Betreff
Antrag der CDU-Fraktion vom 27.09.2022 auf Änderung der Auszahlungsverfahren zur Abrechnung der Förderleistung und Kompensation steigender Energiekosten in der Kindertagespflege.
Vorlage
V-JHA/22/215
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

Dem Kreistag wird folgende Beschlussfassung empfohlen:

Die Kreisverwaltung weist die mit der Abrechnung beauftragten Städte und Gemeinden im Landkreis Cloppenburg an, soweit diese nicht die Leistung der Kindertagespflege im Folgemonat nach Leistungserbringung pünktlich entgelten können, bei Pflegeverhältnissen mit konstanten Betreuungszeiten pauschal mit Fehltageermittlung abzurechnen oder auskömmliche Abschläge von 90% der beantragten Betreuungsstunden im Folgemonat nach Leistungserbringung zu zahlen.

Zur Kompensation der stark angestiegenen Energiekosten, insbesondere der Heizkosten, und in Anerkennung der eingeschränkten Möglichkeiten, diese Kosten in der Betreuungstätigkeit zu senken, wird jeder aktiven Kindertagespflegeperson im Landkreis Cloppenburg eine Sonderzahlung in Höhe der Energiepreispauschale (EPP) des Bundes vom 01.09.2022 in Höhe von 300,00 €.

 


Sachverhalt:

 

Die CDU-Fraktion des Kreistages beantragt mit Blick auf die Belastungen durch steigende Energiekosten und der unterschiedlichen Abrechnungsverfahren der Städte und Gemeinden im Landkreis Cloppenburg und damit einhergehenden, punktuellen Auszahlungsverzögerungen Anpassungen zur Verbesserung der Verwaltungspraxis. (Anlage 1)

Das Abrechnungsverfahren in der Kindertagespflege

Zum Hintergrund:

In der Sitzung des Kreistages am 12.07.2021 wurde unter Tagesordnungspunkt V-JHA/22/213 Änderung der Satzung des Landkreises Cloppenburg über die Förderung von Kindern in Kindertagespflege - Anpassung an das Neuregelungen des Niedersächsischen Gesetzes über Kindertagesstätten und Kindertagespflege (NKiTaG)“ die Satzung insbesondere durch eine Erhöhung der Förderleistung je Betreuungsstunde bei Erfüllen der Fort- und Weiterbildungsobligationen nach dem NKiTaG, sowie zusätzliche Ausfalltage für Kinder in der Kindertagespflege bei behördlich angeordneten Quarantänen beschlossen.

In gleicher Kreistagssitzung haben Vertreter*innen des Kindertagepflegevereins im Rahmen der Einwohnerfragestunde Forderungen, die bereits mit Schreiben vom 21.06.2022 an die Kreisverwaltung herangetragen wurden, nochmals mündlich vorgetragen und diese mit Schreiben vom 17.07.2022 schriftlich konkretisiert. (Anlage 2)

Sowohl bei dem Antragsbegehren der CDU-Fraktion, als auch der Forderungskatalog des Kindertagespflegevereins handelt es sich um eine Frage der Verwaltungspraxis.

Ergänzend zur schriftlichen Antwort der Kreisverwaltung an den Kindertagespflegeverein vom 13.07.2022 (Anlage 3) hat das Jugendamt des Landkreises die Anliegen des Kindertagespflegevereins umfassend über

1.       eine Abfrage bei den Städten und Landkreisen im ehem. Bezirk Weser-Ems zu Entgelthöhen und Staffelungen, sowie Erfahrungen mit pauschalierten Abrechnungssystemen

2.       eine Anforderung von temporär fiktiven Abrechnungen in pauschalierter Form bei den Städten und Gemeinden parallel zur tatsächlichen Abrechnung via Stundenzettel

3.       eine Umfrage unter den Kindertagespflegepersonen durch das Kindertagespflegebüro

evaluiert.

Zu 1.)

Nach §§ 34, 35 NKiTaG erhält der Landkreis für tatsächlich geleistete Betreuungsstunden vom Land eine Finanzhilfe, welche abhängig vom Qualifizierungsgrad der Tagespflegeperson und setzt eine Betreuungsleistung von mindestens 15 Stunden wöchentlich voraus. 

