Betreff
Einrichtung eines stationären Hospizes im Landkreis Cloppenburg
Vorlage
V-SOZ/14/044
Art
Sitzungsvorlage

Sachverhalt:

 

 

 

Die Thematik wurde bereits auf der letzten Sitzung des Sozialausschusses am 27.03.2014 erörtert. Danach sollte der Bedarf für die Einrichtung eines stationären Hospizes im Landkreis Cloppenburg durch eine Arbeitsgruppe mit Experten aus diesem Bereich unter Koordination des Gesundheitsamtes näher beleuchtet und die wirtschaftlichen Voraussetzungen und organisatorischen Umsetzungsvarianten anhand der Erfahrungen anderer Hospize beschrieben werden.

 

 

1. 0 Vorgehensweise

 

Es wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, an der sich folgende Personen beteiligten:

·        Herr Norbert Moormann als Leiter des Hospizvereins Cloppenburg

·        Dr. Aloys Klaus als Gründer und ehemaliger Leiter der Palliativstation und des Palliativstützpunktes Cloppenburg

·        Herr Dieter Rolfes als pflegerischer Leiter der Palliativstation am Krankenhaus Cloppenburg und Koordinator der Palliativstützpunktes Cloppenburg

·        Frau Gerda Spieker, Ambulanter Hospizdienst Malteser, Friesoythe

·        Herr Ludger Frische, Sozialdezernent Landkreis Cloppenburg

·        Dr. Christof Paschen als Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung im Landkreis

·        Unterzeichnende

 

Die Gruppe der Johanniter in Löningen kooperiert eng mit dem Hospizverein für den Landkreis Cloppenburg, bietet aber keinen eigenen Hospizdienst an. Daher wurde kein Bedarf gesehen, diese gesondert zu den Gesprächen hinzu zu ziehen.

 

Die Arbeitsgruppe hat sich drei Mal getroffen. Dr. Klaus und Herr Moormann haben die Hospize in Thuine (anlässlich der Eröffnung) und Celle persönlich aufgesucht. In Celle hatten sie Gelegenheit, ein ausführliches Gespräch mit Frau Marlies Wegner zu führen, die Leiterin des dortigen Hospizes ist und zugleich im Vorstand der Hospiz Landesarbeitsgemeinschaft Niedersachsen die stationären Hospize vertritt. Der Kreis Celle ist ländlich strukturiert und bzgl. der Einwohnerzahl mit dem Landkreis Cloppenburg mit 180 000 Einwohnern vergleichbar. Allerdings liegt der Altersschnitt höher als im Landkreis Cloppenburg. Ein Besuch des Hospizes St. Peter in Oldenburg ist noch vorgesehen.

 

Ergänzend wurde eine schriftliche Anfrage an Frau Wegner gerichtet (Anlage 1).

 

Unterzeichnende hat eine Umfrage zum Bedarf bei der niedergelassenen Ärzteschaft und den Krankenhäusern im Landkreis durchgeführt. Von einer schriftlichen Bedarfsabfrage bei den regionalen Hospizen wurde abgesehen, da hieraus ein realistisches Bild nicht zu erwarten ist.

 

Eine ergänzende Anfrage der Partei Bündnis 90 /Die Grünen wurde an den Palliativstützpunkt weiter geleitet und ausgewertet (s. Anlage 2).

 

 

 

 

 

 

 

2. 0 Bedarfsermittlung

 

Die Frage des Bedarfs ist schwer zu entscheiden, da unterschiedliche Faktoren, wie die bereits im Landkreis und in der Region vorhandenen Angebote, soziodemografische Daten der Bevölkerung, das Verhalten von möglichen Zuweisern und auch Anhaltszahlen des Landes oder anerkannter fachlicher Gruppierungen, zu berücksichtigen sind. Folgende Punkte wurden näher hinterfragt:

 

1.      Fachliche Anhaltzahlen

  1. Ausstattung der angrenzenden Landkreise mit stationären Hospizen
  2. Erreichbarkeit von 1 Stunde 30 – 50 km (Landesregierung/ Rahmenkonzept zur Weiterentwicklung)

4.      Ausstattung mit sonstigen palliativen Versorgungsformen im LK (s.a. Anfrage der Partei Bündnis 90/ Die Grünen)

5.      Erfahrungen und Positionierung der Hausärzte im Landkreis

 

 

1. Fachliche Anhaltszahlen

Die Zahl von 5 Hospiz- bzw. Palliativbetten/ 100 000 Einwohner/Innen (Angabe der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin – DGP  - von 1994) wird nach wie vor zugrunde gelegt.

