Beschlussvorschlag:
Sachverhalt:
Gegenstand des Antrages sind die
im Hinblick auf die Corona-Pandemie besonderen Problematiken der
Arbeitssituation von Werksvertragsarbeitern in den Schlachtbetrieben sowie der
Unterkünfte für Werkvertragsarbeitnehmer und Saisonarbeitskräfte in der
Landwirtshaft.
Ermächtigungsgrundlage für ein
behördliches Einschreiten des Landkreises Cloppenburg im Rahmen der
Corona-Pandemie ist neben dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) „Niedersächsische
Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus“
(kurz: CoronaVO; aktuell Fassung vom 22.05.2020). Empfehlenden Charakter hat
ein Konzeptpapier des Bundes, im dem Hinweise zum Gesundheitsschutz von
Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft gegeben werden. Zudem sind auf der
Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entsprechende
Handlungsempfehlungen und Infografiken, teilweise mehrsprachig abrufbar.
Insbesondere § 10 der CoronaVO
trifft spezielle Regelungen für Saison- und Werkvertragsarbeitnehmer.
Die Zuständigkeit zur
Durchsetzung der CoronaVO sowie die Ahndung etwaiger Verstöße liegt gem. § 12
Abs. 2 CoronaVO bei den nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Behörden
(Landkreis) sowie der Polizei.
Um Maßnahmen gem. § 10 Abs. 3 S.
1 der CoronaVO ergreifen zu können, müssen die dort genannten Voraussetzungen
vorliegen. So heißt es in § 10 Abs. 3 S. 1 CoronaVO „Unternehmen und
landwirtschaftliche Betriebe, die Personen beschäftigen, die in
Sammelunterkünften oder in betriebseigenen oder angemieteten Unterkünften untergebracht
sind…“.
Die CoronaVO gilt für Sammelunterkünfte. Der Begriff ist
bislang nicht definiert. Er wird auch in anderen Rechtsvorschriften nicht
verwandt.
§ 36 Abs. 1 Nr. 5 IfSG fordert
erhöhte Hygieneanforderungen für sog. Massenunterkünfte. Unter
Massenunterkunft ist laut Kommentar zum IfSG (Bales/Baumann/
Schnitzler) „ein Wohn- oder zumindest Übernachtungszwecken dienender
Aufenthaltsort für eine Vielzahl von Personen zu verstehen, deren Möglichkeiten
zu individueller Abgrenzung eingeschränkt sind und die dadurch zwangsläufig in
einen gesteigerten gegenseitigen Kontakt treten.“
Der den baurechtlichen Kontrollen
des Landkreises Cloppenburg zugrunde liegende „Erlass über die
bauordnungsrechtliche und melderechtliche Behandlung von Unterkünften für
Beschäftigte“ des Niedersächsischen Ministeriums vom 13.01.2020, zu dem der
Landkreis ergänzend eigene Mindeststandards entwickelt hat, spricht von Unterkünften für Beschäftigte.
Im Zusammenhang mit der
Definition eines Sonderbaus nennt die Niedersächsische Bauordnung (NBauO) in §
2 Abs. 5 S. 1 Nr. 11 NBauO sonstige Einrichtungen
zur Unterbringung von Personen, wie Gemeinschaftsunterkünfte oder Wohnheime.
Hier geht es allerdings um baurechtliche Belange, insbesondere um zusätzliche
brandschutzrechtliche Maßnahmen.
Offen ist demnach die Frage, wie
weitreichend die infektionsschutzrechtlichen Kontrollen auf Grundlage der
CoronaVO gehen bzw. welche Unterkünfte hiervon tatsächlich betroffen sind.
Derzeit werden seitens des
Landkreises Cloppenburg sämtliche Unterkünfte, in denen 20 Personen oder mehr
eine Nutzungseinheit gemeinsam bewohnen, als derartige Sammelunterkünfte i.S.d. CoronaVO eingestuft.
Das Bauamt hat über eine Abfrage
der Meldedaten bei den Gemeinden die Liste der dem Landkreis bekannten Werkvertragsabeiterunterkünfte
noch einmal aktualisiert. Für 29 Standorte sind mehr als 20 Personen gemeldet.
Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang, ob es sich gem. § 10 Abs. 3, Satz 1
CoronaVO um eine Unterbringung im Sinne der Verordnung handelt. Zu unterscheiden
sind Unterbringung und Wohnen. Von Wohnen geht die Rechtsprechung, aus, wenn
Wohnungen zwar von mehreren Personen genutzt werden, der persönliche
Wohncharakter jedoch erhalten bleibt. Das ist z. B dann der Fall, wenn es sich
um eine Familie handelt oder die Nutzung eine gewisse Privatsphäre und
Selbstbestimmung ermöglicht. Hiervon geht der Landkreis in der Regel aus, wenn
sich innerhalb einer Wohnung oder eines klassischen Wohnhauses nicht mehr als 2
Personen einen Schlafraum teilen. Auch
Bad und Küche dürfen nur wie in einer Wohnung üblich genutzt werden. Die
Rechtsprechung fordert hier eine Einzelfallprüfung.
