Betreff
Antrag der Gruppe GRÜNE/UWG zur Weiterentwicklung der Willkommenskultur im Landkreis Cloppenburg
Vorlage
V-SOZ/18/076
Art
Sitzungsvorlage

Beschlussvorschlag:

Der  Sozialausschuss beschließt, dem Kreistag zu empfehlen:

1.    Von der Schaffung einer „Welcome-App“ für Migrant_innen im Landkreis Cloppenburg wird abgesehen.

2.    Das Leitbild für Integration für den Landkreis Cloppenburg mit den entsprechenden Leitlinien wird unter der Beteiligung des Netzwerkes Integration und der Politik aktualisiert.

3.      Der Landkreis führt den Dialog mit Flüchtlingen, Migrant_innen und ehrenamtlich Engagierten fort. Zusätzliche diesbezügliche Dialogveranstaltungen werden bei Bedarf initiiert.

 


Sachverhalt:

 

Die Gruppe der Grünen/UWG hat mit Schreiben vom 29.01.2018 einen Antrag zur Weiterentwicklung der Willkommenskultur im Landkreis Cloppenburg gestellt. Zur Weiterentwicklung der Willkommenskultur sollen laut Antrag nachfolgende drei Projekte umgesetzt werden:

 

1.    Es wird eine „Welcome-App“ für Migrant_innen im LK Cloppenburg geschaffen.

 

Zur Begründung ist in dem Antrag der Grünen/UWG folgendes ausgeführt:

„Viele Migrant_innen haben Zugang zu einem Smartphone oder Computer. Daher ist eine App für sie ein niedrigschwelliges Angebot zur Integration. Mit Hilfe der App sollen Migrant_innen an die sie unterstützenden Institutionen (z. B. Caritas, Integrationslotsen etc.) herangeführt werden. …“

 

Seit Beginn des verstärkten Zuzuges von geflüchteten Menschen in die BRD im Herbst 2015 sind unzählige, die Integration unterstützende, Informationsportale und Apps von öffentlicher und privater Hand entstanden. Auf einer Sitzung der „Kooperativen Migrationsarbeit Niedersachsen“ im November 2017 im Cloppenburger Museumsdorf wurde dieses Thema umfangreich behandelt. Die als Diskussionsgrundlage herangezogene Studie der TU Berlin „Mediennutzung durch Flüchtlinge, vor während und nach der Flucht“ vom Oktober 2016 ergab, dass für einen Großteil der Flüchtlinge das Internet oder ein Smartphone auf der Flucht unersetzlich sind. Über diese Medien wird Kontakt zur Familie gehalten, Übersetzungen werden abgerufen und es finden Organisations –und Informationsaustausche statt. Mehr als 80 % der Flüchtlinge gaben an, dass sie während der Flucht das Internet genutzt haben. Bevorzugt wurden dabei Messenger Dienste wie WhatsApp und Facebook-Gruppen genutzt. Informationen über klassische Kanäle wie Nachrichtendienste oder Organisationsseiten wurden eher misstrauisch aufgenommen. Nach der Ankunft in Deutschland sticht in dieser Studie besonders der hohe Stellenwert der interpersonellen Kommunikation für die Flüchtlinge hervor. Interpersonal vermittelte Informationen genießen bei allen Befragten das größte Vertrauen. Informationen aus dem Fernsehen, aber auch dem Internet abseits persönlicher Kontakte wird dagegen relativ wenig Vertrauen entgegengebracht.

 

Nach Meinung von Forschungsinstituten wird die Medienkompetenz von Flüchtlingen häufig überschätzt. Überwiegend werden persönliche Kontakte über Messenger Dienste und den Austausch in geschlossenen Facebook-Gruppen durchgeführt.