 

Ob diese Bezugsgröße noch als ausreichend angesehen werden kann und angesichts des demografischen Wandels und der geänderten Lebensformen der Menschen noch passend ist, kann zumindest als fraglich angesehen werden. Der Landkreis Cloppenburg ist bekanntermaßen einer der jüngsten Landkreise im Lande. Er hat daher im Vergleich mit anderen Landkreisen anderer Altersverteilung eine relativ niedrige Sterblichkeit. Im Jahre 2012 sind 1.400 Personen im Landkreis verstorben, entsprechend einer Mortalität von unter 1 %. Aber auch im Oldenburger Münsterland verändern sich die Formen des familiären Zusammenlebens, sichtbar zum Beispiel an den Veränderungen am Wohnungsmarkt betreffend den erhöhten Bedarf an kleineren Wohnungen.

 

 

2. Ausstattung der angrenzenden Landkreise mit stationären Hospizen

 

Von einer Bedarfsabfrage in den regionalen Einrichtungen sollte nach dem Votum der Arbeitsgruppe zunächst Abstand genommen werden, da mit einem belastbaren Ergebnis nicht zu rechnen sei. Für Personen aus dem Landkreis Cloppenburg stelle die hospizliche Versorgung außerhalb des Landkreises ein Hemmnis dar. Daher seien die erhältlichen Zahlen voraussichtlich nicht verlässlich. Stattdessen sollten die vorliegenden Informationen in geeigneter Weise durch die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Arbeitsgruppe zusammengestellt werden. Die Ausstattung der angrenzenden Landkreise mit stationären Hospizen und deren Betreiberkonzepte wurden per Internetrecherchen und z. T. persönlich durch Mitglieder der Arbeitsgruppe eruiert.

 

Im Detail ergeben sich danach folgende Informationen:

 

 

 

 

2.1. Geschäftsmodelle der an den Landkreis angrenzenden Hospize

 

 

Träger

Betreiber

Oldenburg (St. Peter)

Kath. Kirche/ Stiftung seit 2008

gGmbH

Westerstede

(Ammerland Hospiz)

Verein Hospizdienst Ammerland/ Ammerlandklinik

gGmbH

Hospizhaus Leer

Stiftung mit 6 Mitgliedern

(LK, Hospizinitiative, Kirchen)

gGmbH

St. Anna Dinklage

Stiftung St. Anna,

Gemeinschaft der Anna Schwestern

gGmbH

Osnabrück

2 Gesellschafter (Hospizverein u. Stiftung)

gGmbH

Ganderkesee

Ev. Kirche/ Innere Mission

gGmbH

Thuine (Emsland)

Krankenhaus/ einmaliger Zuschuss d. LK

 

Celle

Stiftung AKH Celle/ Krankenhaus i. öff. Trägerschaft

Stiftungsvorsitz: LR

gGmbH

Gifhorn

Hospizstiftung, gegr. am 05.10.2013

Gesellschafter: Palliativ- und Hospiznetz,

Stadt u. LK Gifhorn, Kirchen, Sparkasse

 

 

 

2. 2. Platzzahlen:

 

Oldenburg (St. Peter)

n=12

Westerstede

(Ammerland Hospiz)

n=8

Hospizhaus Leer

n=10

St. Anna Dinklage

n=7

Osnabrück

n=11

Ganderkesee

n=8

Thuine (Emsland)

n=8

 

 

 

 

 

2.3. Zeitdauer des Bestehens der Einrichtung

 

Oldenburg (St. Peter)

1995

Westerstede

(Ammerland Hospiz)

2010

Hospizhaus Leer

2009

St. Anna Dinklage

1998

Osnabrück

1997

Ganderkesee

2012

Thuine (Emsland)

2014

 

Insgesamt sind 22 Hospize in Niedersachsen im Betrieb. Weitere Planungen von stationären Hospizen gibt es u. a. in Norden, Bremervörde, Uelzen, Dannenberg, Gifhorn, Schöningen, Lk Heidekreis, Bückeburg, Sögel.

