Sitzung: 20.11.2018 Sozialausschuss
Vorsitzender Dr. Vaske erinnerte daran, dass Anlass für den TOP der
Antrag der Gruppe GRÜNE/UWG vom 10.08.2018 sei. Darin sei eine
Wohnungsbau-Offensive für den Landkreis Cloppenburg dahingehend gefordert
worden, dass der Landkreis Cloppenburg einen Wohnungsbau-Topf für den sozialen
Wohnungsbau schaffe. Nach der Beratung im Sozialausschuss am 04.09.2018
(Vorlage: V-SOZ/18/079) habe der Kreistag in der Sitzung am 25.09.2018 den
Antrag abgelehnt. In der Sitzung des Sozialausschusses sei der Wunsch geäußert
worden, dass Herr Rolfes zum Wohnungsbau im Landkreis Cloppenburg berichtet.
Vorsitzender Dr. Vaske erteilte Herrn Rolfes das Wort.
Herr Rolfes sagte einleitend, dass er nach seiner 12-jährigen Tätigkeit
als Beamter beim Landkreis Cloppenburg nunmehr seit 30 Jahren Geschäftsführer
der Wohnungsbaugesellschaft sei. Thema seines Vortrages sei die Entwicklung der
Wohnungsbaugesellschaft in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Des Weiteren
wolle er berichten, was zur Schaffung zusätzlichen bezahlbaren Wohnraums
aktuell und in den nächsten Jahren geplant sei.
Die Wohnungsbaugesellschaft für den Landkreis Cloppenburg mbH sei 1936
als gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mit dem Zweck gegründet worden,
breite Schichten der Bevölkerung des Landkreises mit bezahlbarem Wohnraum zu
versorgen, erläuterte Herr Rolfes. In der Anfangszeit habe man jedoch noch
nicht an Mietwohnungen gedacht. Seinerzeit ging es hauptsächlich darum,
Siedlungshäuser, landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen und Ähnliches zu
bauen. Erst zu Beginn der 1950er-Jahre seien die ersten Mietwohnungen errichtet
worden. Später seien dann „normale“ Mehrfamilienhäuser hinzugekommen, dann
verstärkt Seniorenwohnungen und auch Einfamilienhäuser für Großfamilien.
Aktuell habe die Wohnungsbaugesellschaft einen Mietwohnungsbestand von
annähernd 500 Wohneinheiten. Bis Ende der 1990er-Jahre seien Tausende von
Bauvorhaben technisch und/oder wirtschaftlich betreut worden, darunter auch
viele Gruppenkleinsiedlungen im ganzen Landkreis. Die Betreuungstätigkeit sei
dann in den letzten 10 – 15 Jahren quasi auf Null zurückgegangen.
Seit 1991 sei wegen der Aufhebung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes
das Wort „gemeinnützig“ aus dem Firmennamen gelöscht worden. Im Hinblick auf
die Frage aus der Einwohnerfragestunde betonte Herr Rolfes, dass das einzig
aufgrund der gesetzlichen Änderung erfolgt sei. Das bedeute jedoch nicht, dass
sich der Gesellschaftszweck grundlegend geändert habe.
Die Wohnungsbaugesellschaft sei dem Grunde nach eine ganz normale
steuerpflichtige GmbH mit allen Rechten und Pflichten aus dem GmbH-Gesetz,
jedoch mit der Besonderheit, dass sie sich zu 100 % in öffentlicher Hand
befinde. Gesellschafter sei seit jeher der Landkreis Cloppenburg mit ca. 52 %
der Anteile, die Städte und Gemeinden des Landkreises mit zusammen ca. 18 %,
sowie seit kurzem die Bremer Landesbank (jetzt NordLB) und die Landessparkasse
zu Oldenburg mit jeweils 15 %. Das Stammkapital betrage etwas über 1 Mio. EUR.
Die Wohnungsbaugesellschaft sei wirtschaftlich eigenständig und schütte
jährlich Dividenden aus (jährlich etwa 120.000 EUR).
Der Mietwohnungsbestand sei zur Hälfte in der Stadt Cloppenburg belegen,
die andere Hälfte verteile sich auf die übrigen Städte und Gemeinden des
Landkreises. 50 % des gesamten Wohnungsbestandes seien Seniorenwohnungen,
so Herr Rolfes weiter.
