Sachverhalt:
Das Jugendschutzgesetz (JuSchG) beschränkt die Abgabe von alkoholischen Getränken und Tabakerzeugnissen an Kinder und Jugendliche, sowie das Zugänglichmachen von Bildträgern für Kinder und Jugendliche.
Um die
Einhaltung der Bestimmungen zu überwachen, sind im Landkreis Cloppenburg seit
2009 in Kooperation mit der Polizei im Kreisgebiet regelmäßig Testkäufe mit
Einsatz von jugendlichen Personen durchgeführt worden.
Grundlage für die Durchführung dieser Jugendschutzmaßnahmen war ein Runderlass des Nds. Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) und des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport (MI) vom 1.9.2010, geändert durch Gem. RdErl. vom 9.9.2015.
Dieser
Erlass bezog sich auf den Kauf alkoholischer Produkte und gewalthaltige
Computerspiele. Tabakwaren wurden nicht berücksichtigt.
Seit dem
Erlass werden im Landkreis Cloppenburg in regelmäßigen Abständen bis heute
Alkoholtestkäufe durchgeführt. Die „Trefferquote“ liegt seitdem
durchschnittlich bei 56,5 %. Es wurden bislang Verkaufsstellen wie Tankstellen,
Supermärkte, Bäckereien und Kioske kontrolliert. Dabei wurde wahllos
vorgegangen. Es sei denn, dass es Hinweise aus der Bevölkerung gab. Diesen
wurde nachgegangen, um die Betreiber noch einmal auf die Einhaltung des
Jugendschutzgesetzes hinzuweisen.
Nach
Auslaufen des Erlasses haben einige niedersächsische Behörden ganz auf die
Durchführung von Testkäufen verzichtet, da sie keine Handlungsgrundlage mehr
sahen, auf die man sich im Streitfall oder bei der Anfechtung von
Bußgeldverfahren nach §28 JuSchG hätte berufen können. Denn der Einsatz von
jugendlichen Testpersonen steht als „Tatprovokation“ und als Grundsatz des
fairen Verfahrens immer wieder in der Kritik.
Der Erlass
sollte als kooperative, behördliche Handlungsempfehlung dienen. Ob jugendliche
Testpersonen eingesetzt bei Jugendschutzkontrollen eingesetzt werden können und
sollen, war und ist eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde. Eine
Durchführungspflicht besteht nicht.
Nach einer
Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen sind Testkäufe aus
Sicht der Verwaltung des Jugendamtes weiter möglich.
Nach dieser Entscheidung
liegt bei einem Kontrollkauf eines von der Polizei angeleiteten jugendlichen
Testkäufers kein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vor, wenn
der Testkäufer die Schwelle zur Tatprovokation nicht überschreitet. Eine
Tatprovokation liegt nicht vor, wenn der Testkäufer lediglich das Verhalten
eines „normalen“ Kunden an den Tag legt und darüber hinaus nichts unternimmt,
um Bedenken des Verkäufers zu zerstreuen, der Kunde habe nicht das notwendige
Mindestalter für den Erwerb der Alkoholika.“ (Vgl. Hanseatisches
Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 31. Oktober 2011 – 2SsRs 28/11, 2 Ss
Rs 28/11 -, juris)
Diese
Entscheidung passt inhaltlich zu der empfohlenen Vorgehensweise des außer Kraft
getretenen Erlasses. Er zeigt auf, dass der Einsatz jugendlicher
Testkaufpersonen bei Einhaltung der Vorgaben aus dem Erlass vertretbar wäre.
Alkoholtestkäufe
mit entsprechend angeleiteten Testkäufern dienen:
1.
der Sensibilisierung des
Verkaufspersonals, damit die gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen beim Verkauf
von alkoholischen Getränken eingehalten werden
2.
einer Veränderung der Abgabepraxis
3.
der Unterstützung des
Verkaufspersonals und der Vermittlung der Botschaft, dass die Frage nach dem
Alter und die Kontrolle des Ausweises zur Norm werden können
4.
der Reduktion der Verfügbarkeit
alkoholischer Getränke für Jugendliche, die das gesetzliche Mindestalter noch
nicht erreicht haben
5. der
Sensibilisierung der Jugendlichen, der Eltern und der Öffentlichkeit zum Thema
„Alkohol und Jugendschutz“
Da auch
immer häufiger Meldungen eingehen, bei denen es sich um Kauf von Tabakwaren
durch Minderjährige handelt, kann hier nur durch Testkäufe als Mittel an die
Verantwortung der Erwachsenen appelliert werden. Durch mündlich ausgesprochene
Ermahnungen wurden keine Effekte beim Verkaufspersonal erzielt.