 

Für die Flüchtlingshilfe ist die Power der sozialen Netzwerke spätestens seit 2015 z.B. im Bereich der Ehrenamtskoordination für die breite Öffentlichkeit deutlich geworden. Immer mehr Angebotsplattformen und Helfer-Gruppen schossen wie Pilze aus dem Boden. Seither wurden unzählige Apps und Hilfeseiten entwickelt.

 

Zuwanderern, die sich einen ersten Überblick über die Gegebenheiten in Deutschland verschaffen wollen, steht die App vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) „Ankommen“ zur Verfügung. Diese gilt als seriös und informativ. Über die App erhalten neuzugewanderte Menschen alle wesentlichen Informationen direkt auf das Smartphone, um sich bei den ersten Schritten in einer neuen Umgebung zurechtzufinden. Ein Internet Zugang ist dafür nicht erforderlich.

 

Über die App sind auch Informationen zu Anlaufstellen in der „neuen“ Stadt oder Gemeinde (z.B. Ausländerbehörde, Migrationsberatungsstellen, Integrationslotsen) erhältlich. Die App erhält Informationen zum Asylverfahren, zum Arbeitsmarktzugang und zum Alltag in Deutschland. Das Kapitel „Leben in Deutschland“ greift alltägliche Themen auf, wie zum Beispiel das deutsche Bildungssystem, medizinische Versorgung, Migrationsberatungsdienste, Verhalten im Straßenverkehr, usw. Des Weiteren wird auch das politische und rechtliche System in Deutschland, die Religionsfreiheit und die Gleichberechtigung von Frau und Mann behandelt. Zusätzlich ist ein kostenloser, multimedialer Sprachkurs integriert, um erste Basisbegriffe zu erlernen.

 

Bislang haben fünf Städte oder Landkreise in Niedersachsen eine individuelle, regionale Willkommens-App konzipiert und installiert (Landkreis Göttingen, Stadt Göttingen, Landkreis Harburg, Landkreis Peine, Landkreis Rotenburg (Wümme)).

 

Im Landkreis Cloppenburg wurde bereits 2015 mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem Netzwerk für Integration (NWI)ein Willkommensordner für Neuzugewanderte zusammengestellt. Diese Informationen zur Erstorientierung sind in 6 unterschiedlichen Sprachen erhältlich. Zielsetzung ist, den Zugewanderten einen ersten, leicht verständlichen und unkomplizierten Überblick über alle wichtigen Anlaufstellen in ihrer neuen Umgebung zu verschaffen. Für die Bestückung und Verteilung der Willkommensordner ist die Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe in der Kreisverwaltung zuständig. Die Zuführung der Ordner an die Adressatinnen und Adressaten erfolgt über die Sozialämter der Städte und Gemeinden im LK Cloppenburg, die zuständigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die Integrationslotsen etc.

 

Als ergänzende Informationsquellen im Bereich Bildung für Neuzugewanderte stehen seit Oktober letzten Jahres eine kontinuierlich aktualisierte Sprachkursdatenbank sowie die Info-Broschüre „Bildungsangebote für Neuzugewanderte im Landkreis Cloppenburg“ auf der Internetseite des Landkreises Cloppenburg zur Verfügung.

 

Eine weitere Maßnahme im Rahmen der Willkommenskultur war die Installierung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in den Städten und Gemeinden, die für die Betreuung der dezentral untergebrachten Flüchtlinge zuständig sind. Durch diese erhalten die geflüchteten Menschen vor Ort u.a. Unterstützung bei Behördengängen, bei der Kontaktaufnahme zu Migrationsberatungsstellen, Arztbesuchen, Bildungseinrichtungen, Ehrenamt etc..

 

Mit diesen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter finden seither regelmäßige Austauschtreffen in der Kreisbehörde statt. In den Sitzungen werden unter der Leitung der Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe u. a. Problematiken aufgegriffen, Bedarfe und Anliegen der Geflüchteten zusammengetragen und bearbeitet, Integrationsbedarfe offengelegt und Abstimmungsprozesse erarbeitet, damit eine landkreiseinheitliche Verfahrensweise umgesetzt wird.