Seniorenwohnungen seien mit öffentlichen Baudarlehen geförderte
Wohnungen für nicht mehr im Erwerbsleben stehende Personen über 60 Jahre mit
niedriger Rente. Diese Wohnungen unterlägen einer Belegungs- und auch
Mietpreisbindung, bis die öffentlichen Mittel zurückgezahlt sind. Zurzeit
würden noch etwa 140 Seniorenwohnungen und 40 „normale“ Mietwohnungen
offiziell einer solchen Belegungs- und Mietpreisbindung unterliegen.
Die Wohnungsbaugesellschaft versuche dort, wo die Bindungen ausliefen,
die Wohnungen weiterhin so zu behandeln, als wären es noch „Sozialwohnungen“.
Außerdem sei man bemüht, für die bisherigen Seniorenwohnungen wieder Senioren
als Mieter zu finden. Ferner würde die Anhebung der Mieten in der Regel nur im
gleichen Maße erfolgen, wie es vorher während der Bindung zulässig war. Daher
liege die durchschnittliche Quadratmetermiete quer durch den Bestand per
31.12.2017 bei lediglich 5,05 EUR. Die Wirtschafts- und Finanzplanung der
Wohnungsbaugesellschaft sehe auch für die Zukunft weiterhin planmäßige
Mieterhöhungen von durchschnittlich lediglich 1 % pro Jahr vor – das bedeute,
die Wohnungen würden auch in Zukunft bezahlbar bleiben.
Vor dem Hintergrund, dass es von 2000 bis 2015 keine öffentlichen Mittel
mehr für den Sozialwohnungsneubau gegeben habe, könne auch die
Wohnungsbaugesellschaft Neubauwohnungen in den letzten Jahren nicht mehr für
5,00 EUR anbieten, erläuterte Herr Rolfes. Trotzdem und gegen den Trend des
damals rückläufigen Mietwohnungsneubaus habe man in dieser Zeit im Rahmen der
Möglichkeiten weiterhin Neubau betrieben, insbesondere für die Zielgruppe im
mittleren Einkommenssegment. Ferner sei in den Bestand investiert worden.
Der Wohnungsbestand sei nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ
stets ausgebaut worden. Größere Leerstände kenne die Wohnungsbaugesellschaft
bis jetzt praktisch nicht.
Das bedeute jedoch nicht, dass immer eine direkte Anschlussvermietung
gelinge. Es könne auch schon mal 3 Monate oder länger dauern, bis eine Wohnung
wieder belegt sei. Die Nachfragesituation habe sich im Landkreis in den letzten
Jahren nicht gravierend geändert. Es habe früher wie heute Wohnungen gegeben,
die schwer vermietbar seien und solche, die mehrfach vermieten werden könnten.
Schwer vermietbar seien zum Beispiel Seniorenwohnungen im Nordkreis, aktuell
auch mal in den Südkreisgemeinden. Gut vermietbar seien zum Beispiel kleine
Wohnungen in zentraler Lage in Cloppenburg. Aktuell seien ca. 150
Mietinteressenten registriert, davon annähernd 80 % für Cloppenburg und die
nähere Umgebung.
Derzeit werde überall gebaut, sogar sehr viel gebaut, hob Herr Rolfes
hervor. Das Eigenheim sei im Landkreis noch immer die gängigste Wohnform und
werde es sicherlich auch bleiben, sofern es den Kommunen gelinge, weiterhin
bezahlbare Baugrundstücke hierfür anzubieten. Festzustellen sei aber auch, dass
kleine und große Investoren verstärkt auf Mehrfamilienhäuser setzen. Und auch
das sei eigentlich im Hinblick auf bezahlbaren Wohnraum gut so, betonte Herr
Rolfes!
Die neuen Wohnungen könnten nicht im unteren Preissegment angeboten
werden. Aber dadurch, dass eine teure Wohnung neu errichtet und bezogen werde,
würde durch den sog. „Sickereffekt“ in der Regel eine Wohnung in einem
niedrigeren Preissegment wieder frei werden. Es sei absehbar, dass dadurch auch
Wohnungen aus den unteren Preissegmenten auf den Markt kämen. Und außerdem
müsse nach den Gesetzen des Marktes auch ein Überangebot an teuren Wohnungen
irgendwann wieder zu einer Reduzierung des Mietenniveaus führen.
