Betreff
Antrag/ Anfrage der Gruppe GRÜNE/UWG betr. im Ausland untergebrachte Kinder und Jugendliche
Vorlage
V-JHA/19/158
Art
Sitzungsvorlage

 

 


Sachverhalt:

Die Gruppe GRÜNE/ UWG hat mit Schreiben vom 20.10.2019 die Verwaltung um Darstellung gebeten, ob und unter welchen Umständen Kinder und Jugendliche in ausländischen Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden und hat hierzu detaillierte Fragen gestellt. Näheres ist dem beigefügten Antrag zu entnehmen.

 

Vorab zur Information:

Bezüglich der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen im Ausland gilt folgende Vorschrift gemäß § 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) – Kinder- und Jugendhilfe (Hilfe zur Erziehung): „Die Hilfe ist in der Regel im Inland zu erbringen; sie darf nur dann im Ausland erbracht werden, wenn dies nach Maßgabe der Hilfeplanung zur Erreichung des Hilfezieles im Einzelfall erforderlich ist.“

Erziehungshilfe im Ausland ist, betrachtet über alle Erziehungsmaßnahmen, die seltene Ausnahme. Gleichwohl ist die Versorgung sogenannter „Systemsprenger“ nicht einfacher geworden.

Lt. Angaben des Landesjugendamtes gibt es derzeit rd. 18.000 Unterbringungen in teil- und vollstationären Jugendhilfeeinrichtungen in Niedersachsen und davon weniger als 100 im Ausland.

 

Zu den gestellten Fragen im Einzelnen:

 

1.Vermittelt das Jugendamt des Landkreises Cloppenburg Kinder und Jugendliche in ausländische Einrichtungen?

Das Jugendamt Cloppenburg hat folgende Hilfen zur Erziehung im Ausland gewährt:

-          von Ende 2011 bis Mai 2012 für einen männlichen Jugendlichen in einer Erziehungsstelle in Polen

-          von Juli 2013 bis Oktober 2014 für einen männlichen Jugendlichen in Portugal und letztmalig

-          von Juli 2014 bis August 2015 für einen männlichen Jugendlichen in Polen.

 

Die Jugendhilfeträger waren dem Jugendamt bereits vorher aus der Zusammenarbeit bekannt. Des Weiteren war es von Vorteil, dass die Träger Mitglieder in einer Arbeitsgruppe des Landesjugendamtes zu Auslandsmaßnahmen waren. Außerdem war mit ihnen das Konsultations- und Zustimmungsverfahren für Auslandsmaßnahmen nach entsprechender Vorgabe (Art. 56 der Verordnung (EG) Nummer. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 - sogenannte Brüssel IIa-Verordnung) verbindlich abgestimmt worden.

Diese Angebotsform der Erziehungshilfe wurde gewählt, weil die o.g. Jugendlichen von den vorhandenen ambulanten, teil- und vollstationären Angeboten der Jugendhilfe nicht mehr aufzufangen waren. Durch ihr häufig wiederkehrendes delinquentes Verhalten stand ein Abrutschen in eine kriminelle Karriere unmittelbar bevor oder sie waren durch permanentes Weglaufen pädagogisch nicht mehr erreichbar.

 

Seit August 2015 wurden keine Auslandsmaßnahmen mehr durchgeführt.

 

2. Wie werden die Sorgeberechtigten grundsätzlich an der Auswahl von Jugendhilfeeinrichtungen für ihre Kinder beteiligt?

Es werden keine Auslandsmaßnahmen ohne Einverständnis der sorgeberechtigten Personen durchgeführt.

In den genannten Fällen waren die Träger der Auslandsmaßnahmen den Eltern im Vorfeld durch vorangehende Hilfen zur Erziehung bereits bekannt. Die Eltern haben der Unterbringung zustimmt. Außerdem wurde ihnen die Möglichkeit eingeräumt, die Kinder im Ausland zu besuchen, wovon zwei Elternpaare auch Gebrauch machten. Die persönliche Inaugenscheinnahme der Lebensumstände des Kindes durch die Eltern vor Ort war uns wichtig und wurde finanziell unterstützt. Regelmäßige Telefonate, Schriftverkehr der Jugendlichen mit den Eltern oder die Kontaktaufnahme über Skype waren ebenfalls möglich. Auch war das Jugendamt Cloppenburg natürlich jederzeit ansprechbar.

 

3. Wie werden Kinder und Jugendliche an der Auswahl von Jugendhilfeeinrichtungen für sie beteiligt? Gibt es auch Unterbringungen gegen ihren Willen? Wenn ja, in welchen Fällen?

In den o.g. Fällen waren die Jugendlichen ebenso wie die Eltern einverstanden.

Die Beendigungen der Auslandsmaßnahmen erfolgten wie folgt:

-          in einem Fall auf Wunsch des Jugendlichen und Weiterführung der Hilfe in einer inländischen Wohngruppe

-          in einem Fall auf Wunsch der Eltern

-          in einem Fall auf Initiative des Jugendamtes (Volljährigkeit, Bedarf an therapeutischer Unterstützung, Rückkehr in den mütterlichen Haushalt)

 

4. Gibt es für Kinder und Jugendliche in Jugendhilfeeinrichtungen ein Beschwerde- und Ombudsmanagement? Wenn ja, wie sieht es aus?

In der Regel haben alle freien Träger der Jugendhilfe im Rahmen ihres Qualitätsmanagements ein Beschwerdeverfahren für untergebrachte Kinder und Jugendliche eingerichtet.

So waren in den o.g. durchgeführten Maßnahmen von den Jugendhilfeanbietern für die Jugendlichen auch Ansprechpartner für Beschwerden benannt.