 

Fazit:

Die Stabsstelle Gleichstellung, Integration und Demografie hält die Installierung einer Welcome-App für Migrantinnen und Migranten im LK Cloppenburg für nicht erforderlich. Recherchen zur Thematik haben ergeben, dass bislang 5 Städte und Landkreise in Niedersachsen eine Welcome-App zur Verfügung gestellt haben und diese zum größten Teil nicht in dem erhofften Umfang genutzt wird. Außerdem wird der Zeitpunkt zur Einrichtung einer Welcome-App als verspätet erachtet. Seit Oktober 2017 sind so gut wie keine neuen Zuweisungen von geflüchteten Menschen in den Landkreis Cloppenburg mehr erfolgt. Seit Beginn 2018 trafen insgesamt 11 neuzugewiesene Personen im Landkreis Cloppenburg ein, von denen vier Kinder waren. Selbst wenn die Zuzugszahlen wieder steigen sollten, stehen momentan genügend Ressourcen und Instrumente zur Verfügung, um die Neuzugewanderten dann im Sinne einer Willkommenskultur zu begleiten. Bislang gemachte Erfahrungen zeigen, dass der (Erst)kontakt idealerweise immer über eine persönliche und fachliche Beratung stattfinden sollte. Migrations- und Integrationsberatungsstellen, etablierte Verbände, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und ergänzend auch Ehrenamtliche vor Ort sollten hier auch weiterhin erste Anlaufstellen für Migrantinnen und Migranten sein.

 

 

2.    Das Leitbild für Integration für den Landkreis Cloppenburg mit den entsprechenden Leitlinien wird aktualisiert.

 

Im Jahr 2000 bildete sich erstmals ein Gremium aus qualifizierten Fachkräfte, um gemeinsam unterschiedliche Unterstützungs- und Beratungsangebote im Landkreis Cloppenburg zur Thematik Migration und Integration zusammen zu fassen. Das war die Entstehung des Netzwerkes für Integration (NWI). Im Zuge dieses Integrationsprozesses ist über die Jahre eine bunte Trägerlandschaft im Landkreis entstanden. Sie setzt sich zusammen aus ehrenamtlichem bürgerschaftlichen Engagement, professionellen Angeboten der freien Wohlfahrt und kommunalen Stellen mit unterschiedlicher Erfahrung in der Integrationsarbeit (Bildungsträger, Migrationsberatungsstellen, Jobcenter, Agentur f. Arbeit, Behörden, Migrantenselbstorganisationen, Polizei, Städte u. Gemeinden etc.).                                                                                                                                                               Das NWI arbeitet  bis heute an den vielfältigen Integrationsaufgaben im Landkreis Cloppenburg.

Das Leitbild und die Leitlinien zur Migration und Integration im Landkreis Cloppenburg (siehe Anlage) wurden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des NWI im Jahre 2008 erarbeitet und der Politik vorgelegt. Im selben Jahr erfolgte dazu ein zustimmender Kreistagsbeschluss.

Auf der letzten Sitzung vom Netzwerk für Integration, am 21.03.2018, wurde beschlossen, die Leitlinien und das Leitbild zur Integration und Migration im Landkreis Cloppenburg zu überarbeiten und zu aktualisieren. Hierfür haben sich einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer des NWI zur Verfügung gestellt. Interessierte aus den Reihen der Politik sind ebenfalls eingeladen, sich an der Überarbeitung zu beteiligen.

 

3.    Der Landkreis führt Dialogveranstaltungen für Flüchtlinge, Migrant_Innen und ehrenamtlich Engagierte durch.

 

Eine Kernaufgabe der Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe (Ko-Stelle MuT) ist die Unterstützung aller beteiligten Akteure, die sich mit der Thematik Migration und Integration im Landkreis Cloppenburg befassen. In den vergangenen Jahren wurde über diese Stelle eine diesbezüglich übersichtliche und gut organisierte Netzwerkstruktur im Landkreis Cloppenburg geschaffen.