Es kann konstatiert werden, dass in einem vergleichendem Benchmark (Anlage 4) die Mehrheit der Landkreise und Städte im ehemaligen Bezirk Weser-Ems ebenfalls eine Vergütung der Leistung nach Grad der Qualifikation der Kindertagespflegeperson vorsieht und das der Landkreis Cloppenburg bei der Standard-Qualifikation mit dem QHB-Kurs (300 Std) im oberen Drittel der Vergütung liegt:

Zusätzlich gilt es zu beachten, dass die Anzahl der Ausfalltage, also Tage an denen die Kindertagespflegeperson wg. Krankheit/Urlaub eines Kindes oder bei eigener Erkrankung/Urlaub weiterbezahlt wird, variiert:

*die Stadt Oldenburg zahlt 30 Tage für Urlaubsabwesenheit der KTP und 20 Tage Ausfall bei Krankheit eines Kindes

**der Landkreis Wittmund zahlt max. 80 Tage Ausfall nur, wenn der Platz sofort zur Neuvermittlung verfügbar ist

***der Landkreis Cloppenburg zahlt 40 Tage Urlaubs- und/oder Krankheitsabwesenheit und max. 10 Tage bei angeordneter Quarantäne eines Kindes

Im Rahmen des Benchmarks wurde zusätzlich festgestellt, dass die nach § 18 Abs. 2 NKiTaG obliegende Pflicht des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe darauf hinzuwirken, dass eine Kindertagespflegeperson jährlich 24 Unterrichtseinheiten Fortbildung im Kindergartenjahr absolviert, einzig im Landkreis Cloppenburg durch eine erhöhte Vergütung befördert wird und das Fortbildungen mit einem Vor-Ort-Angebot nicht überall zusätzlich kostenlos angeboten werden.

Zur Verdeutlichung der Verdienstmöglichkeiten einer Kindertagespflegeperson sei auf die Berechnungsbeispiele in Anlage 5 mit dem Hinweis verwiesen, dass Erzieher*innen in niedersächsischen Krippen in Vollzeit bei 3.278,00 € brutto liegt.

Nach alldem ist die Vergütungshöhe des Entgeltes in der Kindertagespflege im Landkreis Cloppenburg als absolut leistungsgerecht im Sinne des § 23 SGB VIII einzuordnen.

Aus den Erfahrungsberichten bzgl. pauschalierter Abrechnungssysteme anderer Städte und Kreise des ehemaligen Regierungsbezirkes Weser-Ems ergaben sich folgende Erkenntnisse:

       Eltern bilden das „Korrektiv“ bei zu wenig geleisteten Stunden, in der Regel zahlen Eltern bei pauschalierten Abrechnungen auch höhere Elternbeiträge

       In Einzelfällen weiterhin Stundenzettel möglich und nötig (Beispiel Schichtarbeit)

       Ab 2 bis 4 Wochen Ausfall endet ein Pflegeverhältnis automatisch

       Elternbeschwerden laufen im Rathaus bzw. beim Landkreis auf – Fachberatung wird aktiv

       Bei sich ändernden Betreuungsbedarfen sind vermehrte Neubewilligungen erforderlich, was jedes mal ein Bescheidungsverfahren inklusive Einkommensprüfung auslöst.

 

In einigen Städten und Landkreisen führten die vorgenannten Mehraufwände zu einer Abkehr von pauschalierten Abrechnungssytemen.

 

Zu 2.)

Die Städte und Gemeinden im Landkreis Cloppenburg rechnen die Kindertagespflege als Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis ab. In der verwaltungspraktischen Ausgestaltung sind die Kommunen unterschiedlich ausgerichtet.

·         Die Gemeinden Lindern, Bösel und Barßel zahlen pauschale Pflegeentgelte nach den beantragten Betreuungsstunden, wobei die Ausfalltage des Jahres am Jahresende ermittelt werden und dann ggf. eine Kindertagespflegeperson überzahlte Leistungen zurückerstatten muss. Daher sind die Stundenzettel zwingend erforderlich, insoweit handelt es sich um eine „pseudo“-pauschalierte Vergütung.

·         Alle anderen Städte und Gemeinden im Landkreis Cloppenburg rechnen spitz pro Monat ab, wobei in einigen Gemeinden bereits mit Abschlagszahlungen gearbeitet wird.

Eine Evaluierungsphase der Abrechnungsvarianten „pauschal“ und „spitz“ für die Monate Juli, August und September 2022, wobei fiktiv die im Antrag auf Förderung in der Kindertagespflege angegebenen Betreuungsumfänge pauschal auf die Betreuungstage je Monat und auf alle Betreuungsverhältnisse in 13 Kommunen hochgerechnet wurden, ergab folgendes Resultat:

 

pauschal

spitz

Juli

206.787,88 €

155.999,74 €

August

251.950,96 €

229.983,84 €

September

254.958,97 €

245.979,42 €

Gesamt

713.697,81 €

631.963,00 €

 

Insgesamt würde ein kreisweites pauschaliertes System nach der Evaluation über 3 Monate Mehrausgaben um 12,93 % bedeuten, was bei dem Gesamtvolumen der Kindertagespflege im Jahr 2021 (Tagespflegeentgelt + die hälftige Alters-, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung) eine Steigerung von 2.258.828,04 € um 292.066,46 € auf 2.550.894,50 € bedeuten würde.