Zu den Stichworten „unteres Preissegment“ und Sozialmietniveau, führte
Herr Rolfes weiter aus, dass das Land vor zwei Jahren entschieden habe, dass
auch in eher ländlichen Kommunen wieder öffentliche Förderung von
Sozialwohnungsneubau möglich sein solle. Voraussetzung hierfür sei unter
anderem das Vorliegen eines kommunalen Wohnraumversorgungskonzeptes. Dies habe
der Landkreis und die Stadt Cloppenburg mittlerweile erstellt.
Der Wohnungsbaugesellschaft seien die ersten öffentlichen Mittel für den
Neubau von Sozialwohnungen bereits bewilligt worden. In den nächsten Jahren
würden zunächst für etwa 60 weitere Wohnungen in verschiedenen Städten und
Gemeinden Mittel beantragt werden. Später sicherlich noch für weitere Objekte.
Herr Rolfes stellte die Frage in den Raum, was es bedeute, öffentliche
Mittel zu beantragen?
Von den veranschlagten (und belegten) Gesamtkosten würden 75 % als
zinsloses Darlehen bewilligt. Jährlich seien lediglich 0,5 % Verwaltungskosten
zu zahlen. Die Wohnungen dürfen dann nur an Personen vermietet werden, die
einen Wohnberechtigungsschein vorlegen könnten. Der Wohnberechtigungsschein
werde erteilt, wenn bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten würden (1
Person ca. 1.400 EUR netto, 2 Pers ca. 2.000 EUR usw.). Die Grundmiete dürfe
zunächst 5,60 EUR / qm im Monat nicht übersteigen. Die Grundmiete von
5,60 EUR / qm zu halten, sei nicht einfach. Das gelinge zumindest momentan
noch, solange die Baugrundstücke nicht zu horrenden Preisen erworben werden
müssten, die Baupreise nicht noch schneller steigen würden und die
Wohnungsbaugesellschaft in der Lage sei, alle Architektenleistungen selbst zu
erbringen. Die Belegungs- und Mietpreisbindung gelte dann für 30 Jahre. Diese
lange Dauer sei für die Wohnungsbaugesellschaft kein Problem, für private
Investoren aber eher abschreckend.
Das Neubauprogramm der Wohnungsbaugesellschaft könne nur umgesetzt
werden, so Herr Rolfes, wenn das Land Niedersachsen die öffentlichen Mittel in
jeweils größtmöglicher Höhe bewillige. Dafür sei Voraussetzung, dass das Land –
wie inzwischen zugesagt – in den nächsten Jahren nicht nur die vom Bund zur
Verfügung gestellten Mittel weiterleite, sondern zusätzlich eigene Mittel zur
Verfügung stelle.
Als Ergebnis der Bemühungen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen, das
im Übrigen der Interessenverband der Wohnungsbaugesellschaften federführend
mitinitiiert habe, will das Land Niedersachsen so viel Geld zur Verfügung
stellen, dass in Niedersachsen bis 2030 insgesamt 40.000 neue Sozialwohnungen
entstehen könnten. Es bestehe damit die Hoffnung, dass nun auch Landkreise
abseits der Ballungszentren in den Genuss der öffentlichen Wohnungsbauförderung
im gewünschten Umfange kommen.
Er wäre sehr froh, betonte Herr Rolfes, wenn die für die nächsten vier
bis fünf Jahre vorgesehenen Neubauten tatsächlich in diesem Zeitraum realisiert
werden könnten. Mehr könne die Wohnungsbaugesellschaft als vergleichsweise
kleines Unternehmen kaum leisten. Im Vergleich zur Unternehmensgröße habe die
Wohnungsbaugesellschaft im letzten Jahrzehnt nicht weniger Mietwohnungsneubau
betrieben, als die Branchenriesen „GEWOBA“ in Bremen oder „hanova“ in Hannover.
Dies solle auch in den nächsten Jahren so sein.
Mittlerweile deute sich ein viel größeres Problem an, erläuterte Herr
Rolfes. Was nützten alle öffentlichen Mittel, wenn das Handwerk seine
Kapazitäten ausgeschöpft habe und niemand da sei, der die neuen Wohnungen bauen
könne? Wenn sich die heute schon prekäre Lage hinsichtlich der Auslastung -
oftmals schon Überlastung - der Handwerker noch verschärfe, werde es eng. Noch
mehr Neubauten seien dann kurzfristig kaum noch zu realisieren.
