Beschlussvorschlag:
Der Sozialausschuss
begrüßt grundsätzlich die Möglichkeit zur Einführung einer Gesundheitskarte für
Asylbewerber. Er empfiehlt der Kreisverwaltung, die Umsetzung - insbesondere
die Erfahrungen anderer Kommunen in Niedersachsen - im Auge zu behalten und im
kommenden Jahr darüber dem Sozialausschuss zu berichten. Dem Kreistag wird
empfohlen, sich diesem Beschluss anzuschließen.
Sachverhalt:
Die Fraktion
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN stellt mit Schreiben vom 14.04.2016 den Antrag, dass
der Kreistag die Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Niedersachsen und den
gesetzlichen Krankenkassen zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte
für Asylbewerberleistungsempfänger/innen begrüße und die Verwaltung bitte, der
Rahmenvereinbarung beizutreten (Anlage 1).
Das Nds.
Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und die Landesverbände
der gesetzlichen Krankenversicherungen haben am 14.03.2016 eine
Rahmenvereinbarung zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für
Asylsuchende unterzeichnet (Anlage 2).
Die für die
Finanzierung der Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden zuständigen Kommunen
können im nächsten Schritt darüber entscheiden, ob sie der Rahmenvereinbarung
beitreten (§ 3 der Vereinbarung). Der Beitritt ist gegenüber dem Land zu
erklären.
An dieser Stelle
ist darauf hinzuweisen, dass die Beitrittserklärung ein „Geschäft der laufenden
Verwaltung“ ist und die Entscheidung darüber dem Landrat obliegt.
Die kommunalen
Spitzenverbände haben in einer Pressemitteilung vom 16.3.2016 sehr kritisch
Stellung bezogen (Anlage 3). „Das ist nicht akzeptabel“, stellte der
Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages Hubert Meyer
zusammenfassend fest.
Die Gesundheitskarte
gilt für Asylbewerber, die Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten. Der Umfang der
medizinischen Versorgung ist in §§ 4, 6 Asylbewerberleistungsgesetz geregelt
(akute Erkrankungen, Schmerzzustände). Durch die Einführung der
Gesundheitskarte ändert sich der eingeschränkte Leistungsumfang nicht.
Wesentliche Änderung
der Gesundheitskarte ist, dass die Ausstellung der Krankenbehandlungsscheine
durch die Sozialämter entfällt.
Derzeit muss das
örtliche Sozialamt für die ärztliche Behandlung einen Krankenschein ausstellen,
in der Regel nach Vorsprache des Asylbewerbers im Sozialamt. In Eilfällen ist
die Vorsprache selbstverständlich entbehrlich. Für die Hausärzte wird der
Krankenschein in der Regel mit einer Laufzeit von einem Quartal, für Zahnärzte,
Fachärzte oder Ärzte außerhalb des Landkreises grundsätzlich für einmalige
Behandlungen ausgestellt.
Wenn den
Sachbearbeiter/innen des Sozialamtes unklar ist, ob die Behandlung erforderlich
i.S. des § 4 AsylbLG ist, erfolgt eine amtsärztliche Prüfung durch das
Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt wird insbesondere bei Überweisungen an
Fachärzte, Psychologen oder bei Hilfsmitteln und Zahnersatz zu Rate gezogen.
Ist aus Sicht des Gesundheitsamtes eine Behandlung oder ein Hilfsmittel nicht
notwendig im Sinne des AsylbLG, wird der Krankenschein oder das
Kostenanerkenntnis vom Sozialamt abgelehnt.
Nach 15 Monaten
Aufenthalt wechselt der Leistungsbezug von § 3 AsylbLG nach
§ 2 AsylbLG. Der Wechsel zu § 2 AsylbLG bedeutet, dass diese Personen
Leistungen entsprechend SGB XII erhalten (vergleichbar der Sozialhilfe). Dies
bewirkt dann auch, dass Flüchtlinge nach 15 Monaten Anspruch auf medizinische
Versorgung entsprechend der gesetzlichen Krankenversicherung haben (Erstattung
auch hier vom Landkreis an die Krankenkassen, plus 5 %
Verwaltungskostenpauschale).
