Sitzung: 15.01.2015 Ausschuss für Planung und Umwelt
Beschluss: zur Kenntnis genommen
Vorlage: V-PLA/14/107
Zu Beginn dieses
Tagesordnungspunktes erläuterte Kreistagsabgeordneter Kolde seine Anfrage und
zeigte Bilder des betroffenen Stalles in der Gemeinde Essen.
Die Vorführung eines Videofilms
hierzu wurde abgelehnt, da dieser personenbezogene Daten enthielt und somit
datenschutzrechtliche Probleme nicht ausgeschlossen werden konnten.
Kreistagsabgeordneter Kolde lobte
zunächst die sehr gute Arbeit des Veterinäramtes und verwies dann auf die im
Fernsehen gezeigten Bilder vom 20.11.2014, die gravierende Tierschutzverstöße
dokumentierten. Er hoffe, dass es sich dabei um einen Einzelfall handele, sei
davon aber nicht ganz überzeugt, da der Betrieb strafrechtlich vorbelastet sei
und die letzte Kontrolle 2013 stattgefunden habe. Der Bericht im Fernsehen habe
erneute Tierschutzvergehen gezeigt, mit denen der Tierhalter nicht nur seine
Kollegen, sondern das gesamte Oldenburger Münsterland in Verruf bringe. Die
SPD-Fraktion fordere daher die Einführung von Mehrfachkontrollen und zeitlich
unbestimmte Kontrollen, die nicht vorher angekündigt würden. Tierschutz und Tierwohl
müssten aus Sicht des Verbrauchers bei der Haltung von Tieren unbedingt
beachtet werden. Er wies darauf hin, dass nach seinen Informationen die
betreffende Stallanlage in Bartmannsholte nach dem strafrechtlich relevanten
Tierschutzverstoß im September 2011 insgesamt 8 mal kontrolliert worden sei, in
den Jahren 2012 und 2013 davon allerdings nur vier Mal, was rechnerisch nur
eine Kontrolle in sechs Monaten bedeute.
Die Tierschutzvereinigung Animal
Rights Watch sei am 18.10. und am 11.11.2014 in die Anlage eingedrungen, habe
dort illegal Aufnahmen gemacht und damit erneut tierschutzrechtliche Missstände
in dem Betrieb dokumentiert.
Abschließend sprach er sich dafür
aus, die gesetzlich vorgesehenen Regelkontrollen, Nachkontrollen und
anlassbezogenen Kontrollen zukünftig unangekündigt und bei auffälligen
Betrieben mehrfach durchzuführen, um solche gravierenden Fälle zu verhindern.
Im Anschluss daran referierte Frau
Dr. Volke- Middendorf vom Veterinäramt zur Kontrollpraxis des Veterinäramtes im
Bereich Tierschutz und Tiergesundheit.
Vorab wies sie darauf hin, dass bei
dem betreffenden Betrieb in einem Stall ein sehr akutes Problem vorgefunden
worden sei. Seinerzeit sei der gesamte Betrieb kontrolliert worden. Die übrigen
vom Betriebsinhaber betriebenen Ställe seien in Ordnung gewesen. Man habe
damals Strafanzeige erstattet. In Absprache mit dem Landrat Eveslage, dem
Dezernenten und dem Ministerium sei entschieden worden, kein Tierhaltungsverbot
auszusprechen. Es sei für den Betrieb zusammen mit dem Hoftierarzt ein Konzept
entwickelt und der Weiterbetrieb zugelassen worden, weil der Betrieb vorher nie
aufgefallen sei. Am Anfang habe ein sehr enges Kontrollintervall bestanden,
welches nach und nach gelockert worden wäre. In 2013 habe in diesem Betrieb wie
in allen übrigen Sauenhaltungsbetrieben auch die Umstellung auf Gruppenhaltung
vollzogen werden müssen. Der Tierhalter habe dies vollständig umgesetzt und
gehörte damit zum oberen Drittel aller Sauenbetriebe im Landkreis. Der Betrieb
habe 2013 keine Mängel mehr aufgewiesen. Es sei dann eine erneute
Risikoabschätzung erfolgt, wobei die Entwicklung des Betriebes als durchweg
positiv gesehen worden sei. Der Betrieb sei Ende 2014 für eine erneute
Kontrolle vorgesehen gewesen. Hätte sich die Tierschutzorganisation gleich bei
der ersten Begehung des Stalles im Oktober 2014 an das Veterinäramt gewandt,
hätte man sofort eine erneute Kontrolle durchgeführt und die festgestellten
Missstände früher abstellen können und den Tieren unnötiges weiteres Leiden
erspart.
Frau Dr. Volke- Middendorf
erläuterte anschließend die Aufgabenbereiche des Veterinäramtes im Bereich
Tierschutz und Tiergesundheit und wies darauf hin, dass neben der Kontrolle
landwirtschaftlicher und gewerblicher Tierhaltungen andere Überwachungen ebenfalls
notwendig seien. Aus diesem Grunde werde jährlich ein Kontrollplan erstellt.
