Heizkosten vorliegen. Außerdem
wird im Rahmen der Gesamtbetrachtung geprüft, ob eine geringere Miete höhere
Heizkosten auffangen kann.
Zu den
Stromkosten
Gem. § 20 Abs. 1 SGB II (§ 27a Abs. 1 SGB XII) gehört die
„Haushaltsenergie“ zu den Regelbedarfen und wird mit den monatlichen
Regelsätzen bewilligt.
In der Regelbedarfsstufe 1 (alleinlebende Personen) ist zum Beispiel im
monatlichen Regelsatz von 446 EUR ein Betrag von 36,20 EUR für Strom enthalten.
Die Regelsätze werden vom Bund aufgrund des
Regelbedarfsermittlungsgesetzes bestimmt und durch Verordnung vom Bund fortgeschrieben.
Die Landkreise haben keine Befugnis, hierzu abweichende Regelungen festzulegen.
Die EWE
hat in einer Presse-Info am 10. November 2021 angekündigt, dass zum
Jahreswechsel in der Grundversorgung
zum 1. Januar die Strompreise gesenkt werden.
Fazit zu den Stromkosten: Der
Landkreis kann in der Leistungsbewilligung aufgrund der Rechtslage nicht auf
Strompreisänderungen reagieren. Außerdem steigen die Strompreise nicht, sondern
sie werden sinken.
Zu den
Mietrichtwerten:
Das in 2018 erstellte Gutachten
zu den angemessenen Mietwohnkosten im Landkreis Cloppenburg wurde in 2020 vom
Institut Analyse & Konzepte, Hamburg, fortgeschrieben. Die Richtwerte
gelten seit dem 01.07.2020.
Derzeit läuft die
Erstellung einer neuen Mietenanalyse an. Das bedeutet, es wird eine
statistische Auswertung zur Angemessenheit der Mieten im Sinne des SGB II und
SGB XII erstellt. Zum 01.07.2022 werden neue Richtwerte für die Miete
ermittelt.
Die Verwaltung wird dazu voraussichtlich in der Frühjahrssitzung des Sozialausschusses berichten.
Finanzierung:
P1.312100 446100 Leistungen für Unterkunft und Heizung
(Jobcenter)