Bei der Hälfte der o.g. 29
Standorte mit mehr als 20 gemeldeten Bewohnern handelt es sich um
Mehrfamilienwohnhäuser, welche nicht unter den Begriff der Sammelunterkunft
i.S.d. CoronaVO fallen.
Über den Umstand, ob es sich, wie
in § 10 Abs. 3 S. 1 CoronaVO genannte, betriebseigene oder von den Betrieben
angemietete Unterkünfte handelt, liegen i.d.R. lediglich für die
landwirtschaftlichen Betriebe entsprechende Informationen vor. Bei den
landwirtschaftlichen Betrieben sind Sammelunterkünfte nur zulässig, wenn sie
dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen. Die Saisonarbeiterunterkünfte stehen
im Eigentum der zugehörigen landwirtschaftlichen Betriebe, was eine
entsprechende Zuordnung ermöglicht.
Derzeit sind neun
Saisonarbeitnehmerunterkünfte genehmigt, in denen mehr als 20 Personen
untergebracht werden.
Im Bereich der
Werkvertragsarbeitnehmerunterkünfte besteht hingegen keine Datenbasis, da für
die Erhebung derartiger Informationen bisher keine gesetzliche Grundlage
gegeben ist und die baurechtliche Zulässigkeitsprüfung dieser Unterkünfte
unabhängig vom jeweiligen Betreiber erfolgt. So stehen auch die meisten
Unterkünfte nicht im Eigentum des jeweiligen Arbeitgebers, weshalb hieraus auch
kein Zusammenhang geschlossen werden kann.
Lediglich in den Fällen, in denen
Arbeitgeber aktiv Wohnraum für ihre Mitarbeiter schaffen, kann
behördlicherseits eine Zuordnung erfolgen. Beispielhaft ist die Firma Böseler
Goldschmaus zu nennen, die im letzten Jahr Baugenehmigungen für mehrere
Arbeitnehmerunterkünfte erhalten hat. Eingerichtet wurden kleine Apartments mit
Küche und Bad, die jeweils von 2 Personen bewohnt werden. (Zur Information:
Böseler Goldschmaus beschäftigt zwischenzeitlich keine Arbeitnehmer mehr über
Werkverträge.)
Bei der Überprüfung der
Unterkünfte sind Kontrollen aus infektionsschutzrechtlicher und baurechtlicher
Sicht zu unterscheiden.
Infektionsschutz:
Bisher wurden im Hinblick auf den
Infektionsschutz alle bekannten und seitens des Landkreises Cloppenburg als
Sammelunterkunft eingestuften Unterkünfte vom Gesundheitsamt schriftlich dazu
aufgefordert, Hygienekonzepte vorzulegen. Die Ergebnisse liegen seit kurzem vor
und werden derzeit ausgewertet.
Ebenso wurden die v.g. Schreiben an 31 im
Landkreis Cloppenburg ansässige schlachtende oder fleischverarbeitende Betriebe
zur Kenntnisnahme gesandt, bei denen nicht ausgeschlossen
werden kann, dass sie Arbeitnehmer beschäftigen, welche in Sammelunterkünften
untergebracht sind. Mit dem Anschreiben
wurden die Betriebe zur Unterstützung und zur Umsetzung der Vorgaben
aufgefordert. Allerdings ist von diesen Unternehmen kein Hygienekonzept
vorzulegen, da sie im Regelfall weder Eigentümer noch Betreiber einer
entsprechenden Unterkunft sind.
Primär konzentriert sich die Arbeit des
Gesundheitsamtes derzeit jedoch auf die Umsetzung des Erlasses vom 19.05.2020,
wonach das gesamte Personal in Schlacht- und Zerlegebetrieben (ausgenommen
Verwaltungspersonal), welches ganz oder teilweise durch Subunternehmer
bereitgestellt wird, auf SARS-CoV-2 zu testen ist. Aktuell (Stand: 25.05.2020)
sind ca. 1400 Mitarbeiter des Schlachtbetriebes Vion mit negativem Ergebnis
getestet worden. Die Tests in den anderen Betrieben werden zurzeit
durchgeführt.
Daneben besteht weiterhin ein
erheblicher Arbeitsaufwand für Testungen, Nachverfolgungen der Infektionswege
etc. für die übrige Bevölkerung. Das reguläre Arbeitsaufkommen muss zudem mit
aufgefangen oder, sofern aufschiebbar, zu einem späteren Zeitpunkt abgearbeitet
werden.