Wenn das BAMF
künftig schneller über Asylanträge entscheidet, verringert sich der Zeitraum
des Leistungsbezuges nach § 3 AsylbLG voraussichtlich erheblich. Nach einer
Anerkennung als Flüchtling wechseln die Personen zum Jobcenter und werden von
dort bei der gesetzlichen Krankenversicherung angemeldet. Damit sinkt die
Bedeutung der Gesundheitskarte.
Anzumerken ist, dass
der Landkreis den Krankenkassen alle geltend gemachten Aufwendungen zu
erstatten hat, andererseits die Krankenkassen nach den Regelungen der
Rahmenvereinbarung aber keine Prüfung vornehmen, inwieweit die erbrachten
Leistungen den eingeschränkten Leistungen nach dem AsylbLG entsprechen. Damit
ist nicht sichergestellt, dass nur notwendige Behandlungen im Rahmen der
gesetzlichen Regelungen des AsylbLG abgerechnet werden.
Neben einmaligen Gebühren, die bei der Ausstellung der
elektronischen Gesundheitskarte den Kommunen in Rechnung gestellt werden, sind
nach § 12 die Verwaltungskosten in Höhe von 8 % der entstandenen
Leistungsaufwendungen, mindestens jedoch 10 Euro pro angefangenem
Betreuungsmonat je Leistungsberechtigten den Krankenkassen zu erstatten.
Die
durchschnittlichen Kosten für die medizinische Versorgung betragen pro
Asylbewerber rd. 1.500 € / Jahr. Es gibt Schätzungen, dass die Kosten auf bis
zu 1.800 € steigen könnten.
Derzeit sind im
Landkreis Cloppenburg ca. 2.900 Asylbewerber im Leistungsbezug. Davon beziehen
– weil in den vergangenen Monaten neu eingereist – mindestens ca. 2.500
Personen Leistungen nach § 3 AsylbLG.
Die
Verwaltungskostenpauschale an die Krankenkassen lässt sich wie folgt schätzen:
-
2.500 Personen
x 1.800 € = bis zu
4,7 Mio. € für Krankenhilfe,
-
davon 8 % = bis
zu 360.000 € / Jahr.
Anders als vom Land
angenommen sind entsprechende Einsparungen durch eine Reduzierung des
Verwaltungsaufwandes bei den Kommunen nicht erkennbar. Angesichts des in der
Rahmenvereinbarung vorgesehenen An - und Abmeldeverfahrens (Anmeldebogen,
Lichtbild, Namensänderungen, Ummeldungen, innerörtlicher Umzug, Wegzug, Einzug
der Gesundheitskarte bei Leistungswechsel usw.) sowie des Abrechnungsverfahrens
für die erbrachten Krankenkassenleistungen und letztendlich der beim
Sozialamt/Gesundheitsamt verbleibenden Entscheidungsvorbehalte dürfte der
Arbeitsaufwand bei den Sozialämtern der Städte und Gemeinden sowie der
Kreisverwaltung künftig nicht wesentlich geringer werden.
Eine kurzfristige
Beitrittserklärung des Landkreises Cloppenburg zur Rahmenvereinbarung des
Landes mit den Verbänden der gesetzlichen Krankenversicherung in Niedersachsen
zur
Einführung einer
elektronischen Gesundheitskarte für Asylsuchende ist nach alledem von der
Verwaltung nicht beabsichtigt. Die weitere Entwicklung auf Landesebene in den
kommenden Monaten soll abgewartet werden.
Finanzierung:
siehe oben
Anlagenverzeichnis:
1. Schreiben der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN vom 14.04.2016
2. Rahmenvereinbarung
3. Pressemitteilung NLT vom 16.03.2016