Die Wohnungsbaugesellschaft werde künftig weiterhin versuchen,
Sozialwohnungsneubau im größtmöglichen Umfange zu realisieren. Der Bestand
bleibe auch in Zukunft bezahlbar, unabhängig davon, ob mit oder ohne offizielle
Bindung. Er hoffe auf den Sickereffekt auf dem Wohnungsmarkt durch die vielen
Neubauwohnungen und darauf, dass die für das nächste Jahr angekündigten
überarbeiteten Förderbestimmungen des Landes tatsächlich wie prognostiziert
vermehrt private Investoren ansprächen. Wobei die vorgesehene Verlängerung der
Bindung von 30 auf 35 Jahre hier wohl eher nicht ins Bild passe und die
Überhitzung im Bausektor diese mögliche Entwicklung ausbremsen könne.
Herr Rolfes betonte, dass im Landkreis Cloppenburg die Situation am
Wohnungsmarkt bei Weitem nicht so dramatisch sei, wie in einigen
Ballungszentren oder Universitätsstädten. Dennoch sei an einigen Standorten
neuer preiswerter Wohnraum natürlich wünschenswert. Im Hinblick auf die derzeit
überhitzte Baukonjunktur könne aber nicht in 2 bis 3 Jahren nachgeholt werden,
was in den letzten 10 bis 15 Jahren wegen der fehlenden öffentlichen Förderung
versäumt wurde. Die Schaffung von Wohnungen im unteren Preissegment - den
sozialen Wohnungsbau - gelte es, mit Augenmaß mittel- und langfristig zu
verstetigen. Herr Rolfes äußerte abschließend die Hoffnung, dass das Problem,
wo immer es denn eines sei, langfristig gelöst werden könne. In der
Immobilienwirtschaft sei man es gewohnt, langfristig zu denken.
Auf Frage des Kreistagsabgeordneten Arkenau erläuterte Herr Rolfes, dass
die Gründe für die Vermietungsprobleme bei Seniorenwohnungen im Südkreis nicht
erkennbar seien. Des Weiteren erläuterte er, dass aktuell 26 Wohnungen im
Kreisgebiet gebaut würden, u.a. auch in Cappeln, Molbergen und Emstek.
Kreistagsabgeordneter Riesenbeck hielt das Angebot von Seniorenwohnungen
mit Altersbindung oder für Menschen mit Behinderungen für grundsätzlich
erforderlich. Er fragte, ob es Probleme bereite, günstige Grundstücke zu
kaufen. Herr Rolfes erwiderte, dass die Städte und Gemeinden die Grundstücke
noch günstig anbieten würden. Für den Baubereich gelte derzeit, dass das Geld
nicht das Problem sei. Problematisch sei es, die Handwerker zu finden.
Kreistagsabgeordneter Dr. Hoffschroer bat um Einschätzung, ob aus Sicht
der Wohnungsbaugesellschaft der Landkreis in der Pflicht sei, Maßnahmen zu
ergreifen.
Herr Rolfes entgegnete, dass die zzt. bestehenden Fördermöglichkeiten
ausreichen würden. Angesichts der überhitzten Baukonjunktur seien weitere
Fördermaßnahmen das falsche Zeichen.
Kreistagsabgeordneter Mutlu bat um Auskunft, ob Bestandsobjekte genutzt
und Sanierungsobjekte angekauft würden. Herr Rolfes erläuterte, dass freie
Grundstücke und Möglichkeiten zur Verdichtung der Bebauung genutzt würden.
Allerdings sei man damit am Ende. Jetzt gelte es, neue Baugrundstücke
anzukaufen. Sanierungsobjekte würden nicht erworben. Dies sei nicht Aufgabe der
Wohnungsbaugesellschaft.
Auf Frage des Kreistagsabgeordneten Holthaus erläuterte Herr Rolfes,
dass die Bauobjekte der Wohnungsbaugesellschaft vom Einfamilienhaus bis zum
Mehrfamilienhaus mit 30 Wohneinheiten reichen würden.
Vorsitzender Dr. Vaske dankte Herrn Rolfes für die Ausführungen und stellte fest, dass weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vorlagen. Zudem merkte er an, dass nach seiner Einschätzung die Frage aus der Einwohnerfragestunde ausreichend beantwortet wurde. Bedenken hierzu wurden nicht erhoben.
Abstimmungsergebnis:
Ja: |
|
Nein: |
|
Enthaltung: |
|