Im Rahmen der Sitzung wird auf
die dann aktualisierten Erkenntnisse eingegangen.
Baurechtliche
Überprüfungen:
Hier geht es im Wesentlichen
darum, ob die sich aus dem Erlass des
Landes Niedersachsen über die bauordnungsrechtliche und melderechtliche
Behandlung von Unterkünften für Beschäftigte genannten Anforderungen und die
vom Landkreis Cloppenburg formulierten Mindeststandards eingehalten werden.
Bereits 2013 hat das Bauamt alle
seinerzeit bekannten Unterkünfte einmalig überprüft. 2016 erfolgte eine weitere
Überprüfung der 23 größten Unterkünfte. Seit Januar 2018 werden alle derzeit
bekannten Standorte systematisch vom
Bauamt auf die Einhaltung der Mindeststandards überprüft. Dabei sind die
Kontrollen in den Gemeinden Cappeln und Emstek abgeschlossen. Mit den
Überprüfungen in der Gemeinde Essen wurde begonnen. Diese mussten aufgrund
eines Personalwechsels zunächst unterbrochen werden. Seit der zweiten
Jahreshälfte 2019 ist die vakante Stelle wieder besetzt. Anlassbezogene
Kontrollen erfolgen darüber hinaus im Bedarfsfall. Werden im Rahmen der
baurechtlichen Kontrollen hygienische Missstände festgestellt, erfolgt eine
Beteiligung des Gesundheitsamtes. Sofern dort externe Hinweise eingehen,
erfolgen von dort ebenfalls anlassbezogene Kontrollen. Während sich bei den
Kontrollen 2013 und 2016 noch erhebliche Mängel ergaben, zeigten sich bei den
seit 2018 erfolgten Begehungen deutlich weniger (Hygiene-)Mängel und nur
selten Überbelegungen. Durch die intensiven
Prüfungen der Kreisverwaltung hat sich der Wohnzustand insgesamt über die Jahre
erheblich gebessert.
Gegenwärtig bestehen sowohl von
Seiten der Caritas als auch von der Beratungsstelle für mobile Beschäftigte
Beratungsangebote für betroffene Werkvertragsarbeitnehmer und
Saisonarbeitskräfte.
Zwischen dem Caritas-Sozialwerk
und dem Bauamt des Landkreises haben Abstimmungen stattgefunden, um
entsprechende Erkenntnisse über evtl. Missstände auszutauschen und abzustellen.
Bisher sind seitens der Caritas-Beratungsstelle keine entsprechenden Fälle mit
gravierenden Mängeln der Wohnungen gemeldet worden.
Auch seitens der Beratungsstelle
für mobile Beschäftigte hat es in den letzten zwei Jahren lediglich zwei
Hinweise auf Missstände in Unterkünften gegeben. Dies verdeutlicht nochmals die
gegenwärtig positive Entwicklung der Wohnverhältnisse.
Die systematischen Kontrollen des
Bauamtes haben gezeigt, dass es sich bei der Mehrheit der Standorte um
Wohnnutzungen und nicht um Unterbringungen i.S.d. CoronaVO handelt.
Aktuell liegt ein Entwurf der
Landesregierung für ein „Niedersächsisches Gesetz über den Schutz und die
Erhaltung von Wohnraum“ (NWoSchG) vor, welches die behördlichen
Eingriffsbefugnisse auch auf Wohnnutzungen ausweiten soll. Der Gesetzesentwurf
sieht die Zuständigkeit für die Überprüfung hier bei den Gemeinden, jedoch als
freiwillige Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung.
Antrag der SPD-Fraktion vom 13.05.2020
1.
Erstellung eines aktuellen
Situationsberichts
Wie bereits den v.g. Ausführungen zu entnehmen ist, testet das
Gesundheitsamt derzeit alle Mitarbeiter von Schlacht- und Zerlegebetrieben,
welche ganz oder teilweise mit Subunternehmern zusammenarbeiten. Die bisherigen
ca. 1400 Tests auf SARS-CoV-2 im Betrieb Vion sind negativ ausgefallen.
2.
Einforderung von
Kontrollen über den Gesundheitszustand der Schlachthof-Mitarbeiter und der
wohnlichen Situation
Zur Kontrolle des Gesundheitszustandes s.o.
Die baurechtlichen Kontrollen der Wohnsituation erfolgen, wie den
obigen Ausführungen zu entnehmen ist, systematisch und gemeindeweise, sofern
keine Hinweise für eine anlassbezogene Überprüfung vorliegen.
Finanzierung:
Anlagenverzeichnis:
Antrag vom 13.05.2020