Die Rechtsgrundlagen für Tierschutzkontrollen in der Nutztierhaltung seien
vielfältig.
Vor-Ort-Kontrollen sollten in der
Regel unangekündigt durchgeführt werden, könnten aber kurzfristig vorher
angekündigt werden, wenn der Kontrollzweck dadurch nicht gefährdet sei. Eine
Bündelung der CC-Vor-Ort-Kontrollen und anderer gemeinschaftsrechtlich
vorgesehenen Kontrollen sei möglich, sinnvoll und notwendig, um die
Personalkapazitäten des Amtes effektiv einzusetzen. Dies sei bei der Vielzahl
an tierhaltenden Betrieben im Landkreis Cloppenburg unabdingbar. In der Regel
werde daher der Betrieb nachmittags vorher über eine Kontrolle informiert.
Auf Rückfrage der Abgeordneten
Nüdling ergänzte sie, dass diese vorherige Anmeldung nur bei Regelkontrollen
praktiziert werde. Dies gelte nicht für anlassbezogene Kontrollen. Da diese oft
auf Anzeigen oder Beschwerden zurückgingen, würden derartige Kontrollen immer
unangekündigt und die dazu gehörenden späteren Nachkontrollen ebenfalls ohne
Anmeldung durchgeführt.
Dem gegenüber umfassten die
angekündigten Regelkontrollen Kontrollen nach Tierschutzrecht, Tierseuchenrecht
und Arzneimittelrecht. Die Ankündigung erfolge, da es zwingend notwendig sei,
dass der Verantwortliche für den Betrieb für kompetente Auskünfte anwesend sei.
Außerdem müssten notwendige Dokumentationen vorgelegt werden, die häufig nicht
vom Betriebsleiter, sondern von seiner Ehefrau geführt würden. Diese könnten
bei unangekündigten Kontrollen oft nicht vollständig vorgelegt werden, so dass
durch die Ankündigung auch zeitaufwändige Doppelanfahrten vermieden würden.
Nach den Erfahrungen des Veterinäramtes gefährden die Ankündigungen den
Kontrollzweck nicht. Trotzdem würden tierschutzrechtlich relevante
Feststellungen gemacht. Schwerwiegende bauliche und hygienische Mängel sowie
Managementfehler blieben nicht verborgen. Fast 50 % der Kontrollen - auch der
angekündigten – führten zur Einleitung von Verwaltungsverfahren. Bei einem
Zeitaufwand von 3 bis 8 Stunden pro Betrieb sei es mit dem vorhandenen Personal
nicht möglich, auf die Ankündigung grundsätzlich zu verzichten. Einzelfälle wie
der aus Essen führten dazu, dass derartige Betriebe als Problembetriebe
eingestuft und in einem individuell festgelegten Intervall kontrolliert würden.
Zur Kontrollhäufigkeit wies sie
darauf hin, dass die Anzahl der Kontrollen bei landwirtschaftlichen
Nutztierhaltungen in den vergangenen Jahren gestiegen sei. Die Zahl der
Bußgeld- und Strafverfahren habe sich ebenfalls erhöht.
In ihrer Schlussbetrachtung wies sie
darauf hin, dass die Bandbreite der bestehenden Kontrollverpflichtungen nur mit
einem strukturierten Arbeits- und Zeitmanagement von den Mitarbeitern des
Veterinäramtes bewältigt werden könne. Sie verwies auf die gesetzliche
Verantwortung des einzelnen Tierhalters, seinen Betrieb kontinuierlich zu
überprüfen.
Leitender Veterinärdirektor Dr.
Paschertz ergänzte, die Entscheidung und Risikobewertung bei dem auffälligen
Betrieb in Essen sei in Zusammenarbeit mit der Fachaufsichtsbehörde getroffen
worden. Gerade die Fachaufsicht habe die Richtigkeit des Vorgehens bei den
Kontrollen in dem Betrieb bestätigt. Auch die Staatsanwaltschaft habe in ihrem
Verfahren kein Tierhaltungsverbot gegen den Tierhalter ausgesprochen.
Im Übrigen sei in 2014 die
Tierschutzabteilung des Landkreises Cloppenburg auditiert worden. Im
Auditbericht werde ausgeführt, dass das
System zur Risikobeurteilung von Betrieben gemäß Artikel 3
der Verordnung (EG) Nr. 882/2004
überdurchschnittlich gut implementiert ist.
Der vorliegende Fall zeige, dass
insgesamt aber eine bessere Zusammenarbeit mit den Tierschutzorganisationen
wünschenswert sei.
