Betreff
Antrag der SPD-Kreistagsfraktion vom 13.05.2020 - Situationsbericht über die Gefahren von Corona-Ausbrüchen bei den Schlachthof-Belegschaften, Einforderung von Kontrollen und personenbezogenen Testungen
Vorlage
V-SOZ/20/120
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

 


Sachverhalt:

 

Gegenstand des Antrages sind die im Hinblick auf die Corona-Pandemie besonderen Problematiken der Arbeitssituation von Werksvertragsarbeitern in den Schlachtbetrieben sowie der Unterkünfte für Werkvertragsarbeitnehmer und Saisonarbeitskräfte in der Landwirtshaft.

 

Ermächtigungsgrundlage für ein behördliches Einschreiten des Landkreises Cloppenburg im Rahmen der Corona-Pandemie ist neben dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) „Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus“ (kurz: CoronaVO; aktuell Fassung vom 22.05.2020). Empfehlenden Charakter hat ein Konzeptpapier des Bundes, im dem Hinweise zum Gesundheitsschutz von Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft gegeben werden. Zudem sind auf der Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung entsprechende Handlungsempfehlungen und Infografiken, teilweise mehrsprachig abrufbar.

 

Insbesondere § 10 der CoronaVO trifft spezielle Regelungen für Saison- und Werkvertragsarbeitnehmer.

 

Die Zuständigkeit zur Durchsetzung der CoronaVO sowie die Ahndung etwaiger Verstöße liegt gem. § 12 Abs. 2 CoronaVO bei den nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Behörden (Landkreis) sowie der Polizei.

 

Um Maßnahmen gem. § 10 Abs. 3 S. 1 der CoronaVO ergreifen zu können, müssen die dort genannten Voraussetzungen vorliegen. So heißt es in § 10 Abs. 3 S. 1 CoronaVO „Unternehmen und landwirtschaftliche Betriebe, die Personen beschäftigen, die in Sammelunterkünften oder in betriebseigenen oder angemieteten Unterkünften untergebracht sind…“.

 

Die CoronaVO gilt für Sammelunterkünfte. Der Begriff ist bislang nicht definiert. Er wird auch in anderen Rechtsvorschriften nicht verwandt.

 

§ 36 Abs. 1 Nr. 5 IfSG fordert erhöhte Hygieneanforderungen für sog.  Massenunterkünfte. Unter Massenunterkunft ist laut Kommentar zum IfSG (Bales/Baumann/ Schnitzler) „ein Wohn- oder zumindest Übernachtungszwecken dienender Aufenthaltsort für eine Vielzahl von Personen zu verstehen, deren Möglichkeiten zu individueller Abgrenzung eingeschränkt sind und die dadurch zwangsläufig in einen gesteigerten gegenseitigen Kontakt treten.“

 

Der den baurechtlichen Kontrollen des Landkreises Cloppenburg zugrunde liegende „Erlass über die bauordnungsrechtliche und melderechtliche Behandlung von Unterkünften für Beschäftigte“ des Niedersächsischen Ministeriums vom 13.01.2020, zu dem der Landkreis ergänzend eigene Mindeststandards entwickelt hat, spricht von Unterkünften für Beschäftigte.

 

Im Zusammenhang mit der Definition eines Sonderbaus nennt die Niedersächsische Bauordnung (NBauO) in § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 11 NBauO sonstige Einrichtungen zur Unterbringung von Personen, wie Gemeinschaftsunterkünfte oder Wohnheime. Hier geht es allerdings um baurechtliche Belange, insbesondere um zusätzliche brandschutzrechtliche Maßnahmen.

 

Offen ist demnach die Frage, wie weitreichend die infektionsschutzrechtlichen Kontrollen auf Grundlage der CoronaVO gehen bzw. welche Unterkünfte hiervon tatsächlich betroffen sind.

 

Derzeit werden seitens des Landkreises Cloppenburg sämtliche Unterkünfte, in denen 20 Personen oder mehr eine Nutzungseinheit gemeinsam bewohnen, als derartige Sammelunterkünfte i.S.d. CoronaVO eingestuft.

 

Das Bauamt hat über eine Abfrage der Meldedaten bei den Gemeinden die Liste der dem Landkreis bekannten Werkvertragsabeiterunterkünfte noch einmal aktualisiert. Für 29 Standorte sind mehr als 20 Personen gemeldet. Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang, ob es sich gem. § 10 Abs. 3, Satz 1 CoronaVO um eine Unterbringung im Sinne der Verordnung handelt. Zu unterscheiden sind Unterbringung und Wohnen. Von Wohnen geht die Rechtsprechung, aus, wenn Wohnungen zwar von mehreren Personen genutzt werden, der persönliche Wohncharakter jedoch erhalten bleibt. Das ist z. B dann der Fall, wenn es sich um eine Familie handelt oder die Nutzung eine gewisse Privatsphäre und Selbstbestimmung ermöglicht. Hiervon geht der Landkreis in der Regel aus, wenn sich innerhalb einer Wohnung oder eines klassischen Wohnhauses nicht mehr als 2 Personen einen Schlafraum teilen.  Auch Bad und Küche dürfen nur wie in einer Wohnung üblich genutzt werden. Die Rechtsprechung fordert hier eine Einzelfallprüfung.

