Betreff
Soziale Betreuung von Ausländer*innen in den Städten und Gemeinden des Landkreises Cloppenburg
Vorlage
V-SOZ/22/155
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

Der Sozialausschuss empfiehlt dem Kreistag die Bereitstellung von Finanzmitteln in Höhe von 350.000,00 Euro jährlich für die Jahre 2023-2026 für die 50 % Erstattung der Kosten, die den Städten und Gemeinden des Landkreises durch die soziale Betreuung von Ausländer*innen entstehen. Die Berechnung erfolgt nach einem Schlüssel von 1 : 1.500 (1 Sozialarbeiter*in für 1.500 Ausländer*innen).

 


Sachverhalt:

 

 

Bezug :

Sozialausschuss        21.11.2019, V-SOZ/19/11

Kreisausschuss          05.12.2019

Kreistag                    17.12.2019

 

 

Der Kreistag hat in seiner Sitzung vom 17.12.2019 die Bereitstellung von Finanzmitteln für die 50 % Erstattung der Kosten beschlossen, die den Städten und Gemeinden des Landkreises durch die soziale Betreuung von Ausländer*innen entstehen. Mit den Städten und Gemeinden wurde im Anschluss eine Vereinbarung geschlossen, die u. a. die Modalitäten der Kostenerstattung und das Aufgabenspektrum der sozialen Betreuung beinhaltet. Die Berechnung der Personalkapazitäten erfolgt nach einem Schlüssel von 1 : 1.500 (1 Sozialarbeiter*in für 1.500 Ausländer*innen). Die Beratungs- und Unterstützungsinhalte beziehen sich u.a. auf nachfolgende Themen:

 

  • Ansprechperson, allgemeine soziale Beratung und Betreuung im täglichen Leben
  • Ausführliche Erklärungen zu deutschen Gesetzen und Regeln, ggfs. Vermittlung an Rechtsberatungsstellen
  • Förderung des Spracherwerbs
  • Allgemeine Beratung in Fragen zur gesundheitlichen Basisversorgung
  • Hinweise auf andere Beratungsstellen/Behörden und deren Unterstützungsangebote (z. B. juristische Beratungsstelle für Arbeitsmigrantinnen und -migranten, Sozialberatung, Schuldnerberatung, Suchtberatung, Schwangerenberatung) und bei Bedarf Weitervermittlung
  • Unterstützung bei der Teilhabe an Bildung, Ausbildung, Arbeit und Freizeitangeboten
  • Prüfung der Erfüllung der Schulpflicht bei Kindern und Jugendlichen, ggfs. Vermittlung in passende Bildungssysteme, Unterstützung bei Schulwechsel, Unterstützung bei der Prüfung und Anerkennung von Bildungsabschlüssen und Zertifikaten
  • Unterstützung bei der Unterbringung in Kindertagesstätten
  • Beratung zum Thema Wohnen, Umgang mit hiesigen Nachbarschaftsverhältnissen
  • Zusammenarbeit mit bzw. Initiierung und ggfs. Begleitung von (ehrenamtlich) engagierten Personen und Institutionen hinsichtlich der Betreuung und Teilhabe für Familien, die langfristig im Landkreis Cloppenburg bleiben werden
  • Förderung von Akzeptanz und Toleranz zwischen Zugewanderten und der einheimischen Bevölkerung

 

 

Diese Vereinbarung ist gemäß des Kreistagsbeschlusses auf 3 Jahre befristet und läuft somit zum Ende dieses Jahres aus. 

Aktuell haben 7 Städte und Gemeinden des Landkreises Cloppenburg Personal gemäß dieser Vereinbarung beschäftigt bzw. beabsichtigen die Möglichkeiten der Vereinbarung zu nutzen.