 

Im Rahmen einer gemeinsamen Dienstbesprechung mit den Sachbearbeiter*innen der Städte und Gemeinden des Landkreises Cloppenburg am 30.08.2022 wurde festgehalten, dass in der Regel die Mitarbeiter der Kommunen die Abrechnung der Kindertagespflege mit einem ca. 20% Stellenanteil einer Vollzeitäquivalente (VzÄ) bearbeiten. Somit würden die vorgenannten Steigerungen der des Tagespflegeentgeltes um 292.066,46 € die Personalkosten nicht übersteigen, zumal auch in einem pauschaliertem Abrechnungssystem der Arbeitsaufwand und der damit einhergehende Personalbedarf bei der Abrechnung nicht zwingend sinkt (siehe Ausführungen zu 1.)

 

Insgesamt plädieren die Sachbearbeiter*innen der Kommunen im Landkreis Cloppenburg für ein flexibles Handling bei der Bearbeitung der Abrechnungen in der Kindertagespflege, um von der bloßen so-oder-so-Betrachtung (spitz oder pauschal) wegzukommen und stattdessen auch andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.

 

Das Gesetz spricht von einem „Betrag zur Anerkennung der Förderungsleistung“ (§23, Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 SGB VIII) anstatt wie im sonstigen erzieherischen Bereich von einem Einkommen nach tarifrechtlichen Regelungen. Immer mehr Kindertagespflegepersonen (kurz: KTPP) im Landkreis Cloppenburg erzielen mit Ganztagsangeboten ihr Familieneinkommen und bleiben langfristig in der Kindertagespflege tätig. Wir freuen uns über diese „Unternehmerpersönlichkeiten“, die Eltern kreisweit Betreuungszeiten anbieten, welche deren Bedarfen und Lebensrealitäten entsprechen.

Der Anerkennungsbetrag soll laut Gesetz „leistungsgerecht“ erfolgen. Leistungsgerecht nach diesem unbestimmten Rechtsbegriff ist es auch, dass die Leistung zeitnah vergütet wird. Hier bieten pauschale Abrechnungssysteme naturgemäß die beste Möglichkeit der pünktlichen Vergütung. Spitzabrechnungen erhöhen die Kosteneffizienz und Kontrollmöglichkeiten, bringen aber auch naturgemäß Verzögerungen mit sich, welche nicht ausschließlich der Sachbearbeitung der Verwaltung geschuldet sind. Auch verspätet eingehende, falsch ausgefüllte oder nicht von Eltern gegengezeichnete Stundenzettel führen zu Verzögerungen.

Die Kommunen im Landkreis haben im Rahmen ihrer verwaltungsrechtlichen Selbstorganisation eingespielte Abrechnungssysteme aufgebaut, mit denen sie nach Feedbackrunde auf der gemeinsamen Dienstbesprechung am 30.08.2022 insgesamt gut klarkommen.

Zu 3.)

Das Kindertagespflegebüro für den Landkreis Cloppenburg hat als Fachberatung in der Kindertagespflege im Rahmen der Evaluation zwei Umfragen unter den aktiven KTTPs im Kreisgebiet gestartet.

In einer ersten Blitzumfrage wurde via Stichprobenumfrage die Zufriedenheit mit der Pünktlichkeit der Auszahlung in einer Bewertungsampel (Gut, befriedigend, schlecht) abgefragt. Im Ergebnis schneiden 9 Kommunen mit „gut“, 1 Gemeinde mit „befriedigend“ und 3 Kommunen mit „schlecht“ im Meinungsbild der Kindertagespflegepersonen ab.

In einer größeren Umfrage sollte ein kreisweites Meinungsbild unter Aufklärung der möglichen Änderungen durch einen Wechsel der Abrechnungssystematik eingeholt werden (Anlage 6)

Der Fragebogen wurde an 254 aktive KTTPs versandt. Von 130 Teilnehmenden an der Befragung sprechen sich 43,85% gegen eine pauschalisierte Vergütung aus.
Im Umkehrschluss sind 56,15% für eine pauschalierte Abrechnung.