Kreistagsabgeordneter Götting
erklärte, der Tierschutzfall in Essen sei als absoluter Sonderfall anzusehen
und nicht repräsentativ. Es sei verständlich, dass dem Landwirt seinerzeit eine
zweite Chance zugestanden worden sei. Skandalös sei, dass die
Tierschutzorganisation nicht bereits nach der ersten Begehung des Stalles das
Veterinäramt informiert hatte, da die damals vorgefundenen Zustände ja wohl
bereits für entsprechende Maßnahmen für das jetzt ausgesprochene
Tierhaltungsverbot ausgereicht hätten. Damit hätte man den Tieren weitere
Qualen über Wochen ersparen können. Er wolle damit aber nicht die Verantwortung
auf die Organisation schieben, die zwar Hausfriedensbruch begangen habe, aber
durch ihr Handeln erst die Missstände aufgedeckt habe. Es sei richtig, dass die
Angelegenheit im Ausschuss diskutiert werde und der Landwirt zur Verantwortung
gezogen werde.
Er wies darauf hin, dass die
Landwirtschaft aus diesem Fall Konsequenzen ziehen werde. Das Landvolk wolle
eine psychologische Beratungsstelle einrichten, an die sich betroffene
Landwirte anonym wenden könnten und dort auch Hilfen erhalten könnten. Außerdem
sei bekannt, dass sowohl die Schlachthöfe als auch die Oldenburger
Fleischmehlfabrik sich bei Auffälligkeiten am Tiermaterial sofort an das
zuständige Veterinäramt wenden würden. Er kenne aus eigener Erfahrung als
Landwirt die umfangreichen Dokumentationspflichten eines Tierhalters. Die
Bilder des Tierschutzfalles seien noch bei jedermann so präsent, dass man auf
ein Vorführen in der Sitzung hätte verzichten können.
Auf Rückfrage des Abgeordneten Loots
erklärte Frau Dr. Volke- Middendorf, dass Stallanlagen grundsätzlich nur im
Beisein des Betriebsleiters betreten würden. Nur bei akuten Anzeigen gehe man
allein in den Stall. Die Mitarbeiter des Amtes seien in der Regel allein vor
Ort, bei Problemfällen kontrolliere das Amt soweit möglich zu zweit.
Kreistagsabgeordneter Dobelmann
verwies darauf, dass seiner Ansicht nach derartige Vorfälle systembedingt seien
aufgrund falscher Haltungsformen und zu hohen Tierzahlen in den Betrieben. Die
steigenden Beanstandungen deuteten darauf hin, dass die Tierhalter überfordert
seien bzw. deren Mitarbeiter nicht hinreichend geschult seien.
Frau Dr. Volke- Middendorf erklärte
hierzu, dass die Verstöße nicht an den Tierzahlen festzumachen seien. Verstöße
lägen nicht nur bei den Massentierhaltungen vor, sondern auch bei kleineren
Betrieben. Es bestehe vielmehr der Eindruck, dass einige Landwirte mit der
Vielzahl der Aufgaben und den immer steigenden Dokumentationspflichten stark
belastet seien. Hinzu komme, dass landwirtschaftliche Produkte oftmals nicht
hinreichend entlohnt würden.
Kreistagsabgeordneter Götting warf
ein, auch er sehe keinen zwingenden Zusammenhang zwischen den Verstößen und den
hohen Tierzahlen.
Leitender Veterinärdirektor
Paschertz verwies darauf, dass Anfang der 90er Jahre ca. ein Drittel der heutigen
Tierplätze vorhanden gewesen seien. Eine sehr hohe Exporttätigkeit sei dazu
gekommen. Nur an der Betriebsgröße könne man die Verstöße nicht festmachen, da
Biobetriebe und konventionelle Betriebe gleichermaßen betroffen seien. Es gehe
bei derartigen Verstößen häufig um menschliche Schicksale.
Kreistagsabgeordneter Kolde
erkundigte sich danach, ob die rechtlichen Vorgaben und die vorhandenen
Befugnisse ausreichten oder ob hier nachgesteuert werden müsse.
Frau Dr. Volke-Middendorf erklärte
hierzu, die rechtlichen Vorgaben seien absolut ausreichend und die Grundlagen
für ein Einschreiten sehr sicher. Die üblichen Klageverfahren gegen das
Tierhaltungsverbot seien in der Vergangenheit immer zugunsten des Landkreises
entschieden worden.
Abschließend wies Landrat Johann
Wimberg darauf hin, dass er die Ausstrahlung in den Tagesthemen nicht für
glücklich halte. Es sei der Eindruck entstanden, der Landkreis kontrolliere
seine Tierhalter nicht in ausreichendem Umfang. Das Veterinäramt habe den Fall
zum Anlass genommen, sein bisheriges Verfahren nochmals auf den Prüfstand zu
stellen. Es dürfe nicht geschehen, dass solche Fälle für reine Effekthascherei
genutzt würden. Durch die Darstellung in den Medien werde der Öffentlichkeit
Glauben gemacht, man könne solche Fälle verhindern, wenn nur genügend
kontrolliert werde. Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass man derartige
Fälle nie ganz verhindern könne, so viel Personal man auch beschäftige.
Das Handout zum Vortrag von Frau Dr.
Volke-Middendorf liegt dem Protokoll an.
Der Ausschuss für Planung und Umwelt nahm die Ausführungen zur Kenntnis.