 

Bei der Hälfte der o.g. 29 Standorte mit mehr als 20 gemeldeten Bewohnern handelt es sich um Mehrfamilienwohnhäuser, welche nicht unter den Begriff der Sammelunterkunft i.S.d. CoronaVO fallen.

 

Über den Umstand, ob es sich, wie in § 10 Abs. 3 S. 1 CoronaVO genannte, betriebseigene oder von den Betrieben angemietete Unterkünfte handelt, liegen i.d.R. lediglich für die landwirtschaftlichen Betriebe entsprechende Informationen vor. Bei den landwirtschaftlichen Betrieben sind Sammelunterkünfte nur zulässig, wenn sie dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen. Die Saisonarbeiterunterkünfte stehen im Eigentum der zugehörigen landwirtschaftlichen Betriebe, was eine entsprechende Zuordnung ermöglicht. 

 

Derzeit sind neun Saisonarbeitnehmerunterkünfte genehmigt, in denen mehr als 20 Personen untergebracht werden.

 

Im Bereich der Werkvertragsarbeitnehmerunterkünfte besteht hingegen keine Datenbasis, da für die Erhebung derartiger Informationen bisher keine gesetzliche Grundlage gegeben ist und die baurechtliche Zulässigkeitsprüfung dieser Unterkünfte unabhängig vom jeweiligen Betreiber erfolgt. So stehen auch die meisten Unterkünfte nicht im Eigentum des jeweiligen Arbeitgebers, weshalb hieraus auch kein Zusammenhang geschlossen werden kann.

 

Lediglich in den Fällen, in denen Arbeitgeber aktiv Wohnraum für ihre Mitarbeiter schaffen, kann behördlicherseits eine Zuordnung erfolgen. Beispielhaft ist die Firma Böseler Goldschmaus zu nennen, die im letzten Jahr Baugenehmigungen für mehrere Arbeitnehmerunterkünfte erhalten hat. Eingerichtet wurden kleine Apartments mit Küche und Bad, die jeweils von 2 Personen bewohnt werden. (Zur Information: Böseler Goldschmaus beschäftigt zwischenzeitlich keine Arbeitnehmer mehr über Werkverträge.)

 

Bei der Überprüfung der Unterkünfte sind Kontrollen aus infektionsschutzrechtlicher und baurechtlicher Sicht zu unterscheiden.

 

Infektionsschutz:

Bisher wurden im Hinblick auf den Infektionsschutz alle bekannten und seitens des Landkreises Cloppenburg als Sammelunterkunft eingestuften Unterkünfte vom Gesundheitsamt schriftlich dazu aufgefordert, Hygienekonzepte vorzulegen. Die Ergebnisse liegen seit kurzem vor und werden derzeit ausgewertet.

 

Ebenso wurden die v.g.  Schreiben an 31 im Landkreis Cloppenburg ansässige schlachtende oder fleischverarbeitende Betriebe zur Kenntnisnahme gesandt, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie Arbeitnehmer beschäftigen, welche in Sammelunterkünften untergebracht sind.  Mit dem Anschreiben wurden die Betriebe zur Unterstützung und zur Umsetzung der Vorgaben aufgefordert. Allerdings ist von diesen Unternehmen kein Hygienekonzept vorzulegen, da sie im Regelfall weder Eigentümer noch Betreiber einer entsprechenden Unterkunft sind.

 

Primär  konzentriert sich die Arbeit des Gesundheitsamtes derzeit jedoch auf die Umsetzung des Erlasses vom 19.05.2020, wonach das gesamte Personal in Schlacht- und Zerlegebetrieben (ausgenommen Verwaltungspersonal), welches ganz oder teilweise durch Subunternehmer bereitgestellt wird, auf SARS-CoV-2 zu testen ist. Aktuell (Stand: 25.05.2020) sind ca. 1400 Mitarbeiter des Schlachtbetriebes Vion mit negativem Ergebnis getestet worden. Die Tests in den anderen Betrieben werden zurzeit durchgeführt.