Wenn man nun bedenkt, dass 51,18% der aktiven KTPP an der Befragung teilgenommen haben, so ist offenbar nur ca. weniger als  einem Drittel (=73 KTPP) aller 254 KTPP das Thema "pauschalierte Bezahlung" tatsächlich wichtig; das sind 28,74%.
Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass unter den Befragungsteilnehmern die pauschalierte Vergütung als Form der zeitnahen Vergütung favorisiert wird.

Fazit:

Vor dem Hintergrund, dass die Kindertagespflegepersonen im Landkreis Cloppenburg in pünktlicher Vergütung Ihrer Arbeit ein berechtigtes Anliegen vorbringen, bei dem es punktuell in einigen Kommunen Optimierungsbedarf gibt und in Kombination mit den Erwägungen und Erkenntnissen aus dem Benchmark zu 1.) und dem Ergebnis der Vergleichsrechnung der Gemeinden zu 2.) mit der zu erwartenden Kostensteigerung durch Implementierung eines kreisweiten pauschaliertem Abrechnungssystems in der Kindertagespflege, kann eine Kompromisslinie im Sinne des Antrages darin liegen, die Kommunen für die Verwaltungspraxis anzuweisen mit Abschlägen in Höhe von 90% der beantragten Betreuungsbedarfe zu festen Auszahlungstagen (beispielweise zur Monatsmitte) zu arbeiten. Eine pauschalierte Abrechnung, bei der über die Stundenzettel lediglich eine Fehltageermittlung vorgenommen wird - insbesondere bei Kindern mit wiederkehrend konstanten Betreuungszeiten – würde eine Vereinfachung bei Aufrechterhaltung der Kosteneffizienz bedeuten.

 

Entwicklung der Inflations- und Energiekosten:

Unabhängig davon, dass die Vergütung der Förderung von Kindern in der Kindertagespflege im Landkreis Cloppenburg grundsätzlich gut ausgestaltet ist, bereitet die aktuelle Kostenentwicklung insbesondere der steigenden Energiekosten der Kreisverwaltung auch mit Blick auf die Kinderbetreuung große Sorge.

Wegen der steigenden Energiekosten zahlt die Bundesregierung aktuell eine Energiepreispauschale (EPP) in Höhe von 300,00 € über die Arbeitgeber an Arbeitnehmer. Selbstständig Tätige - also auch die Kindertagespflegepersonen als „geförderte“ Selbstständige - haben die Möglichkeit, über die Einkommensteuer diesen Zuschuss in Anspruch zu nehmen. Dazu können sie die Vorauszahlung für die Einkommensteuer, die für das dritte Quartal zum 10.09.2022 fällig wird, um 300,00 € kürzen bzw. bei der nächsten Einkommensteuererklärung geltend machen.

Trotzdem ist die Situation vieler Kindertagespflegepersonen auch im Landkreis Cloppenburg belastend. Die Kosten laufen aus dem Ruder und Einsparmöglichkeiten, wie bei anderen abhängig Beschäftigten, sind kaum gegeben. Die Raumtemperatur zu senken, wenn kleine Kinder auf dem Fußboden krabbeln, verbietet sich. Kindertagespflegepersonen, die nicht in ihren eigenen Wohnräumen betreuen, haben doppelte Kosten. Sie zahlen teilweise höhere Mieten und Energiepreise für ihre eigene Wohnung/eigenes Haus und die angemieteten Räume.

Da auch für die Kreisverwaltung nicht überschaubar ist, inwieweit es sich bezüglich der Energiekosten um eine kurz- oder mittelfristige Sondersituation handelt, sollte dieser Sondersituation der Kindertagespflege mit Sonderzahlungen abgeholfen werden. Eine temporär begrenzte Energiepauschale mindestens in Höhe der Energiepreispauschale des Bundes, wie Sie für abhängig Beschäftigte gezahlt .wurde, würde aus Sicht der Kreisverwaltung eine adäquate Überbrückung akuter finanzieller Belastung bei den Energiekosten in der Kindertagespflege darstellen.

 

 

 

 


Finanzierung:

Durch die Sonderzahlung ist eine Mehrbelastung von 76,200,00 € zu erwarten

PSP-Element P 1.361.000.200 / Sachkonto 445200

 

 


Anlagenverzeichnis:

Anlage 1 – Antrag der CDU-Fraktion

Anlage 2 – Schreiben des Kindertagespflegevereins vom 21.06. und 17.07.2022

Anlage 3 – Antwortschreiben des Jugendamtes des LK Cloppenburg

Anlage 4 – Benchmark Tagespflegeentgelt ehem. Reg.-Bezirk Weser-Ems

Anlage 5 – Berechnungsbeispiele Verdienstmöglichkeiten KTPP

Anlage 6 – Fragebogen und Umfrage des Kindertagespflegebüros bei den KTPPs