 

Weitergehend kann diese Frage global nicht beantwortet werden, da jeder freie Träger der Jugendhilfe individuell sein Leistungsangebot mit den entsprechenden Regelungen mit dem örtlichen Jugendamt vereinbart. Im Landkreis Cloppenburg gibt es keinen Jugendhilfeanbieter mit Auslandsmaßnahmen, mit dem eine derartige Vereinbarung zu schließen war. Außerdem hat das Jugendamt Cloppenburg seit Mitte 2015 keine Auslandsmaßnahmen mehr durchgeführt.

 

5. Inwiefern unterscheiden sich die Standards in deutschen und ausländischen Jugendhilfeeinrichtungen?

 

Es gibt folgende verbindliche Vorschrift in § 78 SGB VIII:

Vereinbarungen über die Erbringung von Hilfe zur Erziehung im Ausland dürfen nur mit solchen Trägern abgeschlossen werden, die

  • anerkannte Träger der Jugendhilfe oder Träger einer erlaubnispflichtigen Einrichtung im Inland sind, in der Hilfe zur Erziehung erbracht wird,
  • mit der Erbringung solcher Hilfen nur Fachkräfte betreuen und
  • die Gewähr dafür bieten, dass sie die Rechtsvorschriften des Aufenthaltslandes einhalten und mit den Behörden des Aufenthaltslandes sowie den deutschen Vertretungen im Ausland zusammenarbeiten.

 

Das Landesjugendamt (LJA) erteilt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, einem Träger, der Auslandsmaßnahmen anbietet, eine Betriebserlaubnis gemäß § 45 SGB VIII in Verbindung mit § 48 a SGB VIII für den inländischen Einrichtungsteil. Eine Betriebserlaubnis für Einrichtungsteile, die im Ausland liegen, kann vom LJA nicht erteilt werden.

 

Aktuelle Entwicklung betr. Auslandsunterbringungen:

Am 25.06.2019 hat der Rat der EU mit der erforderlichen Einstimmigkeit eine Revision der Brüssel IIa-VO verabschiedet mit dem Ziel, das Verfahren zur grenzüberschreitenden Unterbringung von Kindern klarer auszuformen sowie die Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden zu fördern.

 

Niedersachsen bereitet aktuell mit weiteren Bundesländern eine Bundesratsinitiative zur Heimaufsicht vor, mit der Absicht der Neuregelung und Konkretisierung der Vorschriften zu Auslandsmaßnahmen (u.a. halbjährliche Hilfeplanung vor Ort). Diese sollen künftig zu einer Qualitätssteigerung  beitragen.

 

Damit einhergehend sollen mit der beabsichtigten SGB VIII-Reform gleichzeitig die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Durchführung von Auslandsmaßnahmen weiter konkretisiert und verschärft werden.

 

6. Wie verläuft die Qualitätssicherung bei ausländischen Trägern und Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche aus dem Landkreis Cloppenburg untergebracht sind?

In den abgeschlossenen Fällen haben wir als Jugendamt mit dem Dienstleister sorgfältige Absprachen über den Inhalt, den Umfang und die erwartete Qualität der Leistung getroffen.

Ein entscheidender Punkt in der Qualitätssicherung waren die regelmäßig alle 6 Monate stattfindenden Hilfeplangespräche gemäß §36 SGB VIII, an denen der Jugendliche, die Eltern, das Jugendamt, weitere Fachkräfte und der Jugendhilfeträger teilnahmen. Anlassbezogen wurde zeitlich davon abgewichen und ein kürzerer Rhythmus vereinbart.

 

7.Gibt es Anbieter der Jugendhilfe im Raum Weser Ems, die Elemente der sogenannten Schwarzen Pädagogik anwenden?

(Anmerkung: „Schwarze Pädagogik“ ist ein negativ wertender Sammelbegriff für Erziehungsmethoden, die mit Gewalt und Einschüchterung arbeiten.)

 

Dem Jugendamt sind keine Anbieter bekannt. Eine Belegung wäre aus unserer Sicht von vorneherein ausgeschlossen. Zudem kann unterstellt werden, dass Anbieter mit Konzepten, die „Elemente der schwarzen Pädagogik“ beinhalten, bereits an der Erteilung einer Betriebserlaubnis durch die Heimaufsicht scheitern würden.

 

8. Wird der Landkreis rechtlich, strukturell, informierend und beratend dabei unterstützt, Träger auszuwählen und den Fragen von Problemen und Einordnung von Trägern Rechtssicherheit und Qualitätsmanagementinformationen zu berücksichtigen und zu erhalten?

Vor jeder Belegung wird die Qualitäts-und Entgeltvereinbarung eingesehen. Weiter wird für eine Recherche eines geeigneten Hilfeangebotes die Expertise von Kolleginnen und Kollegen im ASD und den Jugendämtern vor Ort der Einrichtung eingeholt und sich ein persönlicher Eindruck vom Einrichtungsträger verschafft. Die angefragten Träger entscheiden im Vorfeld zudem für sich selbst, ob sie sich in der Lage sehen, den geforderten Hilfebedarf zu decken.

Weitergehende Unterstützung bietet das LJA im Rahmen ihrer beratenden Tätigkeit als Heimaufsicht und erlaubniserteilende Behörde.

Bezüglich des durchzuführenden Konsultations- und Zustimmungsverfahrens kann das Bundesamt für Justiz als deutsche Zentrale Behörde nach der Brüssel IIa-VO unterstützend tätig werden. An dieses kann das Ersuchen bezüglich der ausländischen Unterbringung gerichtet werden, welches die Weiterleitung an die ausländische Zentrale Behörde übernimmt.

 

 


 

 


Anlagenverzeichnis:

Antrag der Gruppe GRÜNE/ UWG vom 20.10.2019