 

 

3. Verkehrliche Erreichbarkeit

 

Es handelt sich bei dem Landkreis Cloppenburg um eine ländliche Region mit im Niedersachsen- und Deutschlandvergleich relativ geringer Bevölkerungsdichte. Es bestehen Bestrebungen, den ÖPNV zu optimieren. Die Angewiesenheit auf einen PKW ist zur Zeit noch sehr groß. Eine gute verkehrstechnische Erreichbarkeit für einen Hospizstandort bzw. Wohnortnähe für möglichst viele Menschen erscheinen danach zur Zeit noch essentiell.

 

 

4. Palliative Versorgungsalternativen innerhalb des Landkreises

 

Wie bereits auf der letzten Sozialausschusssitzung dargestellt, bestehen im Landkreis Cloppenburg neben dem hausärztlichen und ambulanten und stationären pflegerischen Bereich auch Angebote der spezialisierten palliativen Versorgung:

 

·        Ambulanter Hospizdienst Malteser, Friesoythe

·        Hospizdienst für den LK Cloppenburg (Sitz in der Kreisstadt mit Außenstellen in Löningen und Garrel)

·        Palliativstation im Krankenhaus Cloppenburg (10 Betten)

·        Palliativstützpunkt Cloppenburg mit dem Angebot der spezialisierten ambulanten palliativen Versorgung (SAPV), erbracht durch Palliative–Care–Teams (Trägerschaft des St.-Josefs-Hospitals)

·        Sonstige Palliativmediziner und Palliativpflegekräfte

 

Über Palliative-Care-Teams kann eine Versorgung in der häuslichen Umgebung, aber auch in Pflegeheimen erbracht werden. In 25 % der Versorgung durch den SAPV Stützpunkt werden Palliativmediziner mit einbezogen. In 2013 wurden 158 Patienten mittels SAPV über den Pflegestützpunkt versorgt. Für 2014 werden 200 Patienten erwartet (siehe Anlage 3, Schreiben des Palliativstützpunktes Cloppenburg v. 05.05.2014 auf die Anfrage von Bündnis 90 /Die Grünen).

 

Da keine Angaben gemacht werden können, wie viele Patienten lieber in einem Hospiz versorgt würden, lässt sich aus diesen Angaben kein Hinweis auf die Bedarfsfrage erheben. Auf der Palliativstation des Krankenhauses Cloppenburg sind 2013 von 167 Patienten 60 Patienten verstorben, entsprechend 36% aller in dem Jahr auf der Station versorgten Patienten, in 2014 bislang 41 Patienten von 92, entsprechend 44%.

 

 

5. Positionierung der Hausärzte

 

Von 85 befragten Hausärzten und den Krankenhäusern im Landkreis antworteten 58 Ärzte und alle Krankenhäuser. Die Befragung bezog sich auf das Jahr 2013. Es handelt sich um retrospektive Schätzzahlen.

 

Nach Angaben der Hausärzte wurden 85 Patienten und 26 Patienten aus dem Landkreis nach Angaben der Krankenhäuser in einem stationären Hospiz versorgt. Die Notwendigkeit der Einweisung in ein stationäres Hospiz sahen 45 Hausärzte für 184 Patienten und die Krankenhäuser für 62 Patienten. Einen steigenden Bedarf für die Einrichtung eines stationären Hospizes sahen 41 Hausärzte sowie die Krankenhäuser. In 17 Fällen wurde der Bedarf verneint. Die Angaben beinhalten möglicherweise Doppelnennungen zwischen Hausärzten und Krankenhäusern.

 

 

3.0. Ökonomische Aspekte

 