 

Nachfolgende Tabelle zeigt, in welchem Umfang Finanzmittel für Personal laut der Vereinbarung bereitgestellt werden könnte:

 

 

Gemeinde / Stadt

Anzahl der Ausländerinnen und Ausländer (Stand 29.07.2022/
Meldung Amt 32)

Ermittelter Prozentsatz (100 % entspricht 1.500 Personen)

Höchstbetrag anerkennungsfähige Kosten
(100 % = 63.917,83 € / TVöD S 11b Stufe 3 - 01.01.2023-31.12.2023)

Höchstbetrag
Erstattung
(50 %)

Barßel

945

63,00

40.268,23 €

20.134,12 €

Bösel

1.333

88,87

56.801,64 €

28.400,82 €

Cappeln

837

55,80

35.666,15 €

17.833,07 €

Cloppenburg

7.111

474,07

303.013,13 €

151.506,56 €

Emstek

1.574

104,93

67.071,11 €

33.535,55 €

Essen

1.706

113,73

72.695,88 €

36.347,94 €

Friesoythe

2.382

158,80

101.501,51 €

50.750,76 €

Garrel

2.449

163,27

104.356,51 €

52.178,26 €

Lastrup

945

63,00

40.268,23 €

20.134,12 €

Lindern

652

43,47

27.782,95 €

13.891,48 €

Löningen

1.600

106,67

68.179,02 €

34.089,51 €

Molbergen

1217

81,13

51.858,67 €

25.929,33 €

Saterland

1.541

102,73

65.664,92 €

32.832,46 €

 

 

 

 

 

Gesamt

24.292

 

 

517.563,98 €

Die Kommunen Bösel, Emstek, Essen, Friesoythe und Molbergen haben 2021 nach der Vereinbarung abgerechnet.

Die Stadt Löningen hat die Genehmigung für die Abrechnung nach der Vereinbarung ab 2022 erhalten.

Die Stadt Cloppenburg hat einen Antrag für 2022 gestellt.

 

 

Die Städte und Gemeinden, die diese Finanzmittel des Landkreises nutzen und ggf. noch nutzen wollen, wünschen sich eine Verlängerung der Vereinbarung um 3 Jahre aus Gründen der Planungssicherheit.

 

Aufgrund der weiterhin steigenden Zuzugszahlen der Arbeitsmigranten*innen aus den osteuropäischen EU-Ländern, den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und einer neuen Quote von Asylbewerbern*innen für den Landkreis Cloppenburg, sind die Zuzugszahlen in den vergangenen Monaten erheblich angestiegen. Waren es im September 2019 noch rund 19.000 Personen, so liegt die Gesamtzahl der Ausländer*innen die aktuell im Landkreis Cloppenburg leben (Stand Juli 2022) bei ca. 24.292 Personen.

 

Anzahl der Ausländer*innen in den Städten und Gemeinden des Landkreises Cloppenburg (Stand 29.07.2022):

 

Gemeinde/Stadt

Anzahl Ausländer*innen

Barßel

945

Bösel

1.333

Cappeln

837

Cloppenburg

7.111

Emstek

1.574

Essen

1.706

Friesoythe

2.382

Garrel

2.449

Lastrup

945

Lindern

625

Löningen

1.600

Molbergen

1.217

Saterland

1.541

Gesamt

24.292

 

 

Arbeitsmigration

 

Besonders häufig sind diese Menschen mit Migrationsgeschichte im Landkreis Cloppenburg in der Fleischindustrie beschäftigt. Aber auch im im Hotel- und Gastronomiegewerbe, in der Landwirtschaft und in der Logistik- und Baubranche sind sie stark vertreten.

Mit den Arbeits- und Lebensverhältnissen dieser Menschen befasst sich der Landkreis bereits seit vielen Jahren. Mittlerweile sind Veränderungen in der Lebenssituation vieler Arbeitsmigranten*innen zu erkennen. Immer häufiger holen Arbeitsmigranten*innen – aus den osteuropäischen EU-Staaten ihre Familien inkl. Kinder aus den Herkunftsländern in den Landkreis nach.