Selbstverständlich ist es auch Aufgabe der Ko-Stelle MuT, Dialogveranstaltungen mit den zuständigen Hilfsorganisationen zu planen und durchzuführen.

Die Kreisverwaltung hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Ko-Stelle MuT auf lokaler Ebene die vor Ort tätigen Akteurinnen und Akteure bei der Schaffung einer chancengerechten Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in allen kommunalen und gesellschaftlichen Bereichen unterstützt.

 

Wie anfangs als eine Maßnahme zur Willkommenskultur beschrieben, stehen die geflüchteten Menschen im Landkreis Cloppenburg in regelmäßigem Kontakt mit den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern aus den Städten und Gemeinden, dem Integrationslotsenverein, den Migrationsberatungsstellen, Schulen, KiTas, den Ehrenamtlichen vor Ort etc.. Diese Institutionen und die dahinter stehenden Personen stehen tagtäglich in direktem persönlichen Kontakt mit den Geflüchteten und haben ein offenes Ohr für ihre Anliegen, Wünsche und Probleme. Durch das eng geknüpfte Netz an themenbezogenen Kooperationen zwischen der Koordinierungsstelle Migration und Teilhabe, der Bildungskoordinatorin und der Sprachförderkoordinatorin des Landkreises werden die Belange der Geflüchteten kontinuierlich in die Verwaltung zurück gespiegelt und finden in den Planungen zur Integration umfassend Berücksichtigung. Die Mitarbeiterinnen der Stabsstelle Gleichstellung, Integration und Demografie haben darüber hinaus vielfache persönliche Kontakte zu Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund, sei es durch persönliche Beratung, durch den Besuch von Maßnahmen, durch die Durchführung, oder die Beteiligung an der Durchführung, von Informationsveranstaltungen und Workshops.

 

Als eine besondere Form des Dialoges mit geflüchteten Menschen im Landkreis Cloppenburg ist die Erstellung einer Masterarbeit zum Thema „Angebote im Landkreis Cloppenburg für Geflüchtete“ zu werten, die sich mit einer persönlichen Befragung den Bedarfen und der Effizienz der Integrationsarbeit im Landkreis Cloppenburg widmet. Sie ist Teil eines Forschungsprojekts des Lehrgebiets Community Psychology an der FernUniversität in Hagen. Die einleitenden Worte des Frageleitfadens spiegelt die Intention der Forschungsarbeit wider.

Herzlich willkommen bei der Befragung „Angebote im Landkreis Cloppenburg für Geflüchtete“!

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an dieser Befragung zum Thema „Angebote im Landkreis Cloppenburg“. Die Befragung wird durchgeführt, um Ihnen in Bezug auf die Thematik eine Stimme zu geben. Auf Basis Ihrer Angaben entsteht eine neue Sichtweise auf bestehende Angebote sowie ihre Effizienz. Organisationen, Bildungsträgern, Vereinen, Wohlfahrtsverbänden und der Verwaltung kann somit ermöglicht werden, mithilfe der verschiedenen Angebote ganz gezielt auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse einzugehen.“ Die Ergebnisse dieser Arbeit werden der Integrationsarbeit im Landkreis aller Voraussicht nach neue Impulse geben.  

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle Beteiligten auch zukünftig, die Bedarfe und die Effizienz der angestoßenen Integrationsmaßnahmen im Austausch mit der Zielgruppe überprüfen werden. Auch weiterhin wird der von der Gruppe Grüne/UWG gewünschte Dialog mit Flüchtlingen, Migrant_innen und ehrenamtlich Engagierten fortgeführt werden.


Finanzierung:

 


Anlagenverzeichnis:

Antrag der Gruppe Grüne/UWG vom 29.01.2018

Leitlinien und Leitbild Integration