  • Es besteht ein Anspruch auf einen Versorgungsvertrag durch die Krankenkassen, wenn die Voraussetzungen entsprechend den Rahmenvereinbarungen erfüllt sind. Wichtige Aspekte der Rahmenvereinbarung sind:
    • Selbständige Einrichtungen mit eigenständigem Versorgungsauftrag, nicht Bestandteil einer stationären Pflegeeinrichtung und auch nicht eines Krankenhauses
    • 8 – 16 Plätze, familiärer Charakter der Einrichtung
    • Patienten mit unheilbaren Erkrankungen in der letzten Lebensphase, die außerhalb einer stationären Einrichtung wohnen
    • Stationäre oder teilstationäre Versorgung
    • Festgelegte Qualitätsanforderungen
    • Teil einer vernetzten Versorgungsstruktur
    • Vertragsärztliche Verordnung
  • Die Bedarfssätze in den einzelnen Hospizen sind Gegenstand der Verhandlungen mit den Krankenkassen und danach unterschiedlich. Nach Angaben von Frau Wegener ist von einem Bedarfssatz zwischen 220 und 320 Euro pro Tag auszugehen (275 Euro in Celle oder 284 Euro in Oldenburg).
  • Bei 120 Patienten pro Jahr ist bei einem Bedarfssatz von 300 Euro und einer durchschnittlichen Verweildauer von drei Wochen mit Einnahmen aus KK Mitteln von ca. 750 000 Euro pro Jahr zu rechnen, bei einer kürzeren Verweildauer und einem geringeren Pflegesatz entsprechend weniger. Mindestens 120 Patienten sollten es pro Jahr sein, um eine Wirtschaftlichkeit zu erzielen.
  • Die Krankenkassen gehen von einer Belegung von 80% aus. Eine 100% Auslastung ist nicht zu erzielen. Dieses beruht auf den besonderen Organisationsabläufen in einem Hospiz (Leerstand im Todesfall). Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 17 – 21 Tagen. Durch den Einsatz von SAPV wird sie eher verkürzt.
  • 90% der Betriebskosten werden von den Krankenkassen getragen. Die Investitionskosten werden nicht übernommen. Die 10 % nicht gedeckten Kosten müssen aus Spenden- und Sponsorengeldern sowie Zuschüssen getragen werden.
  • Es ist günstig, wenn eine Defizitabsicherung vorliegt und eine Immobilie zur Verfügung steht. Anlaufschwierigkeiten müssen  mindestens in den ersten 3 Jahren  einkalkuliert werden.
  • In einem im Landkreis Cloppenburg etablierten Hospiz sollen möglichst alle Bewohner und Bewohnerinnen des Landkreises versorgt werden. Nötig ist daher die Kooperationsbereitschaft aller Ärzte, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen im Landkreis. In den Hospizen in der Umgebung werden auch weiterhin Bewohner und Bewohnerinnen des Landkreises Cloppenburg versorgt werden, was umgekehrt genauso der Fall wäre.

 

 

4.0. Umsetzungsempfehlungen für den Landkreis Cloppenburg

 

Es sieht so aus, dass die Gefahr besteht, dass sich weder Investiv- noch Betriebskosten längerfristig aus den laufenden Einnahmen refinanzieren lassen. Daher müssen weitere Finanziers vorhanden sein. Als öffentlicher Zuschussgeber käme allein der Landkreis in Betracht. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung.

 

Da es sich um einen nicht im Einzelnen quantifizierbaren Zuschussbedarf handelt, sind die ungedeckten Kosten aus öffentlichen Mitteln ggfls. nicht allein zu tragen.  Daher müsste eine Realisierung der Einrichtung von einer breit aufgestellten Trägergesellschaft verantwortet werden. Diese könnte ein Verein, eine Stiftung oder eine Gesellschaft sein.

 

Wegen der zentralen Lage und der guten vorhandenen Infrastruktur (Palliativstützpunkt, Hospizdienst, Facharztpraxen) bietet sich der Standort Cloppenburg an.

 

 

5.0. Beschlussvorlage

 

Falls die Einrichtung eines stationären Hospizes als Baustein einer palliativen Versorgung im Landkreis Cloppenburg politisch als wünschenswert angesehen wird, sollte seitens der Kreisverwaltung weiter verhandelt und Kontakt mit möglichen Mitträgern sowie den Krankenkassen gesucht werden. Hierzu sollte eine Absichtserklärung des Fachausschusses herbeigeführt werden.

 

Es ist wünschenswert, weitere Interessenten zu finden, die sich in eine Trägerstruktur einbinden lassen. Dann könnten zu einer der nächsten Sitzungen des Fachausschusses weitere Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und inhaltliche Vorschläge vorgelegt werden.

 

 


Anlagenverzeichnis:

 

  • Hospiz – Anlage 1 – Anfrage Wegner
  • Hospiz – Anlage 2 – Anfrage Bündnis 90/Die Grünen
  • Hospiz – Anlage 3 – Antwort Palliativstützpunkt CLP