Die Verdienstmöglichkeiten vor Ort, auch unter häufig prekären Arbeitsbedingungen, sind anscheinend immer noch um ein vielfaches höher als in den Herkunftsländern. Das Augenmerk wird häufig vordergründig auf das „Geld verdienen“ gelegt. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Deutschland findet in der Regel bislang nicht oder nur in sehr geringem Umfang statt.

Die Betreuung und die Förderung der Kinder und Jugendlichen in Kitas, Schulen oder Ausbildung stehen bei einem Teil der osteuropäischen Zuwanderer nicht so sehr im Fokus. Begriffe wie z.B. „Schulpflicht“ sind teilweise den Eltern nicht bekannt.

 

Häufig arbeiten beide Elternteile in der Industrie und die Kinder sind viele Stunden am Tag auf sich alleine gestellt. Ein Großteil der Menschen spricht kein Deutsch oder verfügt nur über geringe Deutschkenntnisse. Sie kennen sich mit den Gegebenheiten in Deutschland nur bedingt aus. Ein Teil der Neuzugezogenen aus Osteuropa verfügt über ein eher niedriges Bildungsniveau. Um an entsprechenden Sprachkursen teilzunehmen, fehlt es ihnen häufig an Zeit, Mobilität, finanziellen Mitteln oder an Motivation. Ein Teil der neuzugezogenen Menschen aus Rumänien und Bulgarien (im Besonderen Angehörige der Sinti und der Roma) gehörte bereits in ihren Herkunftsländern zu den bildungsfernen und sozial benachteiligten Minderheiten und hat erfahrungsgemäß ein sehr großes Misstrauen gegenüber Beratungsstellen, Ämtern und Behörden.

Diese Menschen haben demnach einen gesonderten Beratungs- und Unterstützungsbedarf. Sie müssen erst einmal Vertrauen zu den Berater*innen aufbauen, ehe sie sich mit ihren Problemen jemandem anvertrauen. Hier ist eher eine aufsuchende, proaktive Sozialarbeit nötig, die dort ansetzt, wo die Menschen arbeiten, wohnen, die Kinder zu KiTa und Schule bringen.

 

Ukraine

 

Seit Kriegsausbruch im Februar 2022 sind bis heute (Stand 27.07.2022) ca. 2500, überwiegend Frauen und Kinder aus der Ukraine, im Landkreis Cloppenburg aufgenommen worden.

 

 

 

 

Die zu leistende Betreuung durch die Sozialarbeiter *innen in den Städten und Gemeinden ist überwiegend identisch mit den Unterstützungs- und Hilfsangeboten für Arbeitsmigrant*innen (Auflistung oben).

Im Besonderen benötigen die Menschen aus der Ukraine Unterstützung in den Bereichen Sprache, Arbeit, Wohnen, Ausbildung, Schule u. Kita, die zum Teil auch von den Familien, die die geflüchteten Menschen bei sich aufgenommen haben, erbracht werden.

Aufgrund der ungewissen Entwicklung in der Ukraine sind langfristige Maßnahmen nur sehr schwer umzusetzen. Anfangs wollte der überwiegende Teil der Kriegsflüchtlinge unbedingt zurück ins Heimatland, mittlerweile hat sich die Bleibeperspektive bei vielen Frauen, auch in Bezug auf die Zukunft der Kinder, verändert.

 

Für die Kriegsflüchtlinge gelten folgende Vereinbarungen:

„§ 24 – Regelung Massenzustrom“

Die Richtline 2001/55/EG wurde 2001 im Lichte der Jugoslawien-Kriege eingeführt und am 4. März 2022 erstmal in Kraft gesetzt. Damit greift ein pauschaler Schutzstatus in allen EU-Staaten. Es müssen zudem überall gewisse Mindeststandards garantiert werden, darunter u.a. eine Arbeitserlaubnis sowie Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung, Bildung für Minderjährige.