Daneben besteht weiterhin ein erheblicher Arbeitsaufwand für Testungen, Nachverfolgungen der Infektionswege etc. für die übrige Bevölkerung. Das reguläre Arbeitsaufkommen muss zudem mit aufgefangen oder, sofern aufschiebbar, zu einem späteren Zeitpunkt abgearbeitet werden.

Im Rahmen der Sitzung wird auf die dann aktualisierten Erkenntnisse eingegangen.

 

Baurechtliche Überprüfungen:

Hier geht es im Wesentlichen darum, ob die sich aus dem  Erlass des Landes Niedersachsen über die bauordnungsrechtliche und melderechtliche Behandlung von Unterkünften für Beschäftigte genannten Anforderungen und die vom Landkreis Cloppenburg formulierten Mindeststandards eingehalten werden.

 

Bereits 2013 hat das Bauamt alle seinerzeit bekannten Unterkünfte einmalig überprüft. 2016 erfolgte eine weitere Überprüfung der 23 größten Unterkünfte. Seit Januar 2018 werden alle derzeit bekannten  Standorte systematisch vom Bauamt auf die Einhaltung der Mindeststandards überprüft. Dabei sind die Kontrollen in den Gemeinden Cappeln und Emstek abgeschlossen. Mit den Überprüfungen in der Gemeinde Essen wurde begonnen. Diese mussten aufgrund eines Personalwechsels zunächst unterbrochen werden. Seit der zweiten Jahreshälfte 2019 ist die vakante Stelle wieder besetzt. Anlassbezogene Kontrollen erfolgen darüber hinaus im Bedarfsfall. Werden im Rahmen der baurechtlichen Kontrollen hygienische Missstände festgestellt, erfolgt eine Beteiligung des Gesundheitsamtes. Sofern dort externe Hinweise eingehen, erfolgen von dort ebenfalls anlassbezogene Kontrollen. Während sich bei den Kontrollen 2013 und 2016 noch erhebliche Mängel ergaben, zeigten sich bei den seit 2018 erfolgten Begehungen deutlich weniger (Hygiene-)Mängel und nur selten  Überbelegungen. Durch die intensiven Prüfungen der Kreisverwaltung hat sich der Wohnzustand insgesamt über die Jahre erheblich gebessert.

 

Gegenwärtig bestehen sowohl von Seiten der Caritas als auch von der Beratungsstelle für mobile Beschäftigte Beratungsangebote für betroffene Werkvertragsarbeitnehmer und Saisonarbeitskräfte.

Zwischen dem Caritas-Sozialwerk und dem Bauamt des Landkreises haben Abstimmungen stattgefunden, um entsprechende Erkenntnisse über evtl. Missstände auszutauschen und abzustellen. Bisher sind seitens der Caritas-Beratungsstelle keine entsprechenden Fälle mit gravierenden Mängeln der Wohnungen gemeldet worden.

Auch seitens der Beratungsstelle für mobile Beschäftigte hat es in den letzten zwei Jahren lediglich zwei Hinweise auf Missstände in Unterkünften gegeben. Dies verdeutlicht nochmals die gegenwärtig positive Entwicklung der Wohnverhältnisse.

 

Die systematischen Kontrollen des Bauamtes haben gezeigt, dass es sich bei der Mehrheit der Standorte um Wohnnutzungen und nicht um Unterbringungen i.S.d. CoronaVO handelt.

Aktuell liegt ein Entwurf der Landesregierung für ein „Niedersächsisches Gesetz über den Schutz und die Erhaltung von Wohnraum“ (NWoSchG) vor, welches die behördlichen Eingriffsbefugnisse auch auf Wohnnutzungen ausweiten soll. Der Gesetzesentwurf sieht die Zuständigkeit für die Überprüfung hier bei den Gemeinden, jedoch als freiwillige Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung.

 

 

Antrag der SPD-Fraktion vom 13.05.2020

1.      Erstellung eines aktuellen Situationsberichts

Wie bereits den v.g. Ausführungen zu entnehmen ist, testet das Gesundheitsamt derzeit alle Mitarbeiter von Schlacht- und Zerlegebetrieben, welche ganz oder teilweise mit Subunternehmern zusammenarbeiten. Die bisherigen ca. 1400 Tests auf SARS-CoV-2 im Betrieb Vion sind negativ ausgefallen.

 

2.      Einforderung von Kontrollen über den Gesundheitszustand der Schlachthof-Mitarbeiter und der wohnlichen Situation

Zur Kontrolle des Gesundheitszustandes s.o.

Die baurechtlichen Kontrollen der Wohnsituation erfolgen, wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, systematisch und gemeindeweise, sofern keine Hinweise für eine anlassbezogene Überprüfung vorliegen. 

 


Finanzierung:

 

 


Anlagenverzeichnis:

Antrag vom 13.05.2020