In Deutschland wird die Umsetzung in Paragraph 24 des Aufenthaltsgesetztes geregelt. Durch den Beschluss der EU-Staaten ist dieser Paragraph ab dem 4. März 2022 auch in Deutschland in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt können die entsprechenden Titel erteilt werden.

Für den vorübergehenden Schutz nach §24 AufenthG gilt:

Der vorübergehende Schutz dauert zunächst ein Jahr. Wird er nicht beendet, verlängert er sich je automatisch um 6 Monate, höchstens jedoch um ein Jahr. Bei Fortbestehen der Gründe kann danach in Absprache mit allen Mitgliedsstaaten der Schutz noch einmal um 1 Jahr verlängert werden (die Gesamtdauer beträgt also maximal 3 Jahre). In der Praxis wird der Titel bis zum 04.03.2024 erteilt.

Es besteht eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis, selbstständige und unselbstständige Tätigkeiten sind gestattet.

Es besteht Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG. Ab dem 1. Juni 2022 wird es möglich sein, Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII zu erhalten. Die Frist zur Erlaubnis einer sofortigen Arbeitsaufnahme ohne Aufenthaltstitel wurde bis zum 31.08.2022 für Personen aus der Ukraine verlängert.

 

 

Statistik (Stand 09.08.2022)

 

  • Ausländer insgesamt: 24.329
  • Davon EU-Bürger insgesamt: 13.920
  • Asylbewerber: 354
  • Duldung: 293
  • Dublin Überstellungen: 9
  • Ausbildungsduldung: 13
  • Beschäftigungsduldung: 3
  • Aufenthaltserlaubnis nach Ausbildungsduldung: 1
  • Asylberechtigte: 78
  • Anerkannte Flüchtlinge: 1.429
  • Subsidiärer Schutz: 706
  • Abschiebungshindernisse: 391
  • Ortskräfte 5 (2 Erw., 3 Kinder

 

  • Neue Quote: 2.878

Welche Aufnahmeverpflichtung sich daraus nach Anrechnung der bereits aufgenommenen Personen ergibt, kann zzt. von hier nicht angegeben werden.

 

  • Abschiebungen in 2022 bisher: 0
  • Freiwillige Ausreisen in 2022 bisher: 12
  • Anmeldungen Ukrainer (Stand: 14.07.2022): 2.474
  • Bisher bei ABH vorstellige Ukrainer (Stand 09.08.2022): 2.078
  • Ukrainer mit Aufenthaltserlaubnis (Stand : 09.08.2022): 1.760

 

 

Nach Auffassung der Kreisverwaltung sind Fachkräfte speziell für soziale Beratung der Ausländer*innen , hier besonders auch der Arbeitsmigrant*innen und der Ukrainer*innen  in den Städten und Gemeinden nach wie vor erforderlich, vor allem in den Kommunen, in denen sich diese Personen verstärkt angesiedelt haben. In zahlreichen Städten und Gemeinden werden die oben genannten Empfehlungen bereits erfolgreich umgesetzt.

 

Da für die soziale Betreuung qualifiziertes Personal einzustellen wäre, das über die nötige soziale und interkulturelle Kompetenz verfügt, erscheint ein Bewilligungszeitraum von 3 Jahren wünschenswert, um entsprechendes Personal gewinnen zu können. Der Betrag von 350.000 Euro jährlich zur Unterstützung der Sozialarbeit für Ausländer*innen in den Kommunen erscheint als ausreichend, da diese im vergangenen Bewilligungszeitraum ihr zur Verfügung stehendes Budget nicht in vollem Umfang ausgeschöpft haben bzw. die Finanzmittel nicht in Anspruch genommen haben.

 


Finanzierung:

PSP-Element (Produkt)

P1.111200.101  


Anlagenverzeichnis: